Bundesregierung legt Gesetzentwurf gegen das Abmahnunwesen vor

Ferdinand Thommes
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Das Kabinett der Bundesregierung hat inzwischen, nach Überwindung einiger Hindernisse, einen Gesetzentwurf vorgelegt, der hauptsächlich gegen das Abmahnunwesen gerichtet ist. Wenn keine weiteren Hemmnisse auftreten, kann das Gesetz noch vor dem Ende der Legislaturperiode den Bundestag passieren.

Der Gesetzentwurf, der unter Mitwirkung des Justizministeriums zustande kam, soll den Streitwert bei einer ersten Abmahnung wegen einfacher Urheberrechtsverletzungen pauschal auf 1.000 Euro senken und somit die Anwaltskosten für die Abmahnung auf 155,30 Euro festlegen. Einem anfänglichen Vorstoß des Justizministeriums, den Streitwert auf 500 Euro festzulegen und somit die Abmahnkosten für den Betroffenen noch weiter zu senken, war kein Erfolg beschieden. Widerstände seitens der Unterhaltungsindustrie und von CDU-Politikern, wie dem Rechtspolitiker und Vizechef der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Günter Krings verhinderten die weitere Senkung des Streitwerts. Er machte sich auch für die Formulierung der Ausnahmeregelung stark. Hier heißt es, diese Deckelung solle nicht gelten, wenn sie "nach den besonderen Umständen des Einzelfalles sowie der Anzahl oder der Schwere der Rechtsverletzungen unbillig" sei. Das könne beispielsweise dann der Fall sein, wenn "in relevantem Ausmaß vom üblichen Maß eine abweichende Anzahl oder Schwere der Rechtsverletzung" vorliege. Da diese Ausnahmeregelung recht schwammig gefasst ist, dürften hier die ersten Gerichtsverfahren für eine klarere Festlegung sorgen.

Das Kabinett möchte außerdem eine gewisse Ausgeglichenheit zwischen dem Rechtsinhaber und dem vermeintlichen Rechtsverletzer schaffen. So soll in Zukunft ein zu Unrecht Abgemahnter einen Anspruch auf Ersatz seiner Verteidigungskosten erhalten. Insgesamt sieht Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) den Entwurf als „großen Schritt, um Kleingewerbetreibende und Verbraucher in ihren Rechten zu stärken“. Auch Günter Krings begrüßte in einer Pressemitteilung seiner Partei unter anderem die Fortentwicklung der bestehenden Abmahndeckelung. Er stellt heraus, dass es wichtig sei, dass einerseits dem Abmahnunwesen ein Riegel vorgeschoben werde, generell aber die Waffe Abmahnung nicht völlig stumpf werde. So könne weiterhin gegen schweres Raubkopieren vorgegangen werden.

Der Bundesverband Musikindustrie stellte sich gegen den Gesetzentwurf. Er würde eine seriöse, zivilrechtliche Verfolgung von Urheberrechts-Verletzern nahezu unmöglich machen. Der Verband weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass auch ohne gesetzliche Regelung die Zahl der Abmahnungen bei vermuteten Urheberrechtsverstößen in den letzten Jahren deutlich rückläufig sei. So weisen die bei großen Musikfirmen hierzulande erhobenen Daten darauf hin, dass die Zahl der Abmahnungen in diesem Umfeld von rund 60.000 im Jahr 2011 auf lediglich noch 22.000 im vergangenen Jahr gesunken sei.

Sowohl der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) als auch die Grünen kritisieren den Gesetzentwurf der Regierung. Der vzbv stellt in einer Stellungnahme klar, dass durch die unklare Formulierung der Ausnahmeregeln den derzeitigen Stand eher verschlechtert werde. Dazu heißt es in dem Papier: „Eine Verschlechterung gegenüber dem Status Quo sind die Vorschläge zur Eindämmung unseriöser Massenabmahnungen und damit verbundener Anwaltskosten. Sie sorgen nicht für mehr Rechtssicherheit, sondern werden weiterhin die Gerichte zu Klarstellungen herausfordern.

Die Grünen haben dagegen einen eigenen Gesetzentwurf eingebracht und plädieren darin, den Streitwert bei Urheberrechtsverletzungen im privaten Bereich auf 700 Euro zu begrenzen und damit die Anwaltskosten für den Betroffenen auf rund 120 Euro zu deckeln. Da die Grünen derzeit keine Chance für die lange von ihnen geforderte Kulturflatrate sehen, soll zumindest eine Bagatellklausel ins Urheberrechtsgesetz eingefügt werden.