Men of War: Vietnam im Test: Vom 2. Weltkrieg nach Vietnam

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Sasan Abdi
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Vietnam auf einen Blick

Der Name macht deutlich, dass es in „Men of War: Vietnam“ nicht mehr um die Wirren des 2. Weltkriegs, sondern um den US-amerikanischen Feldzug in Südostasien geht. Dies erlaubt den Machern zunächst einmal einige offensichtliche Anpassungen, die nach nun mehr drei „Men of War“-Titeln mit weltkriegsbezug durchaus erfrischend wirken.

So wurde natürlich das Waffen- und Fahrzeugarsenal grundlegend überarbeitet. Statt „Tiger“- und T-46-Panzern kann der Spieler deswegen auf für die 1960er und 70er Jahre gängiges Kriegsgerät zurückgreifen, was moderne Sturmgewehre genauso einschließt wie schlagkräftige „Huey“-Kampfhubschrauber.

In der Hauptsache bedeutet der Setting-Wechsel aber vor allem eben genau das: Ein neues Setting. Dementsprechend spielt „Vietnam“ nicht mehr auf kargen europäischen Schlachtfeldern, sondern im dichten, bedrohlich-eindrucksvollen Dschungel, was durchaus Einfluss auf die Spielmechanik hat. Damit verknüpft ist, dass die spielbaren Seiten sich verändert haben: Neben der US-Seite spielt man in „Vietnam“ auch immer wieder die nord-vietnamesische Fraktion, was nicht nur storytechnisch gut tut, sondern auch im Spiel selbst für angenehme Abwechslung sorgt.

Das erste Gefecht in „Men of War: Vietnam“

Die Handlung bleibt erwartungsgemäß eher dünn, reicht aber locker dazu aus, einen festen Rahmen für die zusammenhängenden Missionen zu liefern. Dabei werden einzelne Episoden zum Kriegsgeschehen aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt, die sowohl auf der US- als auch auf nordvietnamesischer Seite samt Unterstützung der Sowjetunion löblicherweise an einzelne Charaktere gebunden sind. Letztere bleiben zwar blass und wirken nur als Dialog- und Erzählorgane, doch wird dadurch im kleinen Umfang eine Personalisierung erreicht, deren Mangel im mehrspielerorientierten „Men of War: Assault Squad“ mitunter den geringen Tiefgang der Einzelspieler-Kampagne bedingte.

Das Missionsdesign ist, in Anlehnung an das in dieser Hinsicht bereits sehr attraktive „Men of War: Red Tide“, hervorragend geglückt. Grundlage hierfür ist eine ausgezeichnete Varianz, die den Spieler von kniffligen Operationen mit einer Handvoll Soldaten bis hin zu größer angelegten Schlachten alle denkbaren Operationstypen liefert. Hinzu kommt eine gute Mischung aus Angriff und Verteidigung, Stealth und Haudrauf, was ebenfalls zur Vielfalt und damit zu einer gehörigen Portion Abwechslung beiträgt.

Löblich ist dabei auch, dass die Karte häufig erweitert wird und so neue Aspekte und Aufgaben Stück für Stück ins Spiel gebracht werden. In der ersten großen Missionen samt kleinen Untermissionen dreht sich beispielsweise alles um zwei nordvietnamesische Kämpfer und ihre zwei russischen Ausbilder: Nachdem ihr Konvoi von Huyes zerstört wurde, müssen die Vier auf sich alleine gestellt den Weg zurück in sichere Gefilde finden. Dazu müssen zunächst die gegnerischen Helikopter ausgeschaltet, Treibstoff organisiert und ein Boot gekapert werden. Und auch dann ist der Weg zum Ziel noch längst nicht gemeistert. Während in Missionen wie diesen der „Commandos“-Charakter von „Men of War“ durchblitzt, ist in den größeren Schlachten dagegen eher die Makroperspektive relevant.

„Eher“ deswegen, weil man „Vietnam“ stets nah am einzelnen Soldaten dranbleibt. Dementsprechend steuert man Infanterieeinheiten „Men of War“-typisch entweder im Verbund und damit so wie anderswo ebenfalls üblich; zudem kann man aber auch wieder auf jedes einzelne Mitglied der verfügbaren Truppen zugreifen, was eine ganze Menge an Möglichkeiten und Aufgaben mit sich bringt. So können beispielsweise einzelne Soldaten für spezielle Aufgaben wie Ablenkungsmanöver angewählt oder gewiefte Hinterhalte konstruiert werden. Dies führt in Kombination mit einem extra Inventar für jeden Soldaten dazu, dass selbst bei kleinen Verbänden ein hoher Grad an Mikromanagement erforderlich ist.

Dadurch, dass Waffen bzw. Munition sowie Granaten und anderes Zubehör chronisch rar sind, ist man wie schon in „Men of War“ oder „Men of War: Red Tide“ stets darauf angewiesen, entsprechende Gegenstände unterwegs einzusammeln. Allein dieser Vorgang samt ausgewogener Bewaffnung der eigenen Soldaten mit den unterschiedlichen Waffengattungen kann je nach Situation mehrere Minuten in Anspruch nehmen – Minuten, in denen man sämtliche Vorgänge per Hand in Gang setzen muss. Für den Spieler hat eine solche Konzeption zweierlei Auswirkungen: Zum einen erhöht es die spielerische Freiheit und Feinheit, zum anderen aber auch die Komplexität.

MoW: Vietnam erfordert wieder einiges an Mikromanagement
MoW: Vietnam erfordert wieder einiges an Mikromanagement

Der Schwierigkeitsgrad kann auch im Falle von „Vietnam“ wieder als „knackig“ bezeichnet werden. Wir würden sogar noch weiter gehen und behaupten, dass dieser Teil noch fordernder ausfällt, als die Vorgänger. Dies liegt zu einem guten Teil an der noch realistischeren Schadensberechnung: Gerade Infanteristen halten noch weniger Treffer aus als in den Vorgängern, was ein umsichtiges Vorgehen noch wichtiger macht. Dementsprechend wird man selbst in der untersten Schwierigkeitsstufe sehr oft die Speicher- und Ladenfunktion bedienen und teils stundenlang an der richtigen Taktik für eine verzwickte Situation feilen. Für echte Strategie-Fans findet sich an dieser Stelle also wieder ein schlagendes Argument für „Men of War“ – für Gelegenheitsgeneräle könnte die Konzeption aber auf Dauer eher frustrierend ausfallen, zumal man auch dieses Mal auf die Integration eines Tutorials verzichtet.