Ausmaß von „Prism“ verärgert deutsche Politiker

Andreas Frischholz
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Die Berichte über das NSA-Überwachungsprogramm „Prism“ erhitzen in Deutschland die Gemüter. Politiker kritisieren das Vorgehen der US-Administration und fordern Aufklärung, ebenso empört zeigen sich Datenschützer und Vertreter der IT-Branche. Die Bundesregierung will nun prüfen, inwieweit deutsche Nutzer betroffen sind.

Nach Angaben von Regierungssprecher Steffen Seibert werde derzeit untersucht, ob es einen „deutschen Bezug“ gebe. Möglicherweise thematisiere Bundeskanzlerin Angela Merkel die Vorgänge rund um das Prism-Programm bei dem Treffen mit US-Präsident Barack Obama in zwei Wochen. Dabei steht die Bundesregierung unter Zugzwang, vollständige Aufklärung wird von allen Seiten gefordert. Empört reagiert Bundesdatenschützer Peter Schaar, die US-Administration müsse nach diesen „ungeheuerlichen Vorwürfen einer Totalüberwachung verschiedenster Telekommunikations- und Internetdienste“ für Klarheit sorgen. Angesichts „der Vielzahl deutscher Nutzer von Google-, Facebook-, Apple- und Microsoft-Diensten“, erwartet er von der Bundesregierung neben Aufklärung noch den Einsatz für eine Begrenzung der Überwachung.

Bislang wiegelt nur ein Sprecher des Innenministeriums ab, demnach handele es sich um „amerikanische Vorgänge auf amerikanischem Boden“, meldet das ZDF. Das widerspricht aber den Aussagen von James Clapper, Director of National Intelligence in der US-Administration. Ansonsten dominiert die Forderung nach voller Aufklärung. So fordert die hiesige IT-Branche volle Transparenz, Bernhard Rohleder vom Branchenverband Bitkom erklärt: „Solche Maßnahmen zerstören das Vertrauen von Verbrauchern und Unternehmen nicht nur in den USA, sondern weltweit und gerade auch in Deutschland.“.

Nonchalant reagiert der hessische Justizminister Jörg-Uwe Hahn, den es überrascht, wie leichtfertig die US-Dienste anscheinend Nutzerdaten preisgeben. „Wer das nicht mehr zulassen will, sollte den Anbieter wechseln“, so Hahn gegenüber dem Handelsblatt. Gleichzeitig kritisiert er die US-Administration, die mit Prism „offenbar jedes Maß für die Bürgerrechte verloren“ habe. Ähnlich äußert sich der Grünen-Politiker Malte Spitz gegenüber dem Handelsblatt: „Da Dienste von Google, Facebook, Yahoo und Microsoft auch in Deutschland sehr populär sind, muss es eine eindeutige Stellungnahme seitens der Unternehmen wie auch der US-Administration gegenüber ausländischen Nutzern geben, dass diese Praxis beendet wird.

Er fordert zudem, den automatisierten Austausch bei Fluggast- und Bankendaten mit den USA zu beenden. Entsprechende rechtliche Grundlage sollten über die EU-Datenschutzreform verankert werden, um Daten von Europäern nur im Einklang mit dem EU-Recht an Drittstaaten weiterzugeben. Bundesdatenschützer Schaar argumentiert ebenfalls, das Ausmaß der NSA-Überwachung verdeutliche, wie „wichtig die Stärkung des europäischen Datenschutzrechts ist“. Dass der EU-Rat sich derzeit auf keinen Kompromiss einigen kann und die Reform hinauszögert, halte Schaar „für ein völlig falsches Zeichen“.

Überwachung im Prism-Ausmaß in Deutschland rechtswidrig

Laut Bundesdatenschützer Peter Schaar hätten deutsche Sicherheitsbehörden keine mit denen der NSA vergleichbaren Befugnisse, um die Kommunikation der Bürger zu überwachen. Ähnlich äußert sich Gisela Piltz, innenpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, im Handelsblatt: „Eine Totalüberwachung mit ungefiltertem Direktzugriff der Sicherheitsbehörden auf E-Mails, soziale Netzwerke, Cloud-Dienste oder andere Daten im Internet wäre rechtswidrig und in Deutschland undenkbar.

Nichtsdestotrotz überwacht auch der Bundesnachrichtendienst (BND) Teile der internationalen Datenströme, die automatisiert nach verdächtigen Suchbegriffen gefiltert werden. „Auch in Deutschland greift der BND umfassend in das Fernmeldegeheimnis ein und wertet elektronische Kommunikation von Ausländern anhand von Suchbegriffen aus und hat dabei auch Zugriff auf die Datenübertragung“, erklärt Grünen-Politiker Spitz. Beispielhaft steht dafür der im April veröffentlichte Kontrollbericht, demzufolge der BND im Jahr 2011 knapp 2,9 Millionen E-Mails, SMS und Datenverbindungen geprüft hatte – wobei der E-Mail-Verkehr innerhalb Deutschlands nicht betroffen sein soll.