Crytek-Mitarbeiter bestätigen Finanznöte

Max Doll
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Verschiedene Berichte in den vergangenen Tagen legten nahe, dass Crytek zumindest Anfang diesen Jahres in Zahlungsschwierigkeiten geraten ist. Obwohl das deutsche Entwicklerstudio gegenüber ComputerBase diese Meldungen dementierte, erhalten die Gerüchte weitere Nahrung.

Mittlerweile bestätigen auch Eurogamer und Kotaku aus eigenen Quellen, dass Mitarbeiter des Studios in England Boni und Gehälter seit Mitte des letzten Jahres mehrfach erst mit Verspätung, nicht oder nicht in vollem Umfang erhalten haben. Die zahlreichen Aussagen aus verschiedenen Quellen verleihen den Gerüchten, obgleich offiziell dementiert, erhebliches Gewicht.

Die Angestellten, die trotz des Bemühens des Studios um Stillschweigen über die gegenwärtigen Probleme nun an die Öffentlichkeit gegangen sind, seien seit längerem unzufrieden, heißt es, auch weil mit den Problemen nicht transparent umgegangen werde und sich Zahlungen teils kommentarlos verspäten. Weitere Aussagen zeichnen ein düsteres Bild: Arbeitsumfeld, bürokratisierte Prozessabläufe und die interne Kommunikation im Allgemeinen gehören zu den Punkten, die den befragten Mitarbeitern sauer aufstoßen. Auf besonderes Unverständnis soll gestoßen sein, dass Crytek Angestellte verspätet bezahlt, aber für hochrangige Mitarbeiter und teure Flüge, Stühle und Gadgets sorglos Geld ausgegeben habe.

Anstatt sich auf die Stärken des Unternehmens zu konzentrieren, wozu die Engine und innovative PC-Spiele zählen, sind wir einfach zu jedem „Next big thing“ der Industrie gesprungen. Mit der Ausnahme, dass wir jedes mal ein bisschen zu spät waren und den Wettbewerben hinterher gerannt sind. Es gibt derzeit kein Konzept einer Identität und ich glaube, dass das Mitarbeiter und Fans frustriert.

Crytek-Mitarbeiter

Auch wenn das Unternehmen wie von Avni Yerli angekündigt an frisches Kapital gelangt sein soll, mussten Mitarbeiter auch weiterhin auf ihr Gehalt warten, Vertröstungen und Durchhalteparolen gebe es seit Monaten. Wie Kotaku berichtet, hat Microsoft zudem die Arbeiten an dem ebenfalls von Crytek entwickelten „Ryse 2“ einstellen lassen – wenngleich der Konzern dies nicht offiziell bestätigen wollte – und damit zur Verschärfung der finanziellen Lage beigetragen.

Für die Lage verantwortlich machen die Entwickler, dass nicht mehr Qualität, sondern kurzfristige Verkaufszahlen in den Vordergrund gerückt sind. Es fehle an einer klaren Strategie und einem Konzept, Entscheidungen würden nicht umgesetzt, Studios teils völlig ungebunden und fern der Vorgaben agieren – dem Tenor nach existiert keine Kohärenz und keine Vision für die Zukunft. Auch sei die im letzten Jahr angesetzte Free-to-Play-Strategie ein unausgegorener Schnellschuss und für große Studios kaum tragbar, der Ego-Shooter Warface außerhalb Russlands ein Fehlschlag.

Mittlerweile sollen bereits 30 Mitarbeiter, zum Teil aus Schlüsselpositionen, das Studio verlassen haben. Insgesamt habe das Unternehmen sogar geschätzte 100 Angestellte verloren. Ein Teil arbeitet nun statt bei Crytek an Homefront: The Revolution bei Cloud Imperium an Star Citizen, das ebenfalls auf der CryEngine basiert. Sowohl aufgrund der Attraktivität des erfahrenen Personals für andere Unternehmen als auch aufgrund der laut den Berichten mittlerweile schlechten Stimmung wirft die resultierende Personalfluktuation Schatten auf die Zukunft und die Qualität des für 2015 angekündigten Homefront-Nachfolgers.