IBM Quantum Experience: Quantencomputer mit Cloud-Anbindung für Experimente

Parwez Farsan
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IBM Quantum Experience: Quantencomputer mit Cloud-Anbindung für Experimente
Bild: IBM Research

IBM bietet der Öffentlichkeit mit der IBM Quantum Experience erstmals die Möglichkeit, Experimente auf einem Quantenprozessor im Thomas J. Watson Research Center in Yorktown Heights, New York durchzuführen. Über die IBM Cloud ist der Zugriff auf die Quantencomputer-Plattform von jedem Computer oder Mobilgerät aus möglich.

Herzstück der Quantencomputer ist IBMs aktuellste Quantenprozessor-Architektur mit fünf supraleitenden Qubits (Quantenbits) auf einem Siliziumchip, die mit Hilfe von Standard-Herstellungsverfahren produziert und weiter skaliert werden kann. Zum Schutz vor zu hohen Temperaturen und elektromagnetischer Strahlung, die Quantenfehler verursachen, sind die Quantenprozessoren in Mischungskryostaten untergebracht, die Temperaturen nahe des absoluten Nullpunkts erreichen.

Qubits statt Bits

Qubits sind im Reich der Quantencomputer das Äquivalent zu einem Bit. Doch während ein Bit nur die Werte 0 oder 1 annehmen kann, kann ein Qubit auch 0 und 1 gleichzeitig sein, die sogenannte Superposition. Dieser und weitere Quanteneffekte sind dafür verantwortlich, dass Quantencomputer das Potenzial bieten, bestimmte Berechnungen bedeutend schneller auszuführen als ein normaler Computer.

Einen Zugang kann jeder beantragen

Durch die Anbindung an die IBM Cloud ermöglicht es IBM im Prinzip, dass jeder Algorithmen oder Experimente auf den Quantenprozessoren ausführen kann. Einen freien Zugang bedeutet dies allerdings nicht. Wer Zugang zur IBM Quantum Experience möchte, muss zunächst über ein Formular eine Einladung beantragen. An Informationen werden lediglich Name, Organisation, E-Mail-Adresse, eine Selbsteinschätzung zum Kenntnisstand sowie eine kurze Erklärung, warum ein Zugang gewünscht wird, erbeten.

Mit einem Account stehen dann nicht nur Tutorials für Anfänger und Experten zur Verfügung. Nutzer können auch mit einzelnen Qubits arbeiten, eigene Algorithmen schreiben und diese über die Cloud auf einem der Quantencomputer im Thomas J. Watson Research Center ausführen.

Ziel der IBM Quantum Experience ist es, das Wissen über Quantencomputer und ihr Potenzial zu verbreiten und der Wissenschaftsgemeinde und Unternehmen dabei zu helfen, Innovationen zu beschleunigen und neue Anwendungen für Quantencomputer zu finden. Das Programm ist eine Initiative des neuen IBM Research Frontiers Institute. Das Konsortium, zu dessen Gründungsmitgliedern unter anderem Samsung, JSR und Honda gehören, hat sich zum Ziel gesetzt grundlegende Computertechnologien zu entwickeln und zu teilen, um Innovationen zu fördern.

In Zukunft soll die Plattform auch die Überprüfung der Experimentalergebnisse anderer Nutzer und den Austausch mit der Community ermöglichen. Zudem plant IBM, im Laufe der Zeit Konfigurationen mit mehr Qubits und verschiedene Prozessor-Anordnungen verfügbar zu machen.

Ein universeller Quantencomputer als Ziel

Das noch ferne Ziel der Quantencomputerforschung ist die Entwicklung eines universellen Quantencomputers, der voll programmierbar ist und nicht nur bei bestimmten Aufgaben die Geschwindigkeit heutiger Supercomputer exponentiell überbieten würde, sondern auch Aufgaben lösen könnte, die mit einem traditionellen Computer nicht lösbar sind. Prognosen zufolge wird ein solcher Quantencomputer mehr als 100.000 Qubits haben, also ein Vielfaches dessen, was die aktuellen Quantenprozessoren von IBM mit ihren fünf Qubits bieten.

Bis dies möglich ist, sind noch einige Herausforderungen zu meistern. Eine derart hohe Zahl hochwertiger Qubits zu produzieren, die kontrolliert genutzt werden können, ist allerdings alles andere als trivial. Zudem wird eine funktionierende Quantenfehlerkorrektur benötigt, um die Informationen der einzelnen Qubits vor Fehlern zu schützen, die durch Dekohärenz oder Quantenrauschen entstehen.

Erste Schritte in diese Richtung hat IBM bereits gemacht. Im letzten Jahr gelang es den Forschern Quantenfehler zu entdecken, indem sie supraleitende Qubits in Gitterstrukturen kombinierten. Mit der Kombination von fünf Qubits in der Gitterarchitektur gelang nun auch die Paritätsmessung, auf der viele Quantenkorrekturverfahren beruhen.

Drei Arten von Quantencomputern
Drei Arten von Quantencomputern (Bild: Carl De Torres für IBM Research)

Das realistische Ziel für die nächsten Jahre ist aber die Entwicklung eines sogenannten analogen Quantencomputers mit voraussichtlich 50 bis 100 Qubits. Bereits mit einer solchen Maschine sollen sich Quantenwechselwirkungen simulieren lassen, die außerhalb der Fähigkeiten eines normalen Computers liegen. Dazu zählt beispielsweise das Verhalten von Molekülen.

Zahlreiche mögliche Anwendungen

Die potenziellen Anwendungsgebiete von Quantencomputern sind zahlreich und in ihrer Gänze noch gar nicht erfasst. Zu den Nutznießern der Rechenleistung von Quantencomputern würden unter anderem die Chemie und die Materialwissenschaft profitieren. Weitere Anwendungsgebiete sind zum Beispiel Optimierungsprobleme, Quantendynamik, Kryptographie, maschinelles Lernen und künstliche Intelligenz.

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