BND-Skandal: Überwachung und Spionage am rechtlichen Abgrund

Andreas Frischholz
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BND-Skandal: Überwachung und Spionage am rechtlichen Abgrund
Bild: nolifebeforecoffee | CC BY 2.0

Beim Sammeln und Übermitteln von Daten hält sich der Bundesnachrichtendienst (BND) vermutlich nicht immer an die Gesetze, die Rechtsauffassung ist ohnehin fragwürdig und letztlich sei der Überwachungskomplex kaum zu kontrollieren – so lautet das Fazit einer Mitarbeiterin der Bundesdatenschutzbeauftragten im NSA-Ausschuss.

BND ist kaum zu kontrollieren

Wie problematisch die Kontrolle vom BND ist, schildert Gabriele Löwnau als zuständige Referatsleiterin bei der Bundesbeauftragten für Datenschutz. Seit den NSA-Enthüllungen im Jahr 2013 will die Behörde prüfen, was an den Vorwürfen gegen den BND dran ist. Doch das Verfahren wurde immer noch nicht abgeschlossen. Der Grund: Zu wenig Personal, das sich mit der Geheimniskrämerei des BND und einer Überwachungsmaschinerie herumschlagen muss, von der die Datenschützer bisweilen erst aus Medienberichten erfahren haben. Daher waren auch mehrere Vorort-Termine im Standort Bad Aibling nötig, um den Schleier zumindest ein Stück weit zu lüften.

Das Problem ist allerdings: Die Struktur der Überwachungsmaschinerie ist so komplex, dass die Datenschützer schlicht nicht alle Aussagen prüfen können. So kann Löwnau laut dem Live-Ticker von Netzpolitik.org etwa nicht ausschließen, dass der BND im Standort Bad Aibling Daten erhebt, die er nicht erheben darf. Wenn aber die Metadaten und Inhalte von Nachrichten nicht legal erhoben werden, ist die Übermittlung an die NSA auf alle Fälle rechtswidrig. Das gilt auch für die Berge an Metadaten, die laut BND eigentlich unproblematisch sein sollen, weil diese angeblich keine personenbezogenen Daten beinhalten – doch diese Auffassung teilen die Datenschützer nicht.

Wie sich bereits in vorherigen Sitzungen des NSA-Ausschusses gezeigt hat, reichen die Filterprogramme nicht aus, um deutsche Kommunikationsdaten vollständig auszusortieren. „Uns ist klar geworden, dass man damit nicht alles ausfiltern kann, was geschützt werden sollte“, so Löwnau. Wie gut diese Programme in der Praxis arbeiten, konnten allerdings auch die Datenschützer nicht endgültig klären. Daher bestehe auf alle Fälle die Gefahr, dass Daten von deutschen Bürgern an die NSA übermittelt werden.

Hinzu kommt: Der BND betreibt in Bad Aibling Datenbanken mit Dateien als Grundlage, von denen die Datenschützer erst bei den Vorort-Terminen erfahren haben. Zudem habe nur bei einer von sechs Dateien die gesetzlich vorgeschriebene Dateianordnung bestanden. Eine Dateianordnung ist allerdings notwendig, weil auf diese Weise festgelegt wird, welche Inhalte in einer Datei gespeichert werden und inwieweit die Informationen verarbeitet werden. Wenn diese Anordnung fehlt, ist das keine Formalie, sondern die entsprechende Datenverarbeitung schlicht rechtswidrig.

Weltraum-Theorie als juristisches Himmelfahrtskommando

Kein gutes Haar lässt Löwnau derweil an der Weltraum-Theorie. Diese lautet: Der BND darf von Bad Aibling aus die Satelliten-Kommunikation überwachen, ohne dass rechtliche Beschränken gelten – denn die entsprechenden Daten würden nicht in Deutschland, sondern im Weltraum erfasst werden. Demnach gelten auch nicht die Auflagen aus dem BND-Gesetz, wenn in Bad Aibling erfasste Daten an die NSA übermittelt werden. Diese Rechtsauffassung lehnt die Datenschützerin aber rigoros ab. Die Erfassung erfolge durch Antennen, die auf deutschem Boden stünden, dementsprechend gelte auch deutsches Recht.

