SPD-Politiker wechselt wegen Internetsperren Partei

Update Jirko Alex
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Nachdem das Gesetz zur Erschwerung des Zugangs zu kinderpornographischen Inhalten in Kommunikationsnetzwerken (Zugangserschwerungsgesetz) am Donnerstag mit den Stimmen der Großen Koalition verabschiedet wurde, tritt einer der schärfsten Kritiker aus der SPD aus. Dabei ist der Politiker selbst kein unbeschriebenes Blatt.

Der ehemalige SPD-Politiker Jörg Tauss, der sich bereits im Vorfeld der Abstimmung zum Gesetzesentwurf im Bundestag mehrfach kritisch zu dem Gesetzesvorhaben äußerte, verkündete heute seinen Austritt bei den Sozialdemokraten. Er beendete damit seinen fast 40-jährigen Dienst in der Partei und erklärte gleichzeitig, in die Piratenpartei eintreten zu wollen. Einen entsprechenden Antrag habe er zwar noch nicht unterzeichnet, es handele sich allerdings nur noch um eine Formsache. Tauss sieht sich dabei weiterhin als Sozialdemokrat, der auch in vielen Belangen mit dem Parteiprogramm der SPD übereinstimme. Auf dem Feld der Innen- , Rechts- und Internetpolitik gäbe es in der SPD jedoch eine schlimme Fehlentwicklung. Insbesondere stoße Tauss dabei die Verabschiedung des Zugangserschwerungsgesetzes auf, die seiner Ansicht nach von der SPD hätte verhindert werden müssen, da auf diese Weise eine staatlich legitimierte Zensurinfrastruktur für das Internet geschaffen werde.

Gegen den Politiker wird dabei aktuell wegen des Verdachts des Besitzes kinderpornografischer Schriften ermittelt. Im März dieses Jahres wurde Tauss' Immunität als Abgeordneter aufgehoben. Zwar fand man bei dem noch parteilosen Politiker entsprechendes Material, er begründete den Besitz jedoch damit, Recherchen betrieben zu haben um etwa die neuen Kommunikationswege der Händler ergründen zu können. Tauss bestreitet, im Sinne der Anklage schuldig zu sein. Sein Bundestagsmandat, das er seit 1994 inne hat, behielt der 56-jährige Politiker.

Eben dieses Mandat könnte das erste sein, durch das die Piratenpartei im Bundestag vertreten wird. Zwar forderte die baden-württembergische SPD-Chefin Ute Vogt Tauss in einer ersten Stellungnahme bereits auf, sein Mandat zurückzugeben, die Freiheit des Mandats wird in Deutschland jedoch über das Grundgesetz festgeschrieben. Demnach ist ein Abgeordneter nur seinem Gewissen verpflichtet und dürfe sein Mandat selbst dann behalten, wenn er die Partei wechselt.

Update

Mittlerweile hat die Piratenpartei verkündet, dass Jörg Tauss ihr erster Abgeordneter im Bundestag ist. Hinsichtlich des noch laufenden Ermittlungsverfahrens gibt man sich gelassen. Solange gegen Tauss keine Verurteilung vorliege, zweifle man auch nicht an dessen Unschuld und moralischer Integrität, wie es heißt.

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