Zweites Verfahren: EU erhöht Druck auf Intel

Sasan Abdi
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Der Druck der EU-Kommission auf den Chipgiganten Intel nimmt weiter zu. Vor dem Hintergrund eines ersten Wettbewerbsverfahrens wegen der unlauteren Ausnutzung der eigenen Marktstellung forciert die EU nun ein weiteres Verfahren, in dessen Zusammenhang auch die Razzien vom Februar dieses Jahres stehen.

„Dabei hatten wir noch nicht einmal die Chance, auf das erste Verfahren zu antworten“, beschwerte sich Intel-Aufsichtsratschef Craig Barrett am Rande eines Wirtschaftstreffens in Brüssel über das zweite Verfahren. Im Zuge der neuen Vorwürfe befindet sich nun nicht mehr nur die Beziehung Intels zu den Komplettsystem-Herstellern, sondern auch die Beziehung zu den Händlern im Visier der Ermittler. Dabei gehen die Nachforschungen auch Hinweisen von deutschen Verbraucherschützern nach, die schon 2006 vor einem Missbrauch der Marktstellung durch Intel gewarnt hatten, von den hiesigen Behörden aber erst auf Druck der EU verfolgt wurden.

Konkret wird Intel dabei vorgeworfen, gewissen Großhändlern mit Werbekostenzuschüssen entgegen gekommen zu sein und das unter der Bedingung, die eigenen Produkte exklusiv zu verkaufen. Mit einer Zusage der Händler wären demnach AMD-Systeme gezielt und kategorisch aus den Portfolios der betroffenen Händler entfernt worden. Auf Händlerseite von den Vorwürfen betroffen sind die britische Kette Dixons, der französische Großhändler Carrefour sowie die Metro-Tochter Media-Saturn-Holding (MSH, Media Markt und Saturn).

An Anhaltspunkten für die erhobenen Vorwürfe mangelt es den Ermittlern auf den ersten Blick keinesfalls. So fand sich zumindest einige Zeit kein einziges AMD-System in den über 700 Filialen von MSH, was man in verantwortlichen Kreisen allerdings als „Zufall“ abtut: „Alle Filialen entscheiden selbst, welche Produkte sie anbieten wollen.“ Genau dies aber wird von einigen Herstellern mit der Behauptung bestritten, dass man immer direkt mit der MSH-Zentrale um die Aufnahme von Produkten in das Filialen-Sortiment verhandeln müsse. Eine Behauptung, die rein logistisch naheliegt, da andernfalls mit sämtlichen Filialen der Kette separat verhandelt werden müsste.

Mit Blick auf das erste Verfahren, bei dem kürzlich auch US-Ermittler aktiv geworden sind, und in dem Intel vorgeworfen wird, über Rabatte, Lieferprivilegien, Werbezuschüsse und Technologiepartnerschaften Komplettsystem-Hersteller gezielt dazu gebracht zu haben, nicht mehr AMD-Prozessoren zu verbauen, wird es in dieser Woche ernst: Am Dienstag und Mittwoch wird Intel erstmalig mündlich – und nicht wie bisher schriftlich – zu den Vorwürfen Stellung nehmen. In welche Richtung die Verteidigungsstrategie der Intel-Anwälte gehen wird, ist indes schon ausgemacht: „Wir sind überzeugt: Der Markt für Prozessoren funktioniert ganz normal,“ erklärt der zuständige Jurist Bruce Sewell.

Für Intel geht es dabei um mehr als um ein lästiges Verfahren, das höchstens dem öffentlichen Ansehen schaden könnte. Sollte am Schluss eine Verurteilung stehen, so könnte dies bedeuten, dass der Konzern bis zu 10 Prozent seines weltweiten Jahresumsatzes als Strafzahlung abführen müsste. Viel frappierender könnte sich dann aber auswirken, dass die bisherigen Geschäftspraktiken nicht mehr aufrecht erhalten werden könnten, was unter Umständen zu nennenswerten Veränderungen in den Kräfteverhältnissen am Markt führen könnte.