The Elder Scrolls V: Skyrim im Test: Freiheit für den Rollenspieler!

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Sasan Abdi (+1)
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Spielwelt & Questdesign

Zu den Nachteilen des von Bethesda verfolgten Paradigmas gehört also, dass der Plot nur das Struktur gebende Beiwerk ist. Im Fokus steht stattdessen die Erschaffung einer eng verwobenen Spielwelt, die abseits der Handlung um Drachen und den Bürgerkrieg ein tiefes Einsteigen in die Geschehnisse und Strukturen von Himmelsrand erlaubt. „Skyrim“ ist also, um die Auswirkungen in einem Satz zusammenzufassen, weniger ein interaktiver Kinofilm und mehr ein klassisches Rollenspiel.

Diese Wirkung wird über unterschiedliche Aspekte erreicht. Da ist zum einen die Bewegungsfreiheit: In Zeiten, in denen selbst „echte“ Rollenspiele immer häufiger auf engen Schlauchleveln basieren, wirkt das als echte „Open World“ angelegte, weiträumige „Skyrim“ reichlich erfrischend. Dementsprechend muss man sich beispielsweise sehr anstrengen, um in Himmelsrand unnatürliche Grenzen aufzudecken. Wann gab es so etwas zuletzt?

The Elder Scrolls V: Skyrim
The Elder Scrolls V: Skyrim

Statt von den Entwicklern vorgegebene Checkpunkte abzulaufen, kann man das Land ganz frei entdecken: Man streift durch malerische Wälder, durchquert glasklare Flussläufe, erklimmt schneebedeckte Berge, schlägt sich durch von unterschiedlichen Wesen bewohnte Höhlen und Ruinen und erkundet detailliert in Szene gesetzte Städte und Dörfer. Dabei macht sich die Anlehnung an die Länder des Nordens samt entsprechender Folklore, Mystizismus und Landschaftsgestaltung immer wieder positiv bemerkbar.

Damit verbunden sind schließlich zahlreiche Momente des Staunens, die trotz kleinerer Schönheitsfehler wie flackernden Schatten und manchmal groben Texturen schon für sich genommen die dünne Story vergessen machen und das Gefühl geben, sich in der „Skyrim“-Welt wirklich nach Belieben bewegen zu können.

Eine „Open World“ muss aber nicht nur groß und barrierefrei, sondern auch glaubwürdig sein. Die große Herausforderung lautet für die Entwickler somit, das erschaffene, weite Areal zu bevölkern. Allzu oft hat man in der Vergangenheit Spiele gesehen, die genau an diesem Aspekt scheitern: Da werden wunderbare Welten erschaffen, die potentiell jede Menge Freiheiten und Möglichkeiten bieten – und dabei so steril wirken, wie ein Operationssaal. Vor diesem Hintergrund zeigt sich, dass eine echte „Open World“ eine weitaus größere Herausforderung darstellt, als ein Schlauchlevel-Design, in dem permanent Pseudo-Dynamik über Script-Action erzeugt wird.

Die entscheidende Frage lautet also, ob es Bethesda gelingt, Himmelsrand zum Leben zu erwecken. Die Antwort lautet: Ja! Und zwar über viele kleine Aspekte, die sich in ein glaubwürdiges Ganzes zusammenfügen. Dabei setzen die Macher vor allem an Orten an, in denen viele Menschen aufeinandertreffen: Gerade in den Städten herrscht ein reges Treiben, bei dem unterschiedliche Personen ihren jeweiligen Tätigkeiten nachgehen – und dabei auch miteinander in Interaktion treten. Da tritt der politische Berater des Jarls (Fürst) an einen Marktstand heran und beschwert sich über die Güte des Gemüses; da lobt eine Wache im Vorbeigehen den Helden ob seiner letzten Taten; da spielen Kinder begleitet von großen Hunden Fangen und Händler aller Art bieten ihre Waren feil.

Die Umwelt von „Skyrim“ lebt!

