Netzaktivisten skeptisch über Freihandelszone mit den USA

Andreas Frischholz
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Die in der letzten Woche von US-Präsident Barack Obama ankündigten Gespräche über eine Freihandelszone zwischen den USA und Europa wurden zwar tendenziell positiv aufgenommen, Netzaktivisten reagierten allerdings skeptisch auf die Pläne.

Die Forderung nach einem stärkeren Schutz von geistigem Eigentum lässt ähnliche Regelungen befürchten, die bereits bei ACTA für Kritik sorgten. Noch stehen die Verhandlungen über die Freihandelszone („Transatlantic Trade and Investment Partnership“) am Anfang, dementsprechend vage sind die bekannten Details. Bislang haben sich die USA und die EU darauf verständigt, dass ein starker Schutz von geistigem Eigentum unterstützt und gefördert werden soll, wozu umfassende Kooperationen bei der Durchsetzung vorgesehen sind. Das geht aus dem Bericht der High Level Working Group on Jobs and Growth (HLWG) hervor (PDF-Datei), die seit November 2011 im Auftrag der USA und der EU ausgelotet hat, inwieweit eine ökonomische Partnerschaft sinnvoll ist.

Verhandlungsführer in dieser Arbeitsgruppe war auf Seiten der EU der Handelskommissar Karel De Gucht, der bereits bei ACTA federführend beteiligt war und bei Themen rund um das Urheberrecht als Hardliner auftritt. Unterstützt werden die Forderungen zudem von zwei US-Senatoren, die sich explizit dafür aussprechen, einen stärken Schutz von geistigem Eigentum in das Freihandelsabkommen aufzunehmen. Dementsprechend beunruhigt zeigt man sich auf Seiten der Netzaktivisten.

Die französische Bürgerrechtsgruppe La Quadrature du net verweist nochmals auf das CETA-Abkommen zwischen der EU und Kanada, das in einer vorab durchgesickerten Fassung einige Passagen enthielt, die mit den umstrittenen Abschnitten in ACTA übereinstimmten. Laut De Gucht sind diese zwar mittlerweile entfernt worden, die Bürgerrechtler sind aber nach wie vor skeptisch, vor allem weil immer noch kein öffentlich zugänglicher Entwurf von CETA vorliegt.

Das Freihandelsabkommen zwischen den USA und Europa dürfe nicht zu einem „ACTA 2.0“ werden, erklärt indes Markus Beckedahl, Vorstand von Digitale Gesellschaft und Blogger bei Netzpolitik.org. Diesbezüglich gibt er sich allerdings pessimistisch, die Verhandlungen würden von denselben Personen geführt werden, die bereits ACTA ausgehandelt hatten, weswegen er die Forderung in den Raum stellt, die Bereiche Urheber- und Markenrechte sowie Patente aus den Verhandlungen auszuklammern – der Vorschlag ist nicht aus der Luft gegriffen, ähnliches ist bereits für den Agrarsektor angedacht.

Ansonsten berge die Freihandelszone für die Netzpolitik sowohl Chancen als auch Risiken. „Eine echte digitale Freihandelszone, bei der Nutzer auf beiden Seiten des Atlantiks freien Zugang zu den digitalen Märkten der anderen Seite bekommen, ist eine große Chance“, so Beckedahl. Dies dürfte aber nicht zu Lasten „des hohen Grundrechteschutzstandards, insbesondere beim Datenschutz, und des Verbraucherschutzes europäischer Prägung gehen“.

Insbesondere der Datenschutz dürfte neben der Gestaltung und Durchsetzung des Urheberrechts zu einem netzpolitischen Schlüsselthema werden. Die unterschiedlichen Vorstellungen zeigen sich bereits bei der geplante EU-Datenschutzreform, bei der US-Vertreter und –Unternehmen derzeit versuchen, mit umfassenden Lobbymethoden die Arbeit der EU-Parlamentarier zu beeinflussen. Der deutsche Datenschutzbeauftragte Peter Schaar erwartet nun von den Vertretern der europäischen Politik, dass sie das unzureichende Datenschutzniveau in den USA zum Thema machen. Es dürfe keinen Abwertungswettbewerb zu Lasten von Freiheits- und Bürgerrechten geben.

Prinzipiell ist die Freihandelszone darauf ausgelegt, Zölle und Handelsschranken abzubauen. Die Vorbereitungen für die Verhandlungen sollen zeitnah beginnen, damit der konkrete Start noch Mitte dieses Jahres erfolgen kann. Mit dem Abschluss der Verhandlungen ist dann im Verlauf des Jahres 2015 zu rechnen, sagt zumindest der zuständige EU-Handelskommissar De Gucht. Das Freihandelsabkommen mit Europa wäre übrigens nicht das erste, das wegen US-Forderungen nach einem verschärften Urheberrecht in die Kritik gerät – das für den Pazifikraum vorgesehenen „Trans-Pacific Partnership“ (TPP) stößt diesbezüglich auf zahlreiche Proteste.

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