Assassin's Creed 3 im Test: Desmond ist am Ende

 2/5
Sasan Abdi
79 Kommentare

AC 3 im Überblick

„Assassin's Creed 3“ (AC 3) soll die letzte Ausgabe der bekannten Konzeption darstellen, bevor wahrscheinlich im nächsten Jahr ein neuer, von der aktuellen Story losgelöster Ableger angekündigt werden wird. Dies ist insofern wichtig, weil sich gerade um den Plot einige Kritik strickte.

Diese ist zunächst grundsätzlich nicht von der Hand zu weisen: Erstreckt auf insgesamt fünf Teile und konzipiert rund um den metaphysisch angehauchten Kampf zwischen Templern und Assassinen hat die Serie dem geneigten Spieler in den vergangenen Jahren bereits einige, teils hanebüchene Verdrehungen und Wendungen präsentiert, sodass selbst Hartgesottene nicht mehr ohne Weiteres exakt nachvollziehen können, in welchem AS-Zeitalter es nun zu welchen Verwicklungen kam.

Allerdings ist die mit AC 3 darauf gegebene Antwort der Entwickler auf diese Krux durchaus gelungen. Zum einen werden die Vorgänge in einem guten Intro noch einmal in aller Kürze nacherzählt, sodass man schnell wieder auf Höhe der Geschichte ist. Zum zweiten, und hier findet sich der entscheidende Punkt, gelingt es über die Wahl des neuen Settings tatsächlich, AC 3 von seinen Vorgängern abzuheben und ein inhaltlich neues, für sich stehendes Kapitel zu eröffnen.

Dies bedeutet natürlich nicht, dass keine Anknüpfungspunkte zur Meta-Story existieren würden. Nach wie vor heißt der Über-Protagonist Desmond Miles, der auch dieses Mal wieder murrend über den futuristischen Animus in die Haut seiner Vorfahren schlüpft, um den Lauf der Dinge zu verändern. Im eigentlichen Zentrum steht aber auch dieses Mal eben jener Vorfahre, in den Desmond schlüpft. In diesem Fall handelt es sich um Halbblut-Indianer Ratohnhakéton (Connor), der – ohne es recht zu wissen – zur Speerspitze der Assassinen in der Neuen Welt wird.

Assassin's Creed 3 im Test
Assassin's Creed 3 im Test

Gelungen ist dabei aber nicht nur, wie Connors Werdegang von Kindesbeinen an nachgezeichnet wird. Auch die Templer wirken in AC 3 weniger diffus, was auch an einer geschickten Überschneidung der Stammbäume liegt. Statt als „das ultimative Böse“ werden die Fieslinge hier eher als ernstzunehmende aber durchaus menschliche Widersacher aufgebaut, die mit ähnlichen Mitteln wie die Assassinen vorgehen – aber eben ein komplett anderes Ziel verfolgen.

Durch die Verbindung von diesen Antagonisten und dem neuen Protagonisten und dessen Aktivitäten entsteht eine Erzählung, die über weite Strecken bestens unterhält und die letztlich als Etappen-Ende der Reihe einige offenen Fragen klärt und so sogar einen weitgehend befriedigenden Abschluss bietet (auch wenn findige Kenner sicher einige Inkonsistenzen aufdecken dürften!). So geht es im Kern letztlich darum, welche der Parteien in der Neuen Welt Fuß fassen und den Lauf der Dinge zu den eigenen Gunsten verändern kann. Während die Templer hier klare Ziele verfolgen und dementsprechend nach einem Platz fahnden, an dem ein Objekt mit ungekannter Macht verborgen sein soll, rutscht Connor fast schon ungewollt in seine Rolle als Vorzeige-Assassine hinein.

Geschickt ist auch, dass die tatsächlich vorhandenen Linien der damaligen Akteurskonstellation ihren Eingang in die Konzeption finden. So repräsentiert der vor allem zu Beginn ziemlich unorganisierte aber idealistisch-gute Connor nicht nur die Assassinen, sondern auch die indigene Bevölkerung, während seine Widersacher für das nach Ordnung und Macht strebende kalte Establishment stehen, für welches die Indianer nur ein minderwertiger Barbarenhaufen sind, den es auszurotten gilt um die eigenen Ziele zu erfüllen.

Dass die so eingebettet Erzählung so gut funktioniert und von Beginn an die Neugier weckt, liegt also auch und gerade am neuen Setting. Auch dieses war häufiger Ziel von skeptischen Stimmen: „Ein AC in Amerika – funktioniert das?“ Ja, es funktioniert. Dies liegt vor allem daran, dass es den Entwickler gelingt, die Stimmung der von Aufbruch, Gewalt, Unwägbarkeiten und Chancen geprägten Neuen Welt der Zeit um den Unabhängigkeitskrieg von 1775 bis 1783 einzufangen. Ob im von Marktschreiern, Soldaten und Händlern dominierten Metropole Boston, in einem der kleinen Dörfer oder in der von jeder Menge Wild bevölkerten Wildnis: „Assassin's Creed 3“ bringt das Setting über eine lebendige, authentische Spielwelt sehr gut herüber.

Doch nicht nur das „Gefühl“ und die Umgebungen stimmen, sondern auch die Gegebenheiten. Durch die Einbettung der Handlung in reale Geschehnisse wird dem Spieler der Eindruck vermittelt, hier tatsächlich an der Geschichtsschreibung mitzuwirken. Man trifft auf legendäre Persönlichkeiten der Zeit wie George Washington, Benjamin Franklin und Thomas Jefferson und wird Zeuge von zentralen Ereignissen wie der Schlacht um Bunker Hill und der aufmüpfigen Boston Tea Party. Hier findet sich abermals die bereits angedeutete Kombination, nämlich die von tatsächlicher Geschichte und fiktiver Erzählung, die überwiegend so gut geglückt ist, das man gerne den meisten Details der Erzählung nachgeht.

Assassin's Creed 3 im Test
Assassin's Creed 3 im Test

Leicht eingeschränkt wird dieser gute Eindruck nur von der teils nur mäßigen Kontextualisierung. Wer den Hergang der amerikanischen Revolution soeben in der Schule, im Studium oder privat behandelt hat, wird sich daran wenig stören; für alle Anderen müsste das Spiel allerdings zumindest grundlegend deutlich machen, zu welcher Zeit und im Rahmen von welchen Entwicklungen sich der Plot gerade bewegt. In diesen Fällen kann zwar eine schnelle Wikipedia-Recherche oder ein Blick in das (nicht so sehr gelungene) Ingame-Wissensdatenbank helfen; eine dezente direkte Integration wäre aber definitiv eleganter gewesen.