Eltern müssen Kinder im Internet nicht ständig überwachen

Michael Schäfer
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Bereits im November letzten Jahres urteilte der Bundesgerichtshof über die Frage, inwieweit Eltern zur Kontrolle ihrer Kinder verpflichtet sind und für deren Urheberrechtsverletzungen haftbar gemacht werden dürfen. Jetzt wurde die mit Spannung erwartete schriftliche Urteilsbegründung veröffentlicht.

Im damaligen, viel beachteten Prozess urteilten die Richter, dass Eltern bereits dann ihrer Fürsorgepflicht gegenüber einem 13-jährigen, normal entwickelten Kind nachgekommen seien, wenn diese dem minderjährigen Schützling über die rechtswidrige Teilnahme an Internet-Tauschbörsen aufgeklärt haben und selbige verbieten würden (Urteil vom 15. November 2012, Az.: I ZR 74/12 (PDF)). Eine Verpflichtung zur ständigen Überwachung der Internetnutzung ihrer Kinder und der Überprüfung der von ihnen benutzten Computer sowie der teilweisen Sperrung des Internetzuganges sahen die Richter nicht. Solche Maßnahmen kämen nur dann zum Tragen, wenn ein begründeter Verdacht bestehen würde, dass sich das Kind über das ausgesprochene Verbot hinwegsetzen würde.

Dem Urteil ging ein Rechtsstreit über zwei Instanzen voraus, in welchen die Eltern eines 13-jährigen Jungen von zwei Gerichten in Köln dazu verurteilt wurden, Schadensersatz und Anwaltskosten von zusammen rund 5.380 Euro für das Tauschen von urheberrechtlich geschützten Musikstücken zu zahlen, mit der Begründung, dass die Eltern ihre Aufsichtspflicht verletzt hätten. Diesen Urteilen schloss sich der BGH in seinem Urteil nicht an und wies die Klage ab.

In der jetzt veröffentlichten schriftlichen Urteilsbegründung gingen die Richter zudem gesondert der Frage nach, ob Kinder ohne konkreten Anlass bei ihrer Nutzung des Internets ständig kontrolliert werden müssen. Dem obersten Zivilgericht zufolge würde dies jedoch dem Paragrafen 1626 BGB widersprechen, welcher ein Ziel der Erziehung darin sieht, die Fähigkeit zum selbstständigen und verantwortungsbewussten Handeln zu fördern.

Auch sei eine Haftung des Vaters als Anschlussinhaber abzulehnen, da in diesem Fall die Möglichkeit bestand, dass alleinig ein Dritter und nicht unbedingt der Anschlussinhaber die jeweiligen Rechteverletzungen begangen haben kann. Daher müsse der Kläger weitere Umstände vorlegen, durch welche sich eine Täterschaft oder Teilnahme des Vaters nachweisen lassen würde, was aber nicht geschehen ist. Des Weiteren können die Eltern nicht im Sinne einer „Eröffnung einer Gefahrenquelle“ zum Schadensersatz und zur Erstattung der Abmahnkosten herangezogen werden.

Dieses Urteil könnte nicht nur Auswirkungen auf Familien mit minderjährigen Kindern besitzen, auch für Wohngemeinschaften und Gastronomiebetriebe könnte dieses weitreichende Folgen haben. So hat in jüngster Vergangenheit das Landgericht Köln entschieden, dass ein Hauptmieter in einer Wohngemeinschaft nicht für die Urheberrechtsverfehlungen seiner Mitbewohner haftbar gemacht werden kann.