Leiharbeiter bei Amazon: Reaktionen und Stimmen zum ARD-Bericht

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Patrick Bellmer
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Amazon will reagieren

Aber nicht nur der rein menschliche Umgang des Unternehmens mit seinen ausländischen Leihkräften und den befristet Beschäftigten wurde angeprangert, auch andere Vergehen wurden aufgezeigt. So bestehe der Verdacht, dass Abrechnungen nicht korrekt erstellt wurden, um Sozialabgaben einzusparen – die Rede ist dabei von Beträgen in Millionenhöhe. Generell, so Reimann, gebe es häufig Probleme mit den Gehaltsbelegen, in der Regel zulasten der Arbeitnehmer. Wirklich neu ist der Vorwurf der Ausnutzung des Erlaubten und des Nicht-Verbotenen dabei nicht. Schon im letzten Jahr musste Amazon eingestehen, Praktikanten über Wochen hinweg von öffentlichen Kassen bezahlen zu lassen. Rechtlich wohl einwandfrei, moralisch hatte man die Öffentlichkeit jedoch gegen sich aufgebracht.

Die Rechnung dafür zahlt womöglich der Steuerzahler, letztlich also viele Amazon-Kunden selbst, die ein vermeintliches Schnäppchen gemacht haben. Unbewusst wurde dazu beigetragen, das in der Dokumentation gezeichnete System von Amazon zu errichten. Schon der Buchhandel – der Markt, in dem Amazon groß geworden ist – kann hier ein trauriges Lied singen. Auch hier soll Amazon mit fragwürdigen Methoden für den eigenen Erfolg gesorgt haben, „frei nach dem Motto: Angebot erweitern, Gewinn maximieren – Kritik kommentarlos aussitzen“, so Buchhändler Holger Brandstädt. „Wer wie Amazon mit seinem Namen Europaweit Aushilfskräfte wirbt, um diese dann vor Ort Fremdfirmen und prekären Beschäftigungsverhältnissen auszusetzen, wird seiner unternehmerischen Verantwortung nicht gerecht.“, so der Unternehmer. Wichtig sei, dass die Gesellschaft nicht nur die Vorteile sieht, „sondern auch wer den Preis für diese zahlt: Ein Heer von Leiharbeitern, die um ihre Steuern gebrachte Gesellschaft und eine wachsende Anzahl von Kommunen, denen mit neu entstehenden Logistikzentren Arbeitsplätze versprochen werden, die nie entstehen, denn irgendwo auf der Welt wird Amazon schon genug Verzweifelte finden, die sich für ein paar Wochen oder Monate ans Band stellen, um dann wieder weggeworfen zu werden.“.

Immerhin: Zumindest einige Zustände, die die Dokumentation angeprangert hat, will Amazon überprüfen. „Amazon duldet keinerlei Diskriminierung oder Einschüchterung. Auch wenn das Sicherheitsunternehmen nicht von Amazon beauftragt wurde, prüfen wir derzeit selbstverständlich den von den Redakteuren gemachten Vorwurf bezüglich des Verhaltens des Sicherheitspersonals und werden umgehend geeignete Maßnahmen einleiten.“, so das Unternehmen gegenüber ComputerBase. Zudem betonte man, dass man „die Sicherheit und das Wohlergehen unserer Mitarbeiter sehr ernst“ nehme und man „externe Dienstleister, die die Unterbringung von Saisonkräften aus anderen Regionen verantworten, regelmäßig“ überprüfe.

Wichtig ist uns hier auch die Rückmeldung unserer Mitarbeiter: Wann immer Mitarbeiter Verbesserungen im Rahmen der Arbeitsbedingungen oder der Unterbringung vorschlagen, prüfen wir dies umgehend.“. Und: „Sie können sicher sein, dass wir jedem Vorfall in unseren Logistikzentren und im Umfeld, der uns von Mitarbeitern zur Kenntnis gebracht wird, nachgehen und bei Bedarf umgehend Verbesserungen einleiten.“, so Amazon. Hierauf hofft nun auch ver.di, da Amazon spätestens seit gestern Abend weiß, was in und außerhalb der eigenen Einrichtungen vor sich gehe, so Reimann.

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