Hitman: Absolution angespielt: Ein Kracher für den Herbst kündigt sich an

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Sasan Abdi
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„Hitman“ im Überblick

Die dieser Vorschau zugrundeliegende PC-Version ist deswegen besonders aufschlussreich, weil sie im Unterschied zur im Sommer verfügbaren, deutlich kürzeren PlayStation-3-Variante umfassendere Einblicke in die Handlung und die Spielmechanik sowie einen ersten Eindruck zur Grafik auf der potentesten Plattform gibt. Genauer standen uns Inhalte aus der Kampagne zur Verfügung, die für gut drei bis vier Stunden an den Bildschirm fesseln können, was bereits zwischen einem Viertel und einem Drittel des gesamten Spielinhalts darstellen dürfte.

Die Handlung von „Hitman: Absolution“ beginnt – wie könnte es anders sein – mit einem Auftrag. Allerdings soll Nr. 47 in diesem Fall nicht irgendwen um die Ecke bringen, sondern seine alte Führungsperson, Diana Burnwood. In diesem Moment offenbart die Handlung die in unseren Augen bisher einzige Ungereimtheit. Nachdem man das Haus der Zielperson infiltriert und die dort anwesenden Wachen umgangen hat, gibt der Hitman in einer Zwischensequenz ganz den erbarmungslosen Killer: Statt vorher nach den Gründen für den Verrat an der Organisation zu fragen, schießt er auf die Zielperson – um dann die Sterbende ins Verhör zu nehmen.

Dieser Einstieg ist deswegen nötig, weil es im Folgenden im Kern um die Beziehung zwischen Nr. 47 und der Tochter der Getöteten geht. So richtig glaubwürdig ist das Ganze aber nicht aufgezogen, da nicht ganz verständlich ist, warum Nr. 47 zunächst den ersten Teil des Auftrags – den Mord – reuelos erfüllt, um dann in bester moralischer Manier den zweiten Teil – die Auslieferung des irgendwie besonderen Mädchens – zu verweigern.

Stattdessen begibt sich der Hitman in der Folge in Opposition zu seiner zwielichtigen Organisation, indem er das Mädchen in Sicherheit bringt und damit beginnt, Nachforschungen zu den Gründen für die Besonderheit des Mädchens und den Plänen und Machenschaften der Organisation anzustellen.

So wackelig der Story-Einstieg ist, so solide entspinnt sich von da an in dem Teil der Kampagne, den wir uns ansehen konnten, die weitere Handlung. Genauer wird Nr. 47 schnell zum Jäger und zum Gejagtem in Personalunion: Während ihn die in Teilen korrupte Polizei wegen eines fingierten Mordes sucht und auch die Organisation alles daran setzt, den illoyalen Hitman loszuwerden, gräbt dieser immer tiefer, um hinter das Geheimnis des Mädchens und die damit zusammenhängenden Pläne seiner alten Auftraggeber zu gelangen.

Aufgepeppt und zusammengehalten wird dieser rote Faden durch exzellente Erzähltechniken, die große Anleihen beim Kino machen und dementsprechend immer wieder mit gelungenen Video- und Dialogsequenzen arbeiten, sodass man sich schnell in die düstere, glaubwürdige Spielwelt hineingezogen fühlt. Bedingt wird dies auch durch die wirklich hervorragend besetzten englischen Sprecher, die bestens zu ihren – teils sehr skurrilen – Charakteren passen und so ebenfalls maßgeblich zur Atmosphäre beitragen.

Hitman: Absolution - Chinatown-Mission
Hitman: Absolution - Chinatown-Mission

„Anleihen beim Kino“ bedeutet allerdings auch, dass das neue „Hitman“ nicht gerade „Open World“ ist. Hierbei handelt es sich um einen bestens bekannten Fakt, der aber erwähnt werden muss. So bringt es die grundsätzliche Konzeption mit sich, dass „Absolution“ auf den ersten Blick sehr starr wirkt: Auf eine einleitende Videosequenz wird Nr. 47 in eine Umgebung entlassen, in der er das jeweilige Missionsziel verfolgen muss, wobei ein erfolgreicher Abschluss wiederum zur nächsten Sequenz führt.

