Deutsche Politiker hoffen immer noch auf No-Spy-Abkommen

Andreas Frischholz
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Ernüchterung gepaart mit wenig Lob und viel Skepsis – so reagierte der deutsche Politikbetrieb auf die Rede von US-Präsident Barack Obama. Die Begrenzung einiger NSA-Programme wertet Justizminister Heiko Maas (SPD) als „erste Schritte“, die bei ihm offenbar wieder Hoffnungen für das bereits abgeschriebene No-Spy-Abkommen wecken.

Erst „wenn wir ein rechtlich verbindliches Abkommen unterzeichnet haben, das die Daten aller Bürger schützt“, könne verlorenes Vertrauen wieder zurückgewonnen werden, sagte Maas der Bild am Sonntag. Wesentlich zufriedener wirkt Innenminister Thomas de Maizière (CDU). Obama habe eine „gute und wichtige Rede“ gehalten, sagte er im Interview mit dem ARD-Magazin Bericht aus Berlin und bezeichnet die Pläne für NSA-Reformen als Fortschritt.

Allerdings ähnelt die Haltung von de Maizière ohnehin der von Obama. Es wäre etwa falsch, sich allein auf die NSA zu fixieren, denn: „Der Schutz des Internets geht weit darüber hinaus, dass wir uns gegen übermäßige Ausforschung der NSA wehren.“ Andere Staaten würden „viel schamloser“ im Internet spionieren, so der Innenminister, der zudem vor Gefahren durch Cyber-Kriminelle und die Rolle der Geheimdienste in der Terrorbekämpfung betont.

Skeptisch zeigt sich de Maizière bei der Frage, ob ein No-Spy-Abkommen mit den USA noch zustande kommt. Da sei er unsicher, zumal so ein Abkommen nur Sinn ergeben würde, wenn es „wirklich Substanz hat“ – und nach aktuellem Kenntnisstand scheint die US-Regierung daran kein Interesse zu haben. Zuversichtlicher ist er allerdings, dass sich so ein Anti-Spionage-Pakt innerhalb der EU vereinbaren lässt.

Bessere Chancen für europäisches No-Spy-Abkommen

Dass die europäischen Geheimdienste über ein No-Spy-Abkommen verhandeln, berichteten in der letzten Woche die Süddeutsche Zeitung (SZ) und der NDR. So sollen die einzelnen EU-Staaten dazu verpflichtet werden, gegenseitig auf politische und wirtschaftliche Spionage zu verzichten. Außerdem soll unterbunden werden, dass Geheimdienste nur dann Daten von EU-Bürgern an einen anderen europäischen Dienst weitergeben dürfen, wenn dieser die Daten auch in seinem Land auf legalem Weg erhalten hätte.

Die Idee für ein innereuropäisches No-Spy-Abkommen stammt aus Berlin. Als im August bekannt wurde, dass der Bundesnachrichtendienst (BND) mit der NSA über den Anti-Spionage-Pakt verhandelt, wollten sich zahlreiche EU-Staaten daran beteiligen. Um die Verhandlungen mit den US-Diensten nicht unnötig zu erschweren, lehnte die Bundesregierung die Anfragen der EU-Partner ab. Stattdessen beauftragte Kanzlerin Merkel (CDU) den BND, eine „Vereinbarung gemeinsamer nachrichtendienstlicher Standards“ auszuhandeln, wie eine Regierungssprecherin gegenüber der SZ bestätigte. Bei den Zielen soll bereits weitestgehend Einigkeit herrschen, doch verschiedene EU-Staaten – allen voran Großbritannien – wollen kein förmliches Abkommen unterzeichnen. Nun prüfe man, eine gemeinsame Erklärung abzugeben.

Bundesregierung bleibt vage, Abgeordnete weiterhin skeptisch

Trotz all' der kritischen Stimmen über den Sinn und Zweck eines No-Spy-Abkommens, die Bundesregierung hält daran fest. Die Erfolgsaussichten haben sich durch Obamas Rede aber nicht verbessert: Das Abkommen sieht vor, gegenseitig keine Regierungsmitglieder auszuspionieren, während Obama lediglich einräumt, dass die NSA keine befreundeten Regierungschefs mehr abhören soll – und selbst diese Regel ist unter dem Vorbehalt der „nationalen Sicherheit“. Dennoch sagte Regierungssprecher Steffen Seibert, die Rede von Obama habe nichts an den Forderungen der Bundesregierung verändert. Weiterhin wolle man die Zusammenarbeit zwischen den Geheimdiensten in Deutschland und den USA auf eine neue rechtliche Grundlage stellen. Die Verhandlungen würden andauern.

Aus den Reihen der Parlamentarier bewertet es Grünen-Bundestagsabgeordneter Hans-Christian Ströbele positiv, dass Obama immerhin die internationale Kritik und Besorgnis an der NSA-Spionage zur Kenntnis genommen habe. Zufriedenstellend sei die Rede jedoch nicht gewesen, zu sehr habe der US-Präsident das Vorgehen der NSA beschönigt, so Ströbele in der Tagesschau.

Der EU-Abgeordnete Elmar Brok (CDU) sieht hingegen keinen Grund zu verhaltenem Optimismus: „Es gibt Zusagen, aber keine rechtlichen Verpflichtungen, die überprüfbar sind.“ Inhaltlich wäre kein Fortschritt zur bisherigen Überwachungspraxis zu erkennen. Illusionslos äußert sich auch CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach: Er ist nicht überzeugt, dass auf Seiten der US-Regierung und des Kongresses ein ernsthaftes Interesse besteht, „Art und Umfang der bisherigen Ausspähpraxis grundsätzlich zu ändern“.

Kritik von Bürgerrechtlern in den USA

Obama hatte am Freitag zwar angekündigt, innerhalb des Geheimdienstapparats mehr Kontrollmechanismen zu schaffen, um einen besseren Schutz der Privatsphäre zu ermöglichen, doch im Kern verteidigte er die Überwachungsinfrastruktur und das Vorgehen der NSA. Dementsprechend zwiespältig fallen auch die Reaktionen in den USA aus.

So erklärte Anthony D. Romero, Vorsitzender der Bürgerrechtsgruppe American Civil Liberties Union (ACLU), man begrüße einige der von Obama angestoßenen Entwicklungen. Dazu zählen etwa die stärkeren Kontrollmechanismen beim Geheimdienst-Gerichtshof FISC und die verstärkten Datenschutzbestimmungen für Nicht-US-Bürger. Äußerst kritisch bewertet Romero, dass die massenhafte Datensammlung weiterlaufe. Obama müsse die NSA-Programme stoppen, die Daten von sämtlichen US-Bürgern erfassen und speichern.

Ähnlich bewertet Steven W. Hawkins von Amnesty International USA die Ankündigungen von Obama. Dass der US-Präsident die Notwendigkeit anerkennt, die Privatsphäre von Menschen auf der ganzen Welt zu schützen, sei ein wichtiger Schritt. Doch dieser reiche nicht aus, um die erheblichen weltweiten Sorgen über die Massenüberwachung auszuräumen.

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