Sleeping Dogs im Test: GTA mit ungewöhnlicher Handlung in Fernost

 3/5
Sasan Abdi
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Spielmechanik & Inszenierung

Allerdings muss nicht nur die Geschichte spannend sein: Auch unterhalb der die Inhalte zusammenhaltenden Metaebene muss das Gebotene stimmen, da langweilige Spielmechaniken schnell dazu führen, dass der Spieler nur noch abarbeitet, um storytechnisch weiterzukommen. Einer solchen, für den Spielspaß sehr negativen Entwicklung kann ein Spiel entgegenwirken, indem es entweder besonders innovativ und ungewöhnlich ist oder aber zumindest eine ausreichende Varianz an Altbekanntem bietet.

Sleeping Dogs
Sleeping Dogs

„Sleeping Dogs“ wird glücklicherweise auch beim tatsächlichen Spielen nur sehr selten langweilig und kann dabei eher in die letztere Riege eingeordnet werden. So liefern die Entwickler zwar keine revolutionäre Weiterentwicklung des Genres – für einen kreativen Mix aus bekannten Elementen und eine ordentliche Priese eigenen Charme reicht es aber allemal. Fragt man genauer wie sich der Titel spielt, kann eine vergleichende Antwort lauten: Wie ein gekonnter Mix aus „Grand Theft Auto“ und „Max Payne“ (ComputerBase-Test zum dritten Teil).

Im Zentrum steht dabei die Metropole Hongkong als offene Spielwelt, die über vier unterschiedliche Distrikte verfügt. Auch wenn der Name dabei nur geborgt ist – die Gebiete sind überwiegend fiktional und entsprechen nur in wenigen Details dem „wahren“ Hongkong – reicht die Konzeption doch allemal, um über unterschiedliche, teils sehr belebte Areale einen authentischen Rahmen zu bieten.

Sleeping Dogs
Sleeping Dogs

Dieses Hongkong ist dabei wirklich „Open-World“, sodass der Spieler jederzeit frei entscheiden kann, wohin er geht. Hierbei handelt es sich löblicherweise nicht nur um eine theoretische, sondern auch um eine faktische Freiheit, weil einem die Spielmechanik immer wieder Gründe gibt, auch fernab der Hauptmissionen auf Erkundungstrips zu gehen.

Ob für kleine Liebschaften, optionale Gefälligkeitsaufträge, Karaoke-Singen oder Shopping: Immer wieder erhält man das Angebot, beim Fortgang der eigentlichen Handlung kurz inne zu halten, um beispielsweise für ein kleines Rendevouz mit einem Auto oder Motorrad zum höchsten Punkt der Metropole zu rasen oder sich auf dem zentralen Markt mit neuer Kleidung und Vorteilen bringenden Lebensmitteln oder einem neuen Bett für die heruntergekommene Wohnung einzudecken. Das Hongkong von „Sleeping Dogs“ lebt also – und zwar mit einem ordentlichen Angebot an „Freizeitaktivitäten“ und obendrein mit einem funktionierenden „Crowd-Management“, welches überwiegend authentisch das Gewusel einer Großstadt abzubilden vermag.

Doch auch in anderer Hinsicht wird eine ordentliche Varianz erreicht. So ist Wei Shen in den ersten Stunden fast gänzlich ohne Waffen unterwegs, sodass zunächst der Nahkampf im Vordergrund steht. Dieser erinnert in seiner Ausgestaltung an „Batman: Arkham City,“ sodass man neben Konterattacken auf zahlreiche, über die Zeit erlernbare Kombos zurückgreifen kann. Diese erlernt man über drei Talentbäume, die der Polizei- und Triaden-Fraktion zugeordnet sind und auch über das Auffinden von Jade-Statuen für den alten Kungfu-Meister des Protagonisten funktionieren. Die auf diesem Wege langsam aber sicher erlangten neuen Fertigkeiten führen dazu, dass sich die Dynamik und der Stil dieser Kämpfe mit der Zeit verändern, was eine zusätzliche Motivation und zugleich eine angenehme Abwechslung zum Standard-Geballer aus manchem Konkurrenten darstellt.

Doch auch letzteres kommt ab dem Mid-Game nicht zu kurz, denn dann kann der Protagonist auch auf allerlei Pistolen und Gewehre zurückgreifen. In diesen Momenten geht sich „Sleeping Dogs“ dann wirklich wie ein „Max Payne“ an, da man die Zeit per Tastendruck verlangsamen kann, um in kniffligen Situationen wie bei rasanten Verfolgungsjagden präziser zielen zu können. Auch wenn es sich hierbei um eine Geschmacksfrage handelt: Aus unserer Sicht hätte es diesen Zusatz nicht gebraucht, da er sich steuerungstechnisch nicht nur schwammig angeht (vgl. den entsprechenden Abschnitt), sondern auch wesentlich monotoner von der Hand geht, als die selbst nach über zehn Stunden weiterhin attraktiven Kungfu-Nahkampf-Sequenzen.

Schließlich variiert auch das zugrunde liegende Missionsdesign ordentlich, sodass auch aus dieser Ecke des Spiels selten Langeweile herrührt. Per Tastendruck kann man sich neben den Hauptmissionen alle Nebenmissionen in der Umgebung anzeigen lassen. Zu diesen gehört standardmäßig, dass man an illegalen Auto-Wettrennen teilnehmen, normalen Bürgern einen Gefallen tun oder sich als Martial-Arts-Kämpfer in illegalen Straßenkämpfen versuchen kann.

Während es sich hierbei um auf kurzweilige Abwechslung angelegte Inhalte handelt, dienen die Hauptmissionen als Transporteure der Erzählung, wobei natürlich auch das Doppelleben des Protagonisten eine entscheidende Rolle spielt: Man treibt für seinen Triaden-Zweig Schutzgeld ein, observiert im nächsten Moment für die Polizei ein Drogengeschäft, übernimmt gewaltätig ein wichtiges Gebäude von der Gangster-Konkurrenz, liefert einen vermeintlichen Verräter ans Messer – und wird bei aller Arbeit für die Triaden und die Polizei zusehens in den sich von Beginn anbahnen Krieg mit anderen Ablegern der Sun On Yee hineingerissen.

Sleeping Dogs
Sleeping Dogs

Aufgelockert werden die typischen Aufträge à la „fahre nach X, observiere Y“ oder „fahre nach X und erledige alle Gegner“ hin und wieder von Schleicheinlagen, kleinen Mini-Spielen und immer wieder eingebrachten Videosequenzen, die dem Ganzen einen cineastischen Anstrich verleihen.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass man „Sleeping Dogs“ anmerkt, wie sehr die Verantwortlichen den Faktor „Langeweile“ vermeiden möchten. Sieht man von kleineren nervigen Momenten wie dem zigsten Kamera-Hack ab, ist dies in Summe sehr gut geglückt, sodass – zusätzlich zum guten Plot – auch die eigentlichen Spielphase überzeugen kann.