EuGH: Sperrpflicht für Provider bei Urheberrechtsverletzungen?

Maximilian Schlafer
37 Kommentare

In einem heute veröffentlichten Schlussantrag (PDF) des Generalanwaltes am EuGH Pedro Cruz Villalón zur Rechtssache C-314/12 hat dieser die grundsätzliche Zulässigkeit gerichtlicher Maßnahmen bejaht, mit denen Internetprovidern eine konkrete Sperre von urheberrechtsverletzenden Webseiten aufgetragen wird.

Konkret ging es darum, dass die Münchner Constantin Film Verleih GmbH sowie die Wega Filmproduktionsgesellschaft mbH vom österreichischen Provider UPC verlangten, dass dieser seinen Kunden den Zugang zur Seite kino.to verweigern müsse. Zu diesem Zwecke begehrten sie eine einstweilige Verfügung gegen den Provider. Dieser ergriff Rechtsmittel und beschritt den Weg durch die Instanzen. Das nun mit dem Fall befasste österreichische Höchstgericht in Zivilsachen – Oberster Gerichtshof (OGH) – stand vor dem Problem, dass das hier einschlägige Unionsrecht einer Präzisierung und Auslegung bedurfte und rief daher Mitte 2012 den dafür ausschließlich zuständigen EuGH mittels Vorabentscheidungsersuchen (PDF) an.

Es ging dabei unter anderem um die Frage, ob ein Provider eine allgemein gehaltene – also nicht mit konkreten Aufträgen zur Art der Sperre versehene – gerichtliche Anordnung zwecks einer Sperre gegen sich gelten lassen und umsetzen muss. Ebenso stellte sich die Frage nach einer Abwägung der von dieser Art Anordnung betroffenen Grundrechte der Akteure (Provider, Nutzer, Urheberrechtsinhaber) und einer etwaigen Unverhältnismäßigkeit einer solchen Anordnung – was in letzter Konsequenz zu deren Ungültigkeit führen würde.

Im nun vorliegenden Schlussantrag des Generalanwaltes bejaht dieser die grundsätzliche Zulässigkeit solcher gerichtlicher Anordnungen, sofern sie ausreichend konkret formuliert sind – also etwa eine DNS- oder IP-Sperre vorsehen. Ein generelles und abstraktes Verbot wäre daher unzulässig. Außerdem sieht er vorerst keine „prinzipielle Unverhältnismäßigkeit[i]“ einer solchen Maßnahme, wobei hier die Aufgabe zur konkreten Abwägung der betroffenen Grundrechte (Eigentum beim Urheber[rechtsinhaber], Recht auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit des Nutzers/Kunden, unternehmerische Freiheit des Providers) ohnehin bei den nationalen Gerichten liege.

Er weist allerdings auch darauf hin, dass sich Rechteinhaber nach Möglichkeit primär an den eigentlichen Rechtsverletzer halten müssen. Erst wenn dieser nicht greifbar ist, kann gegen den Vermittler – also den Provider – vorgegangen werden.

Das bedeutet im Wesentlichen: laut seiner Rechtsansicht ist ein ausreichend klarer gerichtlicher Auftrag zur Sperre bestimmter, urheberrechtsverletzender Webseiten mit Unionsrecht vereinbar. In den meisten Fällen folgt der EuGH den Ansichten seiner Generalanwälte, wenn auch nicht immer. Der Schlussantrag ist daher nur als eine Art Indikator zu sehen, ihm kommt keine Rechtskraft zu. Zudem ist noch anzumerken, dass der EuGH hier nur eine Beantwortung abstrakter Rechtsfragen vornimmt, er entscheidet nicht den strittigen Fall selbst. Dies wird durch den OGH erfolgen, der dabei aber zwingend die Erkenntnis des EuGH beachten muss.

Der Verfahrensverlauf ist unter dem Aktenzeichen C-314/12 nachverfolgbar.