Schweden geht gegen Filesharing vor

Sasan Abdi
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Am Mittwoch tritt in Schweden ein lange und heiß debattiertes erstes Gesetz zur Eindämmung des regen Filesharing-Verkehrs im Herzen Skandinaviens in Kraft. Damit entliberalisiert das Parlament einen lange schweigend hingenommenen Volkssport und kommt zugleich der bisher erbosten Entertainment-Wirtschaft einen großen Schritt entgegen.

Überraschend schnell hat man sich in Schweden in offiziellen Kreisen dazu aufgerafft, etwas gegen das in manchen Bevölkerungskreisen nahezu exzessiv betriebene Filesharing-Phänomen zu unternehmen. Bisher war das Tauschen von urheberrechtlich geschütztem Material im hohen Norden quasi legal. Zwar galt das Ganze, vor allem im größeren Stil, eigentlich als gesetzeswidrig. Der radikale Datenschutz aber erlaubte es der Staatsanwaltschaft nur selten, wirklich zu ermitteln. So darf prinzipiell nur zugeschlagen werden, wenn davon auszugehen ist, dass durch die Investigation auch eine Straftat verfolgt wird, die mindestens eine Gefängnisstrafe zur Folge hat. Für Kleinkriminelle im Internet sahen die Zeiten also bisher rosig aus. Denn in den meisten Fällen durften die Internet Service Provider auf das Gesetz pochen und der Polizei die Einsicht in ihre Unterlagen verwehren.

Entsprechend groß war der Ärger bei der Entertainment-Industrie. Diese – vorneweg natürlich die Musik- und Filmindustrie – liefen immer wieder Sturm gegen die liberale Gesetzeslage und dürfen jetzt die Früchte ihrer harten Lobbyarbeit ernten. Denn ab dem 1. Juli werden Raubkopierer in Schweden gleichfalls strikt verfolgt wie in Deutschland – zumindest laut Gesetz. Das Problem soll aber auch präventiv angegangen werden. So kam das Parlament in seinem Entscheid vom 25. August der Forderung der Musikindustrie nach, wonach eine nicht geringe Preiserhöhung auf alle Rohmedien erfolgen wird. Demnach werden CD- und DVD-Rohling sowie leere Kassetten und sonstige Speichermedien demnächst bis zu doppelt so teuer sein wie bisher.

Dem Gesetzentwurf vorausgegangen war eine neubelebte Diskussion zwischen der schwedischen Regierung und der dortigen Musikindustrie. In einem offenen Brief prangerte die Lobby die Duldung der Piraterie an und schob der Regierung indirekt die Schuld für die herben Umsatzrückgänge von bis zu 30 Prozent in die Schuhe. Zugleich unterschrieben über 30 lokale Künstler eine Petition, in der die Offiziellen zum Handeln aufgefordert wurden.

Letztlich war der Druck scheinbar so hoch, dass sich auch die Regierungsfraktion beugen musste. Allerdings deutet man das Gesetz in Regierungskreisen zugleich als Gewinn und gibt sich betont neutral. So versteht man die Aktion als Gradwanderung: Auf der einen Seite werden Raubkopierer etwas strenger verfolgt. Zugleich steigen die Preise für Leermedien. An den Einnahmen wird beispielsweise die Musikindustrie – als Quasi-Ausgleich für die Verluste - beteiligt werden. Auf der anderen Seite werden viele der rund 500.000 Schweden, die regelmäßig Filesharing betreiben, weiterhin unbehelligt ihrem Treiben fröhnen können.

Auch lässt der Schritt nun wieder Platz für Forderungen an die Musikindustrie. Justizminister Thomas Bodström zeigte sich beispielsweise verärgert über die Kompatibilitätsprobleme, die der Musikindustrie zwar durchaus bekannt sind, an deren Verbesserung ihr aber nicht wirklich viel gelegen zu sein scheint: „Aus offensichtlichen Gründen sollte es möglich sein, Musik von einer neu gekauften CD für einen MP3-Player zu kopieren oder ein Duplikat fürs Auto anzufertigen.“ Die Diskussion dürfte damit in Schweden wohl nur vorzeitig in eine ruhigere Phase eintreten.

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