Schärferer Ton im Streit um Vorratsdatenspeicherung

Andreas Frischholz
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Der Ton im Streit um die Vorratsdatenspeicherung wird zunehmend rauer. Die FDP attackiert die EU-Kommission, die wiederum vehement auf die Umsetzung der Richtlinie pocht. Währenddessen fordern erste CDU/CSU-Politiker den Rücktritt von Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP).

FDP-Generalsekretär Patrick Döring empfindet es als „schlicht und ergreifend Humbug“, dass seitens der EU-Kommission mit Nachdruck auf die Umsetzung der EU-Richtlinie gepocht wird, die im Laufe des Jahres überarbeitet werden soll. Das kündigte die EU-Kommission bereits im vergangenen Jahr an, nachdem die Richtlinie von Mitgliedsstaaten und Bürgerrechtler über Jahre heftig kritisiert wurde und der europäische Datenschutzbeauftragte Mängel beim Schutz der Privatsphäre anprangerte – ebenso wie den fehlenden Nachweis, ob die Vorratsdatenspeicherung überhaupt notwendig ist. Ein Nachweis, der weder von einer Studie des Max-Planck-Instituts, noch von einer direkt von der EU-Kommission in Auftrag gegebenen Untersuchung gebracht werden konnte.

Infolge dessen fordert Döring, erst die Richtlinie zu ändern und dann die nationale Gesetzgebung zu bewerten. Das sei auch „der ausdrückliche Wunsch vieler Mitgliedsstaaten, großer Teile der Zivilgesellschaft und auch ein erklärtes Anliegen der Wirtschaft“. Bei der EU-Kommission sieht man das allerdings etwas anders, ein Sprecher erklärte am Freitag, die anstehende Evaluierung der Richtlinie sei keine Entschuldigung, die derzeitige Fassung nicht umzusetzen. Inwieweit die Richtlinie überarbeitet werden soll, ist bislang nicht bekannt, einen Vorschlag will die EU-Kommission im Sommer vorlegen. Generell in Frage stellen will man die Richtlinie aber nicht, berichtet der Spiegel. Das von Leutheusser-Schnarrenberger bevorzugte Quick-Freeze-Verfahren lehnt die EU-Kommission weiterhin ab – es reiche nicht aus, um die Richtlinie zu erfüllen, heißt es.

Die Justizministerin rückt mittlerweile in den Fokus von Sicherheitspolitikern der Union, von denen die ersten ihren Rücktritt fordern. Lorenz Caffier (CDU), Vorsitzender der Innenministerkonferenz, will die Justizministerin notfalls von der Aufgabe entbinden und die Vorratsdatenspeicherung vom Innenministerium umsetzen lassen. Der innenpolitische Sprecher Hans-Peter Uhl (CSU) bringt sogar ihren Rücktritt ins Gespräch. Man müsse daran denken, „wenn ein Kabinettsmitglied nicht zu Recht kommt“. Als Kompromiss schlägt Unionsfraktionsvize Günter Krings (CDU) vor, die Richtlinie befristet auf drei Jahre umzusetzen und in dieser Zeit in der EU auf eine datenschutzfreundlichere Umsetzung hinzuarbeiten – was FDP-Fraktionsgeschäftsführer Christian Ahrendt umgehend ablehnt.

Der direkt in die Auseinandersetzung involvierte Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) sagte gegenüber der Wirtschaftswoche, er könne nicht „sehenden Auges europäisches Recht verletzen“, stehe aber bereit für Kompromisse in den Fragen, wie „die Daten geschützt werden, wie restriktiv der Zugriff sein soll“. An der sechsmonatigen Speicherfrist hält er fest. Beispielsweise soll „bei besonders schweren Verbrechen wie Kinderpornografie [...] auf IP-Adressen zugegriffen werden, um die Beteiligten zu finden“ – eine wie im Quick-Freeze-Verfahren vorgesehene einwöchige Speicherung reiche dafür nicht aus. Allerdings zeigte der kürzlich publik gewordene Gesetzesentwurf, dass die Ermittler nach Wunsch der Union nicht nur bei schwerer Kriminalität Zugriff auf Vorratsdaten erhalten sollen, sondern bereits schwere Ordnungswidrigkeiten ausreichen.

Aktuell scheint keine Einigung in Sicht, für einen neuen Schub könnten allerdings die anstehenden Landtagswahlen sorgen. Die Union wirft der FDP ohnehin vor, beim Widerstand der Justizministerin handele es sich allein um ein wahltaktisches Manöver, um ihre Glaubwürdigkeit in Bürgerrechtsangelegenheiten unter Beweis zu stellen. Den Vorwurf kontert die FDP postwendend, indem Liberale auf das konservative Klientel der Union verweisen, das mit der Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung bedient werden soll. Je nach Ausgang der Landtagswahlen besteht also die Möglichkeit, dass die Koalitionspartner sich wieder aufeinander zu bewegen – oder die Koalition komplett platzt, wie einige Medien bereits spekulieren.

Die EU-Kommission kündigt derweil an, Ende Mai über ein Strafverletzungsverfahren gegen Deutschland zu entscheiden. Das es dazu kommt, gilt als sicher, allerdings hängt die Dauer des Verfahrens sowie die Höhe der Strafzahlung von dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs ab.

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