„Schultrojaner“ wird vorerst nicht eingesetzt

Jirko Alex
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Der etwas reißerisch als „Schultrojaner“ verschriene Ansatz, auf den PCs von Schulen nach urheberrechtlich geschütztem Material zu suchen, ist vorerst vom Tisch. Dies teilte die Kultusministerkonferenz etwas unbemerkt von der Öffentlichkeit vor einigen Tagen mit. Fraglich bleibt, ob diese Aussage von Dauer sein wird.

Ausgangspunkt der Diskussion war ein Vertrag zwischen den Bundesländern, Verlagen sowie Verwertungsgesellschaften, der die Vergütung der Urheberrechtsinhaber dafür, dass Schulen Kopien etwa von Lehrbüchern anfertigen dürfen, übergreifend regeln sollte. Der „Gesamtvertrag zur Einräumung und Vergütung von Ansprüchen nach § 53 UrhG“ (PDF) sah dabei unter anderem den Einsatz einer „Plagiatssoftware“ vor, die jährlich in einem Prozent der Schulen zum Einsatz kommen und digitale Kopien von urheberrechtliche geschützten Werken finden sollte. Derartige digitale Kopien sind laut Vertrag nämlich nicht erlaubt, lediglich das „analoge“ Kopieren direkt auf Papier sollte durch die Ausgleichszahlungen abgegolten werden. Kritisiert wurde das Vorhaben allerdings deswegen, weil technische und datenschutzrechtliche Bedenken bestehen. Schließlich sollten auch die Rechner in Lehrerzimmern, die teilweise privat genutzt werden, sowie diese in PC-Pools durchsucht werden. Weshalb der Staat überhaupt privaten Gesellschaften erlaubt, gegen seine Beschäftigten Untersuchungen durchzuführen, stand ebenfalls in der Diskussion.

Mit einer aktuellen Pressemitteilung scheint dies nun jedoch (vorerst) vom Tisch zu sein. In dem entsprechenden, etwas unglücklich formulierten Passus heißt es:

Die in § 6 Absatz 4 des Vertrages beschriebene „Scansoftware“ wird nach Einschätzung der Vertragspartner bis auf Weiteres, jedenfalls nicht im Jahr 2012, zum Einsatz kommen. Die Vertragspartner verabredeten, im ersten Quartal 2012 ein weiteres Gespräch zu führen, um mögliche Alternativen zu diskutieren. Alle Gesprächsteilnehmer waren sich einig, dass das geistige Eigentum zu schützen sei und die Rechte der Verlage und Autoren, vor allem auch der beteiligten Lehrkräfte, gewahrt werden müssen. Die Lehrerverbände werden weiter in die Gespräche einbezogen.

Zumindest im nächsten Jahr soll man von der Scansoftware also nichts sehen. Auch soll im kommenden Jahr über Alternativen nachgedacht werden, um die Interessenlagen aller Seiten wahren zu können. Etwas unglücklich ist allerdings die Formulierung des ersten Satzes, die streng genommen schreibt, dass die geplante Scansoftware „bis auf Weiteres [...] zum Einsatz kommen“ soll. Der eingeschobene Teil schließt nur das kommende Jahr aus, den generellen Einsatz aber gerade (versehentlich?) nicht. Überhaupt kann an der Erklärung kritisiert werden, dass ein Stillstand am Verhandlungstisch als Fortschritt verkauft wird. Der Grund für den Verzicht auf den Einsatz im kommenden Jahr könnte nämlich, wie etwa das Blog pisa-versteher.de prophezeit, schlicht darin liegen, dass die Software noch nicht einsatzfähig ist. Während die Kultusminister diesen Umstand aber als Verhandlungsergebnis auslegen (und – ob bewusst oder unbewusst – nicht einmal schreiben, dass dies eine dauerhafte Lösung sei), könnten die Verlage munter weiter an der kritisierten Software basteln.

Kurzum: Der „Schultrojaner“ ist erst einmal vom Tisch, möglicherweise wird er durch ein unbedenklicheres Modell ersetzt, möglicherweise kommt er aber auch wie geplant.