Medal of Honor im Test: Die Bösen sind jetzt die Taliban

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Sasan Abdi
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Fazit

Es fällt überraschend schwer, am Ende dieses Tests eine eindeutige Einschätzung zu „Medal of Honor“ zu formulieren, denn selten hat sich in diesem Jahr ein Titel derart ambivalent präsentiert. Diese Ambivalenz rührt daher, dass einige Probleme einer angenehmen aber nicht ausreichend starken Prise Innovation gegenüber stehen, was ein klares Urteil erheblich erschwert.

Die besagten Probleme sind offensichtlich und somit eindeutig zu identifizieren: MoH leidet, neben einer visuell eher durchschnittlichen Umsetzung, vor allem stark am schon in „Call of Duty“ so grenzwertigen „Moorhuhn“-Effekt, was bedeutet, dass die Gegner keinerlei Qualität, sondern einzig und allein Quantität besitzen. Damit einher geht, dass jegliche Dynamik durch Scripte simuliert wird, die an manchen Stellen zu allem Überfluss nicht richtig auslösen. Hier hätte ein wenig mehr Feintuning und das Beschreiten neuer Wege extrem gut getan.

Allerdings wäre es ungerecht, dem Titel nur daraus einen Strick zu drehen, schließlich folgen die Verantwortlichen in puncto Spielmechanik nur reichlich innovationsarm dem von Activision mit dem überaus erfolgreichen „Call of Duty: Modern Warfare“ gesetzten Genre-Standard, der aber, wohlgemerkt, im CoD-Kontext vielerorts überschwenglich gelobt wurde. Der Hase liegt somit auch in diesem Fall wieder einmal inhaltlich im Pfeffer.

Medal of Honor im Test

Es ist bezeichnend, dass ein Teil der Kritik an MoH auf der Feststellung fußt, dass es nicht annähernd so bombastisch ausfällt wie „Call of Duty“. Wo ist das große Drama, wo die wirklich großen Bösewichte? So lauten die kritischen Fragen. Die Antwort ist einfach: Gibt's nicht! Und das ist auch gut so. Während sich die Macher bei der Spielmechanik an den großen Konkurrenten halten (Stichworte: Schlauchlevel, Scripte), wird inhaltlich tatsächlich wie angekündigt versucht, etwas Neues zu wagen. Dabei ist nur naheliegend, dass die Pompösität eines „Call of Duty“ keinen Platz hat, wenn das Ziel lautet, sich den realen Geschehnissen an einem Schauplatz wie Afghanistan anzunähern.

„Annähern“ deswegen, weil das besagte Anliegen so konsequent dann doch nicht verfolgt wird. Statt sowohl den US-Protagonisten als auch den gegnerischen Kräften tiefgehende, glaubwürdige Hintergründe zu verleihen und das Elend – und vielleicht auch die Sinnlosigkeit – dieses Krieges durch Gefühle wie Zweifel, Verlust oder Angst heraus zu arbeiten, belässt man es bei der bloßen Verlegung der – ab Stunde 2 bis 3 durchaus spannenden – Inhalte in die afghanischen Berge.

Die letzte Konsequenz fehlt also, sodass die eigentliche Kernfrage lautet, warum man den eingeschlagenen und vorab so lautstark und öffentlichkeitswirksam propagierten neuen Weg nicht mit aller Vehemenz in Form von neuen Inhalten und Erzähl-Tiefen bis zum Ende begeht, anstatt einen mäßigen CoD-Abklatsch nach Afghanistan zu projizieren. In diesem Fall hätte man die sonstigen Schwächen leichter verzeihen können – schade!

Die Empfehlung kann abschließend deshalb nur lauten: Wer mit dem Spielprinzip von „Call of Duty: Modern Warfare“ etwas anfangen kann, sich aber ein interessanteres da authentischeres Setting wünscht und dabei mit den besagten Schwächen umgehen kann, sollte „Medal of Honor“ getrost eine Chance geben. Alle anderen Shooter-Freunde sollten wegen der Probleme jedoch größte Vorsicht walten lassen und sich im Zweifel gegen einen Zuschlag entscheiden.

Kopier- & Jugendschutz

Electronic Arts lässt den Spielern im Falle von „Medal of Honor“ kopierschutztechnisch die Wahl: Wer eine Online-Verifizierung ablehnt, kann auch den Laufwerk-Check nutzen – in diesem Fall ist es dann notwendig, dass die DVD beim Spielen im Laufwerk liegt.

In Sachen Jugendschutz ist erwähnenswert, dass das Spiel von der USK eine Freigabe ab 18 Jahren erhalten hat. Vor diesem Hintergrund wird MoH hierzulande in geschnittener Version verkauft: Auf die übermäßige Darstellung von Blut sowie abgetrennte Gliedmaßen wird deswegen verzichtet.

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