Überwachungsprojekt der EU in Zukunft geheim

Maximilian Schlafer
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Das auf eine fünfjährige Dauer ausgerichtete und von der EU-Kommission geförderte INDECT-Projekt zur Erforschung künftiger urbaner Überwachungstechniken soll nunmehr zumindest teilweise erweiterter Geheimhaltung unterliegen. Ein sogenannter „Ethikrat“ wird nun über den Informationsfluss nach außen wachen.

Das INDECT-Projekt beschäftigt sich mit der Erforschung neuer Algorithmen zur effizienten Datenverarbeitung in Überwachungssystemen zur Verbrechensbekämpfung als auch mit der eindeutigen Kennzeichnung von dessen Inhalten mithilfe von Wasserzeichen. Die Ziele des Projektes sind die Entwicklung einer selbstständig Informationen verarbeitenden Plattform, die Erstellung eines Netzwerk-Prototypen, der auf Videoaufnahmen unterschiedlicher Quellen vordefinierte Ereignisse erkennen – etwa Menschenansammlungen - und mehrere mobile Objekte darin verfolgen können soll. Auch die Entwicklung einer Suchmaschinen-Engine, die eine direkte Suche nach Metainformationen in Foto- und Videodateien ermöglicht, sowie einer passenden Technik zur Implementierung dieser Metadaten in besagte Dateitypen gehören dazu. Letzteres würde im Kontext des Projektes wohl vor allem bei Behörden – etwa zur leichteren Fahndungsdatenbankverwaltung – Anklang finden.

Die Entscheidung zur restriktiveren Informationspolitik über diese Forschungen sei deshalb gesetzt worden, weil es für die Beteiligten „entmutigend“ sei, wenn sie einen „signifikanten Teil ihrer Zeit mit Erklärungen verbringen müssen, worum es in dem Projekt nicht geht, anstatt zu forschen“.

What is discouraging for persons working in INDECT is that instead of making research a significant amount of the time is consumed for explaining what the project is NOT about.

Auch sei die „mögliche Gefährdung der Reputation der Beteiligten“ als Begründung für eine striktere Informationspolitik bereits ausreichend, wie besagter Ethikrat – er besteht aus zwei Polizisten aus Nordirland, einem ehemaligen aus Polen, einem Anwalt mit Fokus auf Menschenrechte, einem für ethische Belange in der Forschung spezialisierten Professor sowie einem Technikspezialisten und drei weiteren Personen aus der einschlägigen Forschung (Seite 15) – in seinem Bericht ausführt. Dies ist vermutlich auf die außerordentlich kritischen Reaktionen der Presse auf dieses Projekt in ganz Europa zurückzuführen, denen man nun wohl auf diese Weise begegnen will. Dem Bericht lässt sich dazu Folgendes entnehmen: „Es wurde beschlossen, Themen, die sich negativ auf die Polizeiarbeit, die nationale und öffentliche Sicherheit, oder das Ansehen der Beteiligten auswirken könnten, nicht mehr zu veröffentlichen.“ Des Weiteren wird darin noch festgehalten, dass der Ethikrat darüber entscheiden werde, welche projektbezogenen Papiere an die Öffentlichkeit gelangen dürfen und welche unter Verschluss bleiben.

Anders als es der Name selbst vermuten lassen würde, erweckt der Ethikrat also eher den Anschein, dass man sich weniger um Ethik an sich als um die öffentliche Empfindung dieses Projektes sorgen würde. So sei es dessen Ziel, eine „höhere Sicherheit“ und einen „besseren Schutz der Privatsphäre“ von Personen, die sich etwa im Erkennungsbereich einer Überwachungsanlage befinden, zu ermöglichen und nicht „globale Überwachung“, wie von Internetaktivisten vermutet. Ein Beispiel dafür sei etwa, dass man an einem Videoüberwachungssystem forsche, welches nicht alle, sondern nur bestimmte, einem definierten Bedrohungsszenario entsprechende Situationen aufzeichnet und den überwachenden Beamten mittels Reizen diverser Natur darauf aufmerksam machen würde. Es ist allerdings durchaus möglich, dass die in diese Richtung gehende Forschung aufgrund der Erfahrungen aus Großbritannien initiiert wurde, da man dort aufgrund der schieren Menge an zu überwachenden Videokameras mit schnell eintretenden Aufmerksamkeitsdefiziten der vor den Monitoren sitzenden Beamten zu kämpfen hat.

Zu der für Aufsehen sorgenden Frage, ob und wie der Einsatz von vernetzten Drohnen über Stadtgebieten zur Überwachung von Demonstrationen und ähnlichen Ereignissen stattfinden kann und sollte, tat man kund, dass dies zwar in den meisten Gebieten aufgrund von Problemen mit den jeweiligen Flugverkehrsüberwachungssystemen verboten sei, aber man eben ein Forschungsprojekt sei und diese „befassen sich in der Regel mit künftigen Technologien, für die noch keine Gesetzgebung besteht.“

Im Bericht wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass man Grundlagenforschung, nicht aber die Entwicklung zur Produktion bereiter Systeme betreibe. Auch sei es niemals geplant gewesen, durch das INDECT-Projekt Überwachungssysteme für die generelle Nutzung zu erhalten (Seite 12). Eine genaue Auflistung der Ziele und erwarteten Ergebnisse des Projektes ist auf der INDECT-Website nachzulesen.