Glücklicherweise gilt diese Starre allerdings nicht für den Ablauf innerhalb dieser Missionen. Im Gegenteil – und auch das deutete sich bereits an – stehen einem hierbei viele Möglichkeiten zur Verfügung. Diese hängen schon mit dem grundsätzliche Vorgehen zusammen: Wagt man eine offene aber sehr gefährliche Vorgehensweise oder versucht man dagegen in bester Hitman-Manier möglichst unauffällig zum Ziel zu gelangen?

Für beide Fälle hält „Hitman: Absolution“ in den entscheidenden Momenten nach unserem nun erweiterten Eindruck in aller Regel einen netten Strauß an Optionen bereit. So steht es dem Spieler frei, ob er die Schergen eines Widersachers in aller Öffentlichkeit und unter Anwendung von roher Gewalt aus dem Weg räumt, oder aber subtiler vorgeht und beispielsweise gewisse Unfälle wie eine leckgelaufene Tanksäule in die Strategie einbaut.

Letztere Vorgehensweise ist allerdings nur dann möglich, wenn man über ausreichend Zeit und einen öffentlichen Raum – in diesem Fall ein großer Platz, auf dem das chinesische Neujahr gefeiert wird – verfügen kann, denn man muss seine Ziele und deren Gewohnheiten schon einige Zeit verfolgen, um effektiv „Unfälle“ geschehen zu lassen.

Dieses Unterfangen wäre ohne die Instinktfähigkeit von Nr. 47 kaum möglich. Drückt man die STRG-Taste, wird man nämlich dank dieser Funktion dezent auf interaktive Objekte, aber auch auf entsprechende Charaktere und deren Laufwege hingewiesen. So findet man in den unteren von vier Schwierigkeitsstufen leichter zum Ziel, wobei auch hier gilt, dass die Instinktanzeige mit der Zeit abnimmt und erst dann wieder aufgeladen wird, wenn man weitere kleine Schritte im Verlauf der Mission unternommen hat. Gelungen ist dabei auch, dass der Instinkt dazu verwendet werden kann, sich zu maskieren: Läuft man mit einer Polizeiuniform verkleidet an Polizisten vorbei, kann man den Protagonisten kurzzeitig seine Kopfbedeckung vors Gesicht ziehen lassen, was dazu führt, dass die stutzig gewordenen „Kollegen“ ihn passieren lassen.

Der Instinkt macht sich aber auch in Kampfsituationen bezahlt. Ist der Hitman zur Anwendung von roher Gewalt gezwungen, kann er bei ausreichender Instinktanzeige mehrere Ziele auf einmal anvisieren. Auch der Nahkampf ist dynamisch gestaltet, sodass man in schneller Abfolge auf die WASD-Tasten kloppen muss, damit der Protagonist die Oberhand behält.

Der im Kern durchaus berechtigten Kritik, wonach der Instinkt die Komplexität massiv verringert, begegnen die Entwickler mit dem höchsten von vier Schwierigkeitsgraden, in dem der Spieler faktisch auf sich allein gestellt ist. Dann wird „Hitman: Absolution“ aber wirklich zu einer harten Nuss, da die KI über weite Strecken – und dank übersichtlicher Areale – sehr clever agiert und allzu offensichtliches Herumschleichen sofort mit Misstrauen beantwortet.

Wer auch nach der Kampagne weiterhin Spiellust verspürt, kann sich im neuen, „Contracts“ genannten Mehrspielermodus beweisen. Bei diesem handelt es sich im Prinzip um kleine Missionen, die bestimmte Anforderungen an die Spieler stellen – und über ein Wertungssystem vor allem das kompetitive Element betonen.

Neben vorgefertigten Aufgaben wird es auch möglich sein, eigene Inhalte zu erstellen, und zwar während man spielt: Die Spieler wählen dazu einen Level, die Ziele, Waffen und legen die Regeln für den Auftrag selbst fest, basierend darauf, wie schnell, heimlich und raffiniert sie ihn erledigen.

Auch wenn sich die komplette Güte von „Contracts“ noch nicht bewerten lässt, zeichnet sich bereits ab, dass die Entwickler hier ein nettes Bonbon spendieren, das sich angenehm von der Masse der konventionellen Mehrspielermodi abheben könnte.