IBM: Einzel-Moleküle statt CMOS-Transistor

Thomas Hübner
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Forscher im IBM Rüschlikon Forschungslabor haben vorgeführt, dass ein einzelnes Molekül zwischen zwei verschiedenen Ladungszuständen wie an/aus hin und hergeschaltet werden kann. Damit kann man mit einem einzelnen Molekül bereits Daten speichern.

Die Experimente zeigen, dass bestimmte Molekültypen Eigenschaften haben, die vergleichbar mit Baukomponenten in der heutigen Halbleitertechnologie sind. Dieses Ergebnis ist ein weiteres vielversprechendes Ergebnis in der Bemühung, neuartige Technologien für die Post-CMOS-Ära zu entdecken und zu entwickeln.

In der Ausgabe der Zeitschrift SMALL vom 4. August berichten die IBM Forscher Heike Riel und Emanuel Lörtscher von einem Schalter und Speicherelement, bestehend aus einem einzelnen Molekül. Unter Nutzung einer raffinierten mechanischen Methode konnten sie einen elektrischen Kontakt zu einem einzelnen Molekül schaffen, um eine umkehrbare und steuerbare Schaltung zwischen zwei Ladungszuständen zu schaffen.

Diese Untersuchung ist Teil der Arbeit der Forscher, Moleküle auf ihre Eigenschaft und Nutzbarkeit zu untersuchen als mögliche künftige Bausteine für Speicher-und Logikanwendungen. Mit der Dimension eines einzelnen Moleküls in der Größenordnung von einem Nanometer (10-9 m), stellt Molekularelektronik die ultimative Grenze der Miniaturisierungsmöglichkeit dar, weit jenseits der heutigen Silizium-basierten Technologie.

Die Ergebnisse zeigen, dass diese Moleküle Eigenschaften aufweisen, die dazu verwendet werden können, die gleichen logischen Operationen (AND, OR) durchzuführen, wie sie in heutiger Informationstechnologie verwendet werden. Durch die Anwendung von Spannungspulsen bei einem Molekül kann es steuerbar zwischen den Zuständen „an“ und „aus“ hin und her geschaltet werden. Diese entsprechen den „0“ und „1“-Zuständen, auf denen Datenspeicherung basiert. Darüberhinaus sind beide Ladungszustände stabil und ermöglichen ein zerstörungsfreies Auslesen des Bit-Status - eine Voraussetzung für nicht-flüchtige Speicheroperationen. Die IBM Forscher haben dies durch wiederholte Schreib-Lese-Lösch-Lese-Zyklen nachgewiesen. Mit diesem Einzel-Molekül-Speicherelement haben Riel und Lörtscher mehr als 500 Schaltzyklen und Schaltzeiten im Mikrosekundenbereich zeigen können.

Blau-Linie: Lesen, Schreiben, Löschen; Rote-Linie: Zustand, der sich einstellt
Blau-Linie: Lesen, Schreiben, Löschen; Rote-Linie: Zustand, der sich einstellt

Wesentlich für die Untersuchung der innewohnenden Eigenschaften von Molekülen ist die Fähigkeit, diese einzeln anzusprechen. Für diesen Zweck haben Riel und Lörtscher eine Methode erweitert, die „mechanically controllable break-junction (MCBJ)“ genannt wird. Mit dieser Technik wird eine Metallbrücke auf einem isolierenden Substrat vorsichtig durch mechanische Beugung gedehnt. Irgendwann bricht die Brücke ab und schafft zwei Elektroden, die Spitzen in atomarer Größe besitzen. Die Lücke zwischen den Elektroden kann mit Pikometer-Genauigkeit (10-12 m) gesteuert werden aufgrund des sehr hohen Übertragungsverhältnisses des Beugemechanismus. In einem nächsten Schritt wird eine Lösung organischer Moleküle auf der Spitze der Elektroden positioniert. Wenn die Verbindung sich schließt, kann ein Molekül, das sich an beide Metallelektroden anbinden kann, die Lücke überbrücken. Auf diesem Weg ist ein einzelnes Molekül zwischen den Elektroden „eingefangen“ und die Messungen können durchgeführt werden.

Image1
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Die Moleküle, die untersucht wurden, sind speziell entwickelte organische Moleküle, die nur ca. 1,5 Nanometer lang sind. Das ist ungefähr ein hundertstel der Größe eines aktuellen CMOS-Elements. Die Moleküle wurden entwickelt und synthetisiert von Professor James M. Tour und Mitarbeitern an der Rice University in Houston, Texas.

Die Miniaturisierung der Grundbausteine von Mikroprozessoren und dadurch die Schaffung zusätzlicher Funktionalität auf der gleichen Grundfläche wird auch als Skalierung bezeichnet. Dies ist das Hauptprinzip, das die Halbleiterindustrie antreibt. Bekannt als „Moore's Law“, welches besagt, dass die Transistormenge auf Halbleiterchips sich ungefähr alle 18 Monate verdoppelt, hat dieses Prinzip die Chip-Industrie in den vergangenen vierzig Jahren regiert. Das Ergebnis war die dramatischste und beispielloseste Leistungssteigerung, die jemals bekannt wurde.

Die CMOS-Technologie wird ihre endgültige Grenze voraussichtlich in zehn bis fünfzehn Jahren erreichen. Wenn Chipstrukturen,die gegenwärtig Dimensionen von circa 40 Nanometer haben, weiter jenseits der 20 Nanometer-Marke schrumpfen, tauchen weitere komplizierte Herausforderungen auf. Skalierung scheint daher ökonomisch nicht weiter machbar. Und unterhalb 10 Nanometer werden die fundamentalen physikalischen Grenzen der CMOS-Technologie erreicht. Daher sind neuartige Konzepte erforderlich.

Zur weiteren Steigerung der Computerleistung jenseits von CMOS werden fundamental unterschiedliche Konzepte und Architekturen erforscht. Unter den Technologien, die der Realisierungsmöglichkeit am nächsten sind, sind die Kohlenstoff-Nanoröhren (an denen auch Infineon forscht) und halbleitende Nanodrähte. Weitere Forschung findet auch im Bereich von Spintronics statt. Durch die Vorstellung des Einzel-Molekül-Speicherelements haben IBM Forscher gezeigt, dass Molekularelektronik ebenfalls ein valider post-CMOS-Kandidat ist. Damit wurde ein weiterer großer Schritt hin zu den endgültigen Grenzen der Miniaturisierung getan.