Thief in der Neuauflage im Test: Garretts gelungene Rückkehr

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Sasan Abdi
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Thief auf einen Blick

Ähnlich wie „Tomb Raider“ steht auch „Thief“ aufgrund seiner altehrwürdigen Tradition seit der Ankündigung unter besonderer Beobachtung. So stellte sich die ganze Zeit die Frage, wie die Entwickler mit dem Drahtseilakt umgehen würden, der immer gegeben ist, wenn ein heißgeliebtes Spiel der alten Schule in die Gegenwart portiert werden soll.

Dieser Drahtseilakt ist deswegen so heikel, weil viele Spieler nicht zu unrecht den Eindruck haben, dass Spiele früher fordernder und purer, dafür aber auch weniger dicht erzählt und cineastisch waren.

Konkret spürbar ist der Drahtseilakt bei den Spielmechaniken: Wie viel Automatismen und Trigger-Momente kann man den potentiellen Spielern zumuten? Und wie viel von diesen Automatismen sind im Jahr 2014 Pflicht?

Variabler Schwierigkeitsgrad

Eidos Montreal löst dieses Dilemma mit einem cleveren Trick. Statt das Ausmaß, mit dem der Spieler an die Hand genommen wird, vorzudefinieren, lassen die Entwickler den Spieler bei Bedarf überraschend detailliert selbst einstellen, wie sehr er gegängelt werden möchte.

Neben drei festen Schwierigkeitsgraden steht dazu ein eigener zur Verfügung, indem der Spieler nach Belieben festlegen kann, wie stark „Thief“ ihn fordern soll. So kann beispielsweise festgelegt werden, wie oft automatisch gespeichert wird, ob der den Weg weisende Fokus zur Verfügung stehen und wie viel der Händler für das Equipment des Meisterdiebs verlangen soll.

Durch diese Möglichkeit umschiffen die Entwickler geschickt die stets schwelende Automatismus-Diskussion, die gerade beim erwähnten „Tomb Raider“ durchaus umfassend geführt werden musste.

Spannende Ausgangslage, anfänglich schleppende Story

Hat der Spieler sich für einen Schwierigkeitsgrad entschieden, wird er in „die Stadt“ entlassen, die auch dieses Mal als Schauplatz in allen Missionen dient. In dieser bewegt man sich abermals in persona des Meisterdiebs Garrett durch die Gassen, der zumindest anfänglich in Anlehnung an die Vorbilder aus den alten „Thief“-Teilen angenehm unideologisch ist. Es mag das Elend um sich greifen, es mag Ungerechtigkeit an jeder Ecke zu sehen sein – Garrett will als Dieb der alten Schule nichts mit der Politik zu tun haben, sondern einfach nur gute Beute machen.

Dabei gäbe es für politisch Interessierte in der düsteren Stadt durchaus viel zu entdecken. Grundsätzlich setzt Eidos Montreal nämlich mit der auseinanderklaffenden Schere zwischen Arm und Reich auf ein hochaktuelles Thema. Da ist auf der einen Seite eine pervers reiche Minderheit, die in ihrem Luxus ersäuft; und da ist, auf der anderen Seite, das Gros der Bevölkerung, das von Hunger und von einer seltsamen Krankheit geplagt in den verdreckten Gassen dahinvegetiert.

Diese grundsätzlich spannende Ausgangslage würzen die Entwickler mit relativ abgenutzten Details. Zu diesen gehört allen voran, dass die beiden Lager von zwei auf den ersten Blick reichlich stereotypen Charakteren angeführt werden. Einem charismatischen und guten Revoluzzer mit Sozialarbeiter-Allüren steht ein faschistoider Machthaber gegenüber, der nur „der Baron“ genannt wird – und der selbstredend furchtbar dunklen Machenschaften nachgeht.

Klar, dass Garrett in dem Konflikt schnell zwischen die Fronten gerät. Schade ist dabei aber, dass der Spieler nicht selbst entscheiden kann, welcher Seite er angehören möchte. Zwar passt es eigentlich nicht zum traditionell nur am Profit interessierten Garrett, Partei zu ergreifen. Die Vorstellung, welche spielerischen und erzählerischen Möglichkeiten mit einer richtigen, an unterschiedliche Spielverläufe gebundenen Parteinahme zusammenhängen, ist aber überaus verlockend.

Thief im Test
Thief im Test 

Diesen Weg geht Eidos Montreal zugunsten einer linearen und dafür potentiell dichteren Erzählung aber nicht. Stattdessen garnieren die Entwickler die beschriebene Meta-Ausgangslage mit zwei spezifischeren Aspekten, die aber miteinander und direkt mit der eigentlichen Story zusammenhängen. Da ist, erstens, eine dezente metaphysische Ebene und zweitens eine Frau namens Erin, die im Prolog reichlich abrupt als Garretts Ziehtochter eingeführt wird und ihn in den ersten Minuten als Gegenstück zum umsichtigen Meisterdieb ziemlich auf Trab hält.

Nun kann man „Thief“ nicht ohne Grund vorhalten, bei den Grundfesten aus dem bekannten Arsenal von Erzählpuzzlen zu schöpfen, ohne dabei großartig eigene Akzente zu setzen. Und in der Tat wirkt die klassische Protagonist-Antagonist-Schiene – auch wenn sie im Verlauf des Spiels an Deutlichkeit verliert – abgenutzt; zudem ist es nicht sonderlich innovativ, einem bodenständigen Helden einen pfiffigen weiblichen Sidekick beiseite zu stellen. Das hat unter anderem in „BioShock Infinite“ schon ganz hervorragend funktioniert.

Trotzdem kann man den Entwickler zugute halten, dass durch die vielen Elemente ein sehr facettenreicher Plot entsteht, der schon allein aufgrund seiner variierenden Mysterien dafür sorgt, dass man gerne bei der Fahnenstange bleibt.

So ist dann auch zu verzeihen, dass die Vielschichtigkeit der Geschichte in den ersten zwei, drei Stunden für einen schleppenden Start sorgt, bei dem sich immer wieder die Frage stellt, weshalb man jetzt das gerade aktive Ziel verfolgt – und zu welcher der genannten Facetten das gegenwärtige Ziel eigentlich gehört.