CyanogenMod-Projekt wurde Opfer von Erpressung

Ferdinand Thommes
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Kurz nach Veröffentlichung der stabilen Version der beliebten Custom-Firmware CyanogenMod 10, überschattet eine unschöne Begebenheit die Arbeit des Projekts. Wie gestern bekannt wurde, hat ein Mitglied des Teams Vereinbarungen mit anderen Websites unter der Identität des Chef-Entwicklers Steve Kondik getätigt.

Das vom CM-Team namentlich nicht genannte Team-Mitglied war seit den Anfängen des Projekts im Jahr 2009 dabei. In einer Zeit, in der das Projekt noch ohne eigene Infrastruktur war und das erste ROM auf XDA-Developers veröffentlicht wurde, registrierte die betreffende Person die Domain cyanogenmod.com und spendete sie dem sich gerade organisierenden Projekt. Der Domaineintrag verblieb allerdings bei ihm als Inhaber. Darüber hinaus gestaltete er die Webseite samt Forum und Wiki und fungierte bis zum jetzigen Ereignis als Webmaster. Er war auch verantwortlich für die Team-Seiten in den sozialen Netzwerken.

Die jetzigen Vorfälle wurden vor einer Woche aufgedeckt und erstreckten sich mutmaßlich über die vergangenen Monate. Mehrere Community-Seiten gaben auf Nachfrage des CM-Team an, der Domain-Inhaber habe sie unter der Identität von „Cyanogen“, dem Pseudonym von Steve Kondik, angesprochen und versucht, Spenden einzusammeln. Vom Team auf sein Handeln angesprochen und zur Übergabe der Domain und der Kontrolle über die Konten der sozialen Netzwerke aufgefordert, reagierte der vermeintliche Identitätsdieb mit der Forderung nach 10.000 US-Dollar für die Herausgabe der Domain.

Es gelang dem Team offenbar letzte Nacht, Kontrolle über die Twitter- und Facebook-Konten zu erlangen und den vermeintlichen Erpresser dort auszuschließen. Das veranlasste diesen, seine Macht über die Domain zum Ausdruck zu bringen: „Hi, ihr glaubt also, es sei eine gute Idee gewesen, mir den Zugang zur Infrastruktur zu entziehen? Wir hatten gestern ein Chat-Gespräch und ihr habt entschieden, dass die Sache bitter enden wird. Wie wäre es, wenn ich die DNS-Einträge ändern würde. CM wäre so gut wie vom Netz.“, wird er vom CM-Team zitiert. Mit seinem Handeln zwang er das Projekt dazu auf die Domain cyanogenmod.org auszuweichen.

Mittlerweile hat man sich, wie seit heute morgen im Blog von CyanogenMod zu lesen ist, einvernehmlich geeinigt. Die Domain wird von dem Ex-Mitglied ohne Geldforderung dem Team überschrieben. Das Team wird aber bei seiner neuen .org-Adresse bleiben, die .com-Adresse wird in Zukunft darauf umleiten. Auch wenn es dem Ex-Team-Mitglied bei der Spendensammlung wohl nicht um persönliche Bereicherung ging, sondern die Spenden für das Projekt gedacht waren, ist die Enttäuschung im Team über ein solch untragbares Handeln groß. Allerdings will man bei CM den Vorfall jetzt ruhen lassen und auf keinen Fall die Glut weiter schüren. „Wir bitten euch, Selbstjustiz zu unterlassen und die Sache ruhen zu lassen“, lies das Team aufgrund von entsprechenden Angeboten aus der Community bekannt geben. Das einzig Positive an der Aktion sei, dass das CM-Team als Lerneffekt eine längst fällige Umstrukturierung seiner Infrastruktur vorgenommen hat, sodass jetzt niemand mehr genügend alleinige Kontrolle besitzt, um so eine Aktion durchzuführen.

Das Ex-Mitglied hat sich mittlerweile auf seiner Google+-Seite zu den Vorfällen und Anschuldigungen geäußert und sich teilweise entschuldigt. Allerdings verwehrt er sich gegen Ausdrücke wie „Entführer“, „Erpresser“ oder „Dieb“. Auch er will die Sache ruhen lassen. Weiterhin gibt er an, dass jeder mit seinem Leben fortfahren und die Dinge tun sollte, die er tun will. Abschließend sagt er: „Die Sache wurde weit über Gebühr aufgebauscht. Es gibt viel Wichtigeres im Leben als sich über Internet-Dispute aufzuregen.“