Es ist eine Ansicht, mit der Löwnau nicht alleine darsteht. Selbst im Kanzleramt ist die Weltraum-Theorie offenkundig umstritten, wie ein Bericht der Süddeutschen Zeitung verdeutlicht. Aus internen Dokumenten und E-Mails geht demnach hervor, dass die in Bad Aibling erfasste Satelliten-Kommunikation erst im August 2013 als „im Ausland erhoben“ eingestuft wurde. Ebenso sollen Metadaten erst zu diesem Zeitpunkt als „nicht personenbezogen“ klassifiziert worden sein.

Politischer Handlungsbedarf bestand damals, weil zuvor enthüllt wurde, dass der BND allein im Dezember 2012 rund 500 Millionen Metadaten an die NSA übermittelt hatte – eine Masse, die nicht durch das BND-Gesetz gedeckt ist. Daher sollen die Spitzen von BND und Kanzleramt offenbar in einer Nacht-und-Nebel-Aktion vereinbart haben, dass die rechtliche Grundlage schlicht umgedeutet wird, um den Datenaustausch nachträglich zu legitimieren. Referenten im Kanzleramt, die die Weltraum-Theorie schon damals als „nicht nachvollziehbar“ bewerteten, wurden dabei schlicht übergangen.

BND spionierte befreundete Staaten und sogar deutsche Botschafter aus

Doch es sind nicht nur die Grundlagen für das massenhafte Sammeln und Übermitteln von Kommunikationsdaten, die dem BND um die Ohren fliegen. Auch die Skandale um die gezielten Spionage-Aktivitäten im Ausland sorgen für einen stetig steigenden Druck. So wurden in der letzten Woche immer mehr Details bekannt, die belegen, dass der deutsche Auslandsgeheimdienst – zumindest bis 2013 – systematisch befreundete Staaten ausspähte. Laut einem Bericht des Spiegel zielten BND-Selektoren wie Telefonnummern und E-Mail-Adressen auf Vertretungen von der EU und den Vereinten Nationen. Ebenso sollen das US-Finanzministerium, das französische Außenministerium sowie die Einrichtungen von zahlreichen anderen EU-Staaten wie Großbritannien ausspioniert worden sein. Und selbst Nichtregierungsorganisationen wie das Rote Kreuz und den Vatikan hat der BND ins Visier genommen.

Spionage-Aktivitäten gegen diplomatische Einrichtungen sind zwar per se nicht illegal. Klar wird allerdings: Der BND braucht keine NSA, um gegen Partnerstaaten vorzugehen. Von Merkels Credo „Abhören unter Freunden – das geht gar nicht“ kann also keine Rede sein.

Dass der BND nach Informationen des Radiosenders RBB sogar den deutschen Diplomaten Hansjörg Haber auf Liste hatte, setzte dem Ganzen allerdings die Krone auf. Es ist zwar noch unklar, wann genau und wie lange die Kommunikation von Haber abgehört wurde. Doch als deutscher Staatsbürger steht er unter dem Schutz des Grundgesetzes und ist für den BND damit eigentlich tabu.

Selbst die Bundesregierung distanziert sich vom BND

Angesichts der Vorwürfe geht nun sogar die Bundesregierung auf Distanz. „Im Auftragsprofil des BND ist die politische Ausspähung von Partnerstaaten nicht vorgesehen“, erklärt etwa der stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Wirtz laut Zeit Online. Denn es gelte weiterhin die Ansage, dass das Ausspähen unter Freunden nicht gehe. Eine solche Distanzierung ist auch nötig, werden die Spionage-Aktivitäten doch nun von Präsident François Hollande verurteilt. Anlässlich eines EU-Afrika-Gipfels in Malta forderte er, dass nun alle Informationen auf den Tisch kommen.

Noch deutlichere Worte findet derweil die Opposition. Dass der BND auch einen deutschen Diplomaten abhört, bezeichnet der Grünen-Abgeordnete Konstantin von Notz laut Zeit Online als „einen handfesten Skandal in einer ganzen Reihe von Skandalen“. Und Martina Renner, die für die Linke im NSA-Ausschuss sitzt, fordert: „Die Salami-Taktik von BND und Bundeskanzleramt, die Wahrheit über das Ausmaß der illegalen BND-Überwachung preiszugeben, muss jetzt endlich ein Ende haben.“ Bei BND und Bundeskanzleramt herrsche offenbar die Hoffnung vor, dass „auf diese Art und Weise die Öffentlichkeit, die Medien und wir als parlamentarische Kontrolleure irgendwann den Überblick verlieren und entmutigt aufgeben werden angesichts des schieren Ausmaßes an rechtswidrigen Aktivitäten des BND“.

Damit ist aktuell aber nicht mehr zu rechnen.