Musikindustrie mahnt Heise ab

Jan-Frederik Timm
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Vor neun Tagen titelte Heise Online „Programm X überwindet Kopierschutz von Un-DVDs“ und wir staunten ob des Inhaltes intern nicht schlecht, denn neben einer Meldung über das hierzulande illegale Tool wurde sogar ein Link auf die Seite des Hersteller gesetzt.

Vor gut einem halben Jahr hatte uns ein versehentlich im Downloadbereich übersehener Link zu einem DVD-Kopierprogramm mit Kopierschutz-Hack auf einem ausländischen Server eines mit uns nicht verbundenen Drittanbieters eine ähnliche Unterlassungserklärung mit einer empfindlichen Vertragsstrafe, der Androhung eines Gerichtsverfahrens und hohen Anwaltkosten erreicht. Die genauen Umstände sind im Forum nachzulesen.

Nun berichtet Heise vom Eingang einer Abmahnung im Auftrag der deutschen Musikindustrie durch die auch uns nur all zu gut bekannte Kanzlei Waldorf, München, in der man dem Verlag vorwirft, mit der oben erwähnten Meldung Werbung gemacht und eine Anleitung zum Umgehen eines Kopierschutzmechanismus' gegeben zu haben. Beides ist seit 2003 nach § 95a des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) unzulässig und strafbar.

Christian Persson, Chefredakteur von heise online, kommentierte die Abmahnung wie folgt:

„Der Artikel enthält weder eine Anleitung noch Werbung, es wird im Gegenteil ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Nutzung dieser Software in Deutschland verboten ist. Einen Link auf die Webpräsenz des Herstellers zu setzen, ist in der Online-Berichterstattung eine Selbstverständlichkeit und angesichts der Tatsache, dass unsere Leserinnen und Leser Internetsuchmaschinen kennen und bedienen können, ohnehin belanglos. Es muss doch gerade auch im Interesse der Rechteinhaber von Software, Filmen und Musik liegen, rechtzeitig über die Untauglichkeit von Kopierschutztechniken informiert zu werden. Nach der verqueren Logik der vorgetragenen Beschuldigung müsste sich die Presse künftig Beihilfe zu schwerem Diebstahl vorwerfen lassen, wenn sie Hausbesitzer wahrheitsgemäß davor warnt, auf bestimmte Sicherheitsschlösser zu vertrauen, die unzutreffend als unüberwindbar angepriesen werden.“

Betrachtet man rückwirkend die unzähligen Abmahnungen, die insbesondere kleinere Seiten und uns zumeist aus wesentlich unoffensichtlicheren Gründen erreicht haben, geht die Abmahnung auf den ersten Blick mit den vergangenen konform und ist mit dem deutschen Recht durchaus vereinbar. Die Meldung enthielt zwar keine direkte Anleitung zum Umgehen des Kopierschutzes, informierte aber insoweit darüber, dass das Umgehen mit Programm X nun möglich ist. Der Link auf die Herstellerseite, unter der man das in Deutschland illegale Programm beziehen kann, dürfte in die Kategorie „zugänglich machen illegaler Software fallen“ und ist im Endeffekt nicht anders zu werten als unser Downloadeintrag von 2004 - letztendlich ist es Ansichtssache.

Der letzte Absatz bedeutet allerdings keinesfalls, dass wir uns mit der derzeitigen Rechtslage zufrieden geben und die Abmahnung gegen Heise Online für gut heißen (sie ist unter Hinzunahme aller Vorkommnisse in der Vergangenheit höchstens logisch). Unsere Hoffnung besteht vielmehr darin, dass es Heise, die die Unterlassungserklärung nicht unterschreiben werden, endlich schafft, einen in der Vergangenheit für Seiten wie uns (die sich teure Prozesse nicht leisten können) so dringend benötigten Präzidensfall durchzuexerzieren. Das Deutsche Recht besteht zwar aus unfassbar vielen Paragraphen, ist letztendlich aber weniger klar formuliert, als man auf den ersten Blick annehmen kann. Eventuell kommt es ja nun in Folge der Auseinandersetzung zwischen Heise und der Phonoindustrie zur präzisen Definition von Begriffen wie „bewerben“ oder „zugänglich machen“, so dass in Zukunft insbesondere die Presse wieder in der Lage ist, frei und neutral über Entwicklungen von Software jeglicher Art zu berichten, ohne Tage später einen Brief vom Anwalt im Haus zu haben.

Stutzig gemacht hat uns im Fall Heise noch die folgende Tatsache: Während dem Verlag die förmliche Abmahnung erst nach seiner ablehnenden Haltung gegenüber einer unförmlichen Aufforderung ins Haus flatterte, rannte uns und unzähligen anderen Seiten die Kanzlei Waldorf ohne einen höflichen Hinweis auf nicht gesetzeskonforme und nur versehentlich veröffentlichte Inhalte mit einer mehrere Tausend Euro schweren Abmahnung die Tür ein. Immer bewusst, dass es sich derartige Opfer nicht leisten können, gerichtlich gegen solche Machenschaften vorzugehen. Abseits der eigentlichen Problematik dürfte sich das Ansehen der bekannten Kanzlei mit dem heutigen Tag somit erneut nicht zum Besseren gekehrt haben.

Nachdem der Verlag nicht freiwillig einlenkte, wurde er durch die beauftragte Münchener Kanzlei Waldorf Rechtsanwälte heute formell abgemahnt.