Assassin's Creed 4: Black Flag im Test: Die große Überraschung

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Sasan Abdi
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Story

Damaskus, Jerusalem, Venedig, die Toskana, der Vatikan, Konstantinopel – die „Assassin's-Creed“-Reihe hatte bis zum Erscheinen von „Assassin's Creed 3“ so ziemlich jede denkbare Szenerie in der Alten Welt abgegrast. Deswegen konnte man kaum genug loben, dass die Entwickler von Ubisoft Montreal mit dem besagten, im letzten Jahre erschienenen AC 3 endlich auf ein frisches Setting setzten. Und das gekonnt: Die in den Wirren der Neuen Welt platzierte Handlung konnte in hohem Maße überzeugen, was einigermaßen verzeihlich machte, dass bei den Spielmechaniken absoluter Stillstand herrschte.

Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass Ubisoft auch für die 2013er-Ausgabe seiner Topmarke wieder auf einen radikalen Wandel setzt und für „Assassin's Creed 4“ ein Piraten-Setting anbietet. Dabei ist nicht wirklich abwegig, dass die abermalige Suche nach einem neuen Setting ausgerechnet in der Karibik endete: Ein solcher Rahmen geht erstens in einer von „Fluch der Karibik“ sozialisierten Zielgruppe eigentlich immer, und zweitens konnten die Entwickler auf erste Erfahrungen aus den Vorgängern mit der Gegend samt Schiffskämpfen zurückgreifen.

Was hat es auf dieser Basis also mit dem neuen „Assassin's Creed“ auf sich? Die Antwort ist: Es ist wirklich überraschend – und zwar sowohl im Positiven wie auch im Negativen.

Überraschend fahrige Story

Es gehört seit jeher zu den Stärken eines „Assassin's Creed“, dass dem Spieler eine ausgefeilte Handlung präsentiert wird. Der metaphysisch angehauchte, im Geheimen geführte Weltkrieg zwischen den Templern und den Assassinen stellte dazu in Verbindung mit dem Hauptprotagonisten Desmond Miles stets die Grundfeste dar, auf welcher der Spieler in allerlei fantastische Szenarien entlassen wurde. Und auch wenn die Schreiber von Ubisoft einem dabei manchmal allzu absurde Wendungen auftischten: Es war doch überwiegend die Story, die uns immer bei der Fahnenstange bleiben ließ.

Diese Kompetenz kommt der AC-Reihe mit „Black Flag“ überraschend etwas abhanden. Zwar ist die Handlung weit entfernt davon, ein Flop zu sein, allerdings mangelt es immer wieder an erzählerischer Stringenz, an einordnenden Dialogen und an erklärenden Zwischensequenzen. Dieser Punkt ist auch deswegen überraschend, weil AC 4 durchaus nicht mit den gängigen Instrumenten geizt. Natürlich bekommen wir auch dieses Mal wieder zahlreiche Dialoge und Zwischensequenzen präsentiert, sodass sich das Spielen häufig wie gewohnt nach interaktivem Film anfühlt.

Anders als in den Vorgängern kam es bei uns aber immer wieder zu Momenten, in denen wir uns fragten: Warum machen wir eigentlich gerade das, was mir machen? Wen verfolgen wir da? Wen sollen wir da warum meucheln? Warum ist es noch gleich wichtig, diese Bucht einzunehmen? Und überhaupt: Welcher der vielen Inselstandorte ist jetzt eigentlich unsere Basis? Oder gibt es die gar nicht? Obwohl der neue Protagonist ständig mit irgendwem redet und gefühlte 50 Prozent der gut 20 Stunden langen Kampagne durch allerlei Sequenzen geschoben wird: Immer mal wieder wirkt die Handlung fahrig, was sich darin äußert, dass man sich als am Hergang der Story interessierter Spieler oft nicht genügend an die Hand genommen fühlt.

Assassin's Creed 4 im Test
Assassin's Creed 4 im Test

Dabei beginnt „Black Flag“ eigentlich durchaus vielversprechend. Zentrale Figur ist dieses Mal der Freibeuter Edward Kenway, dessen Lebensziel absolut werteneutral gezeichnet wird: Edward will in der Karibik einfach ordentlich Asche machen, um sich und seiner Freundin daheim in Großbritannien ein schönes Leben ermöglichen zu können.

Nur zufällig gerät Edward, der als Großvater des AC-3-Protagonisten Connor an die Meta-Erzählung der Marke angeknüpft ist, zwischen die Fronten des großen Kriegs zwischen Templern und Assassinen. Zuerst schlägt er sich für die eine, dann für die andere Fraktion durch das Inselparadies, in dem vor allem Briten und Spanier ihr kriegerisches Unwesen treiben.

Vielleicht ist es die eben beschriebene Neutralität von Edward, die dazu führt, dass „Black Flag“ immer mal wieder einen roten Faden vermissen lässt. Zwar schwebt im Hintergrund stets die große Sache, hinter der die beiden Fraktionen in der Karibik her sind und die Edward gerne zu einem fetten Goldschatz umwandeln würde; ansonsten ist aber – abgesehen von „Make Money, Money“ immer wieder unklar, auf was man da eigentlich gerade genau hinarbeitet.

Etwas enttäuscht hat uns auch, wie das eigentlich spannende Setting ausgespielt wird. Fühlte sich „Assassin's Creed 3“ in seinen besten Momenten fast politisch an, bleiben die in der Karibik aggressiv vorgehenden Kronen aus Großbritannien und Spanien absolut blass und dienen im Prinzip nur als Kanonenfutter.

Und auch die Charaktere und das ganze inhaltliche Drumherum könnten überzeugender sein. Zwar führt „Black Flag“ jede Menge teils historische Persönlichkeiten ein, doch bleiben auch diese überwiegend blass, weil doch sehr einheitlich-brav. Den typischen Piratenführer kann man sich demnach als aufrichtigen Robin Hood der Karibik vorstellen, der sich vor allem Freiheit wünscht und die Monarchie verdammt. Plündern, morden, vergewaltigen und brandschatzen? Alles keine Eigenschaften der aufrichtigen Ubisoft-Piraten. Zwar wird auch in diesem „Assassin's Creed“ gemeuchelt bis zum Gehtnichtmehr – das eigentlich sehr raue, aggressive Setting wirkt in Summe aber doch überraschend harmlos.

Auf diesem Wege tragen auch die Furchtbar-nett-Piraten dazu bei, dass die im Vergleich zu den Vorgängern kompaktere Story nicht ihren vollen Sog entfalten kann. Allerdings muss man fairerweise sagen, dass die Ursache für die nicht immer richtig stringent wirkende Handlung nicht nur bei der Story selbst zu suchen ist – auch das neue Gameplay hat seine Auswirkungen.