Kein Supergrundrecht auf Sicherheit

Andreas Frischholz
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Innenminister Friedrich versuchte die Späh-Programme der Geheimdienste mit der Begründung zu rechtfertigen, bei der Sicherheit handele es sich um ein Supergrundrecht. Die Aussage wurde vielfach kritisiert, nun widerspricht auch der ehemalige Verfassungsrichter Hans-Jürgen Papier, dass so ein Supergrundrecht existiert.

In einem Interview mit der Welt erklärte Papier, von 2002 bis 2010 Präsident vom Bundesverfassungsgericht, dass es sich bei den Grundrechten um Freiheitsrechte der Bürger gegenüber dem Staat handeln. Dieser habe zwar auch die Pflicht, die innere und äußere Sicherheit zu gewähren, dürfe dafür aber nur solche Mittel einsetzen, die mit den Freiheitsrechten vereinbar sind – Freiheitsrechte dürften aber nicht zum Schutz der Freiheit geopfert werden – diese „können nicht suspendiert werden, um für optimale Sicherheit der Bürger zu sorgen“.

Das Ausmaß der NSA-Überwachung, das Edward Snowden enthüllt hat, läge „weit jenseits dessen, was das Bundesverfassungsgericht in seinen Urteilen zur Vorratsdatenspeicherung und Telekommunikationsüberwachung noch für akzeptabel erachtet hat“. Instrumente wie die Vorratsdatenspeicherung hält Papier zwar immer noch für zulässig, aber nur in den engen Grenzen, die das Bundesverfassungsgericht im Urteil vom März 2010 gesetzt habe.

Ebenso widerspricht Papier der Aussage von CSU-Innenpolitiker Hans-Peter Uhl, nach dessen Ansicht das Recht auf informationeller Selbstbestimmung ein „Idylle aus vergangenen Tagen“ wäre. Das Bundesverfassungsgericht habe in vielen Urteilen deutlich gemacht, dass mit diesem Datenschutzgrundrecht auch der Kernbereich der privaten Lebensgestaltung geschützt werde. Ein Punkt, der etwa bei dem Urteil über die Online-Durchsuchungen eine bedeutende Rolle gespielt hat.

Ausgehend von dieser Begründung hatte das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2008 das sogenannte IT-Grundrecht abgeleitet, das den Schutz persönlicher Daten zusichert, die in IT-Systemen gespeichert oder verarbeitet werden. Man habe „aus dem überkommenen Post- und Telefongeheimnis einen effektiven Schutz des Telekommunikationsverkehrs entwickelt“, so Papier in der Welt. Der Staat habe auch die Pflicht, diese Rechte vor dem Zugriff ausländischer Mächte zu schützen. Das gelte aber nur, solange der Schutz für staatliche Institutionen im Bereich des Möglichen liegt.

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    … ist Politikwissenschaftler und berichtet seit 2004 über Netzpolitik, Tech-Ökonomie und den digitalen Wandel der Gesellschaft.
Quelle: Tageszeitung „Die Welt”

Ergänzungen aus der Community

  • DerOlf 06.08.2013 17:48
    Wenn man Platon (ca. 400bc) glauben darf, dann gingen die Griechischen Stadtstaaten vor allem daran kaputt, dass die, die die Staatsgeschäfte verstanden (so wie Platon sie verstanden haben wollte), und eine Politik zum Wohle des Volkes/Staates (in Platons augen im Idealfall kein Unterschied) hätten machen können, in politische Ämter gezwungen werden müssten.
    Da dies aber mit den Freiheitsrechten (die auch im alten Athen schon für knapp 10% der Einwohner galten - der Rest war zu jung, zu weiblich oder einfach Sklave) nicht vereinbar ist/war, regieren Unfähige, die primär ihr eigenes Wohl verfolgen und bestenfalls den Staat zum Volksgegner machen.
    Daher sprach sich Platon auch gegen die Demokratie aus, denn eine erbliche Monarchie hat zumindest einen großen Vorteil, ab seiner Geburt ist klar, wer als nächstes regieren wird. Und den kann man effektiver auf seine Aufgaben vorbereiten - wenn die Monarchie das denn zulässt, wozu sie leider nichtmal Platon hat zwingen können (in Syracus/Sizilien hat er's ja angeblich probiert).

    Ich glaube Platon hatte nicht viel weniger Unrecht, als Aristoteles, den anfangs schon jemand zitiert hat.

    Das ganze ist mMn erst da gefährlich, wo Leute der Meinung sind, dass der Tausch von 90% Freiheit für 0,09% mehr Sicherheit für sie ein lohnendes Geschäft wäre.
    Dabei ist das die sprichwörtliche Katze im Sack - obwohl man bei der wenigstens noch einigermaßen sicher wissen kann, DASS es tatsächlich eine Katze ist.