Und auch außerhalb der Städte lassen die Macher den Spieler spüren, dass Himmelsrand lebt. Man trifft auf Hasen, Hirsche, Riesen, Mammuts und unterschiedlichste Reisende wie Bauern, Händler, Krieger, Kriegsgefangene und Räuber, mit denen zumeist Gespräche und im Zweifel auch Kämpfe möglich bzw. nötig sind.

Unterstützt wird dies natürlich auch maßgeblich vom Questdesign. Zusätzlich zu den obligatorischen Hauptmissionen wird man nämlich schon in der ersten „Skyrim“-Stadt (Weißlauf) mit über einem Dutzend Nebenmissionen bombardiert. In jeder Schenke, auf jeder Festung, in jedem größeren Haus, ja, an jeder Ecke warten fortan Aufgaben, die den Spieler in die unterschiedlichsten Gegenden führen. Hinzu kommen die Aufträge der Fraktionen (siehe nächster Abschnitt), die oftmals mehrstufig ausfallen und den Hauptmissionen nicht selten absolut ebenbürtig sind. Und auch sonst gibt es einiges zu tun, sodass man beispielsweise in unterschiedlichen Städten Häuser und Zimmer anmieten bzw. -kaufen und das bitter erwirtschaftete Geld in Sägewerke investieren kann. Allerdings handelt es sich bei alle dem nicht um ein hohles „Masse-statt-Klasse“-Prinzip: Die Aufgaben sind überwiegend anspruchsvoll gestaltet und vor allem häufig miteinander verwoben.

Auf diesem Wege hat man das Gefühl, den Hintergrund von Himmelsrand und seinen insgesamt neun Provinzen Stück für Stück aufzudecken. Man bekommt Einblicke in die Kultur, die Religion, die Fehden und die Lebensweise dieses rauen Landes. Ermöglicht wird dies schließlich auch durch eine ordentliche Varianz in der Aufgabengestaltung: Man räuchert Banditenlager aus, schlichtet Streitigkeiten, sucht in den entlegensten Winkel nach besonderen Artefakten und löst nebenbei allerlei Probleme von der Bevölkerung. Aufgelockert werden viele Missionen ab und an durch kurze Rätsel-Abschnitte, für die beispielsweise drei Symbole in die richtige Reihenfolge gebracht werden müssen, damit sich eine Tür öffnet.

Die zunächst weiße Karte wird im Zuge dessen Stück für Stück zu einer mit bekannten Orten gespickten Fläche, auf der man sich zusehends besser auskennt. Trotzdem ist mit einer solchen Konzeption auch noch nach Stunden ein ungemeiner Tiefgang verbunden, sodass, wer wirklich alle Aspekte von „Skyrim“ genießen möchte, locker über hundert Stunden Spielzeit einplanen sollte. So viel Spiel kriegt man dieser Tage für sein Geld nur noch selten geboten.

The Elder Scrolls V: Skyrim: Kleiner Rätselabschnitt in „Skyrim“
The Elder Scrolls V: Skyrim: Kleiner Rätselabschnitt in „Skyrim“

Getrübt wird die gelungene Mischung aus weiter Spielwelt und cleverem Questdesign schließlich nur durch das in unseren Augen maue Dialog-System. In dieser Hinsicht hätte man bei Bethesda gut daran getan, sich eine dicke Scheibe bei „Dragon Age“ abzuschneiden. Nur allzu selten hat der Spieler in „Skyrim“ die Möglichkeit, den Ausgang eines Gespräches wirklich effektiv zu steuern; und selbst wenn, ist das Feedbacksystem dabei allenfalls dürftig. Ja, mit den richtigen Fähigkeiten lassen sich Gesprächspartner einschüchtern – vom differenzierten, sehr fein auf die jeweiligen Spielumstände reagierenden „Dragon Age“-Dialogsystem ist das „Skyrim“-Pendant dennoch meilenweit entfernt, was schade ist, da ein wenig mehr Möglichkeiten an dieser Stelle der gut gelungenen Erschaffung einer authentischen Spielwelt die Krone aufgesetzt hätten.

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