Leistungsschutzrecht wird offenbar Bundesrat passieren

Andreas Frischholz
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Das umstrittene Leistungsschutzrecht wird am Freitag offenbar auch den Bundesrat ohne Umwege passieren, nachdem es bereits am 1. März vom Bundestag verabschiedet wurde. Netzpolitiker der SPD hatten zwar eine Blockade angekündigt, allerdings ziehen nicht alle SPD-geführten Bundesländer mit.

Aufhalten kann die SPD das Leistungsschutzrecht ohnehin nicht, das Gesetz benötigt im Bundesrat keine Zustimmung. Allerdings könnten die SPD-geführten Länder ihre Mehrheit nutzen, um das Gesetz in den Vermittlungsausschuss zu schicken. Sollten dort Änderungswünsche durchgesetzt werden, müsste das Gesetz nochmals durch den Bundestag, zeitlich dürfte das dann aber angesichts der im Herbst anstehenden Bundestagswahl knapp werden. Die Gegner des Vorhabens hofften, das Leistungsschutzrecht könnte so noch an dem sogenannten „Diskontinuitätsprinzip“ scheitern – Gesetze, die nicht vor Ablauf einer Legislaturperiode verabschiedet werden, verfallen automatisch.

Nun bestätigte aber sogar der SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück, dass die SPD-geführten Länder ihre Mehrheit im Bundesrat nicht nutzen werden, um Einspruch gegen das Gesetz einzulegen. Aufgrund der Mehrheitsverhältnisse im Bundestag gebe es keine Aussicht auf ein erfolgreiches Vermittlungsverfahren, allerdings stimmte er zeitgleich den Befürchtungen zu, das Leistungsschutzrecht werde für „Chaos sorgen“. Deswegen werde im Falle eines Rot-Grünen-Wahlsiegs bei der Bundestagswahl als eine der ersten Maßnahmen das Leistungsschutzrecht überarbeitet, so Steinbrück.

Das Vorgehen ist selbst innerhalb der SPD umstritten, verantwortlich für die Blockade-Ablehnung ist aber letztlich die nordrhein-westfälische Landesregierung, ohne deren Stimmen die Gegner des Leistungsschutzrechts keine Mehrheit im Bundesrat haben. Angelika Schwall-Düren, Ministerin für Bundes- und Europa-Angelegenheiten sowie Medien in Nordrhein-Westfalen, attestiert dem Gesetz zwar auch „große handwerkliche Fehler“ – etwa die unklare Definition von kleinsten Textausschnitten, die nicht lizenzpflichtig sind – und fordert eine „grundlegende“ Überarbeitung, blockieren wolle man es aber nicht. Eine „rein taktische Verzögerung“ wäre nicht im Sinne des Landes NRW, so die Ministerin.

Bei den Grünen sorgt diese Haltung für erstaunte Gesichter, ging man doch ursprünglich davon aus, dass die SPD das Gesetzesvorhaben zusammen mit dem Koalitionspartner wie angekündigt in den Vermittlungsausschuss schicken wolle. Gegenüber der Süddeutschen äußerte deren netzpolitischer Sprecher Konstantin von Notz den Wunsch, dass sich „NRW da noch einmal neu orientiert“, das Leistungsschutzrecht sei „ein schlechtes Gesetz und es wird mehr Schaden anrichten als es Gutes tut“. Bei der Süddeutschen spekuliert man nun, ob in NRW möglicherweise die großen Presseverlage wie der WAZ-Konzern Einfluss auf die Entscheidung der Landesregierung genommen haben.

Damit verhallt auch ein offener Brief an die Ministerpräsidenten der Länder, unterzeichnet von 42 Journalisten, Bloggern und Netzaktivisten, der vor dem Leistungsschutzrecht warnt und nochmals auf die zahlreichen Kritikpunkte hinweist. Nach wie vor ist ungeklärt, wer überhaupt von dem Gesetz betroffen ist und dementsprechend Lizenzverhandlungen mit Verlagen führen muss. Profitieren würden davon ohnehin vor allem die großen Verlage, die durch umfangreichere „finanzielle und personelle Mittel“ ihre Marktmacht festigen und kleinere Anbieter vom Markt verdrängen könnten. Letztlich sorge das Gesetz aufgrund eklatanter Mängel wie etwa den unsauberen Definitionen für eine Rechtsunsicherheit, zulasten der Informationsfreiheit und von neuen Startup-Unternehmen mit entsprechenden Internetdiensten, die den Wirtschafts- und Innovationsstandort Deutschland schwächt.

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