Long Term Evolution: Hintergründe zum schnellen Funkstandard LTE

Patrick Bellmer
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Long Term Evolution: Hintergründe zum schnellen Funkstandard LTE

Einleitung

Bis Neuerungen die breite Masse erreichen, vergehen oft Jahre. Nicht nur, dass viele Nutzer vor vermeintlichen Mehrkosten zurückschrecken, häufig ist und bleibt unklar, welche Vorteile eine neue Technik mit sich bringt. Zurückzuführen ist dies auch immer wieder auf die mangelnde Aufklärung seitens der Industrie, die gerne mit Abkürzungen und abstrakten Wortkreationen um sich wirft, mit belastbaren Zahlen und eventuellen Nachteilen aber eher sparsam umgeht.

Ein Paradebeispiel in dieser Hinsicht ist auch der neue Mobilfunkstandard LTE. Der aktuell schnellste in Betrieb befindliche Mobilfunkstandard wurde in Grundzügen schon vor fast zehn Jahren vorgestellt, abgesegnet wurde er bereits 2009 – nahezu zeitgleich mit der Inbetriebnahme der ersten entsprechend ausgestatteten Netze in Skandinavien. Im Sommer 2010 folgte dann Deutschland, tatsächlich „greifbar“ ist LTE also schon seit etwa drei Jahren.

Mittlerweile ist LTE zumindest auch in der Smartphone-Oberklasse mit dem Apple iPhone 5, dem HTC One, dem Samsung Galaxy S4 sowie dem Sony Xperia Z flächendeckend vertreten, weshalb sich die Frage stellt: Was genau verbirgt sich hinter den drei Buchstaben, die laut Werbung das „Turbo-Internet“ und das „megaschnelle Internet“ bedeuten? Und lohnen sich für den Kunden gegebenenfalls anfallende Mehrkosten und ein Tarifwechsel bei seinem Mobilfunkanbieter, um den neuen Standard im Alltag nutzen zu können?

Was ist LTE?

Hinter der Abkürzung LTE (Long Term Evolution) verbirgt sich der Nachfolger von UMTS (Universal Mobile Telecommunications System). Anders als von vielen Geräteherstellern und Mobilfunkanbietern behauptet, handelt es sich dabei allerdings nicht um die vierte Mobilfunkgeneration (4G), sondern genau genommen um 3.9G, also lediglich eine sehr umfangreiche UMTS-Erweiterung. Der Grund dafür ist einfach: Das für die Festlegung der Rahmenbedingungen zuständige 3rd Generation Partnership Project (3GPP) hatte für Übertragungsraten, Latenzen und anderes Grenzwerte festgelegt, die LTE in seiner jetzigen Form ebenso wie das Konkurrenzprodukt WiMAX nicht einhält. Aus Marketing-Sicht klingt 4G aber weitaus fortschrittlicher als 3.9G, weshalb Gerätehersteller und Netzbetreiber gegenüber dem Verbraucher von den Vorgaben abweichen.

Mobilfunkstandards im Vergleich
GPRS EDGE UMTS HSPA HSPA+ DC-HSPA LTE
Download
(max.)
53,6 kbit/s 220 kbit/s 384 kbit/s 14,4 Mbit/s 42,2 Mbit/s 84,4 Mbit/s 300 Mbit/s
Upload
(max.)
26,8 kbit/s 110 kbit/s 384 kbit/s 5,76 Mbit/s 23 Mbit/s 23 Mbit/s 75 Mbit/s
Latenzen
(optimal)
500 ms 300 ms 100 ms 50 ms 50 ms  50 ms 5 ms

Doch inwiefern unterscheidet sich die schnelle Übertragungstechnik von den Vorgängern UMTS, HSPA und HSPA+? Im Grunde genommen nur wenig und dennoch stark. Denn auch wenn LTE nur als evolutionärer Schritt bezeichnet wird, gibt es doch einige wenige weitreichende Änderungen. So nutzt LTE anders als UMTS keine leitungs- und paketbasierte Übertragung, sondern nur letzteres, was in der Praxis derzeit noch einige Probleme mit sich bringt, auf die wir später genauer eingehen. Somit ist die Übertragungsart vergleichbar mit HSPA/HSPA+, nutzt jedoch breitere Frequenzbänder: Während es bei HSPA/HSPA+ je nach Frequenz fünf oder 15 Megahertz sind, sind es bei LTE zehn, 15 oder 20 Megahertz.

Frequenzverteilung im 800-Megahertz-Band
Frequenzverteilung im 800-Megahertz-Band (Bild: Bundesnetzagentur)
Frequenzverteilung im 1.800-Megahertz-Band
Frequenzverteilung im 1.800-Megahertz-Band (Bild: Bundesnetzagentur)
Frequenzverteilung im 2,6-Gigahertz-Band
Frequenzverteilung im 2,6-Gigahertz-Band (Bild: Bundesnetzagentur)

Schon dies lässt darauf schließen, dass mit LTE weitaus höhere Übertragungsraten als bei den bisherigen Mobilfunkstandards möglich sind. Aber auch verschiedene weitere Änderungen sorgen dafür, dass sich der Standard in puncto Geschwindigkeit von seinen Vorgängern abhebt. Denn zum einen kommt die Orthogonal-Frequency-Division-Multiplexing-Technik zum Einsatz, die unter anderem Störungen mindert, zum anderen können pro Hertz mehr Daten als bei älteren Mobilfunkstandards übertragen werden – die Spektraleffizienz wurde erhöht. Liegt diese unter GSM bei 0,2 Bit pro Sekunde und Hertz, sind es unter HSDPA 8,4 Bit pro Sekunde und Hertz; LTE hingegen erreicht 16,3 Bit pro Sekunde und Hertz.

Dennoch ist LTE nicht gleich LTE. Berücksichtigt werden muss auch die LTE-Kategorie, die als Cat bezeichnet wird. Festgelegt sind hier bislang derer fünf, die sich sowohl in der Download- als auch in der Upload-Geschwindigkeit unterscheiden. Während Cat 1 zehn und fünf Megabit pro Sekunde ermöglicht, sind es in Cat 5 300 und 75 Megabit pro Sekunde. Üblich ist derzeit Cat 3, bei der Übertragungen mit 100 und 50 Megabit pro Sekunde erfolgen. Wichtig ist jedoch, dass sowohl die gerade verwendete Netzzelle als auch das Endgerät mit der jeweiligen Kategorie umgehen können. Es nutzt demzufolge nichts, ein Cat-4-taugliches Smartphone in einem Cat-3-Netz zu verwenden und umgekehrt.

25 Jahre ComputerBase!
Im Podcast erinnern sich Frank, Steffen und Jan daran, wie im Jahr 1999 alles begann.