EU-Kommissarin Malmström verteidigt Websperren

Jirko Alex
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In einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung verteidigte EU-Kommissarin Cecilia Malmström ihren Vorschlag, Internetseiten mit kinderpornografischen Inhalten auf EU-Ebene durch Websperren zu bekämpfen. Websperren gelten als umstritten, da die eigentlichen Inhalte bestehen bleiben und mit etwas Aufwand weiter abgerufen werden können.

Die EU-Kommission der Europäischen Union hat Ende März eine Rechtsvorschrift vorgeschlagen, die die Einführung internationaler Websperren vorsieht. Gemäß dieser Richtlinie (PDF-Datei) soll EU-Mitgliedsstaaten auferlegt werden, den Zugang zu kinderpornografischen Internetseiten zu verhindern. Wie dies geschehen soll, ist dabei nicht strikt vorgeschrieben, im Mindestfall werden jedoch die auch hierzulande diskutierten Sperren auf DNS-Basis durchgeführt. Ein entsprechendes nationales Gesetz gilt bereits in der Bundesrepublik, wird aber nicht angewandt, nachdem sich die Regierung und die Koalition auf Löschmaßnahmen einigen konnten. Nach dem Vorstoß der liberalen EU-Kommissarin Malmström drängen aber auch in Deutschland konservative Politiker wieder auf den Einsatz von Websperren statt Löschmechanismen.

In dem Interview wehrte sich die EU-Kommissarin vor allem gegen jene Vorwürfe, die ihr den Aufbau einer Zensurinfrastruktur anlasten. Es gehe ihr einzig um die Sperrung des Zugangs zu kinderpornografischen Inhalten. Zensur betreffe hingegen Meinungsäußerung. Als solche können man die zu beanstandenden Inhalte aber wohl kaum bezeichnen. Den Zensurvorwurf sieht sie dabei vor allem von einigen wenigen, lobbyistischen Bloggern vorgebracht. Diese sprächen aber nicht für ganz Europa, weshalb man nun nicht davon ausgehen sollte, es sei allgemeiner Konsens, das Websperren nicht effektiv seien. Auch verwies die EU-Kommissarin darauf, dass es bereits jetzt EU-Mitgliedsstaaten mit etablierter Sperrinfrastruktur gäbe. Darunter befinden sich Länder wie Schweden oder Dänemark, die man allerdings nicht als Staaten mit unterdrückter Meinungsfreiheit bezeichnen könne.

Auf die Frage hin, ob die liberale Politikerin die Diskussion in Deutschland verfolgt habe, antwortete diese, dass sie nicht im Detail über die hiesigen Vorgänge Bescheid wüsste. Malmström war dabei aber wohl bekannt, dass die Bundesregierung von Websperren abgerückt ist und nunmehr den Weg der Löschung verfolgt. Dies sei weder immer praktikabel, so Malmström, noch eine Richtlinie für die restlichen EU-Staaten. Die EU-Kommissarin führte dabei an, dass das Löschen nicht immer möglich sei, da kinderpornografische Inhalte oft außerhalb der EU und auch außerhalb von kooperierenden Staaten gehostet werden. Dieser Argumentation stehen allerdings mehrere Untersuchungen entgegen, die das genaue Gegenteil besagen. Eine neuere Auswertung der Sperrlisten durch einen dänischen Provider hat etwa ergeben, dass 97 Prozent der beanstandeten Inhalte auf Servern in Europa, den USA sowie Kanada stehen.

Mit den USA gäbe es allerdings, so Malmström, nur eine bedingt erfolgreiche Zusammenarbeit. Demnach seien in Amerika im letzten Jahr 110 Webseiten mit kinderpornografischen Inhalten gemeldet worden, von denen über die Hälfte auch nach über zwei Monaten noch abrufbar gewesen sei. Ein entsprechender Versuch des Arbeitskreises gegen Internetsperren und Zensur (AK Zensur) förderte im Mai des letzten Jahres allerdings ein anderes Bild zutage und konnte sehr erfolgreich abgeschlossen werden. Es ist allerdings mit Verzögerungen zu rechnen, da beanstandete Webinhalte in den USA an die Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet werden, was das Verfahren verlangsamen könne.

Websperren haftet dieser Nachteil nicht an, sie sind allerdings auch leicht zu umgehen. Cecilia Malmström sieht darin allerdings keinen Grund, die Bestrebungen fallen zu lassen. Es werde immer Schlupflöcher geben, die man mit krimineller Energie ausfindig machen könne. DNS-Sperren sollen darüber hinaus keine universelle Lösung sein, sondern der Teil eines Paketes. In Staaten mit bereits etablierter Sperrinfrastruktur zeige sich jedenfalls, dass tagtäglich tausende Zugriffe geblockt würden.

Mit dieser Argumentation lässt sich allerdings auch viel Öffentlichkeitsarbeit bei wenig Substanz machen. Dass es nämlich die von Websperren-Befürwortern herbeizitierten „dunklen Ecken“ im weltweiten Netz gibt, in denen ständig und in steigendem Umfang Kinderpornografie getauscht wird, ist nach neuesten Untersuchungen ein Ammenmärchen. So berichtet etwa die c't unter Berufung auf eine Studie des Kriminalwissenschaftlichen Instituts der Universität Hannover, dass die Hauptverbreitungswege für Kinderpornografie in geschlossenen Netzwerken zu suchen sind. Das können P2P-Netzwerke aber auch altmodische Tauschnetzwerke per Postweg sein. In diesen Fällen besitzen Websperren einen viel zu kurzen Hebel.

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