Bayonetta 2 im Test: Eines der besten Spiele dieses Jahres
2/3Spektakel²
Übersättigt mit Bombast und zu Beginn schnell übergroßen Gegnern, die den Bildschirm gerne zum guten Teil füllen, wird einem dabei etwas die Übersichtlichkeit genommen. Dass diese Opfer nach Prügeleinlagen per Climax-Finisher von dämonischen Kreaturen zerrissen, verschlungen und kaputtgespielt werden, macht selbst ihren Abgang zu kreativen Ausrufezeichen. Dass sich die Hexe bei der Beschwörung ihrer Verbündeten weitgehend entblößt, verquickt das Ganze obendrein mit einem Gemenge aus Sex, Macht und Gewalt, dem klassischen Unterhaltungstrio in Bayonetta-typisch unberechenbarer Konfiguration. Ein Teil der Faszination entspringt weiterhin der Unbestimmbarkeit der Welt, die Schwerkraft, Perspektive und Objektverhalten immer wieder nach Belieben manipuliert.
Kurzum: Es fehlt nicht an Höhepunkten, sondern deren Präsentation, ergo den Momenten der Ruhe und dem langsamen Hinarbeiten auf einen echten Klimax, das gute, alte Kanonenfutter ohne eingeblendeten Lebensbalken. Bosse fast schon in Reihe zu schalten, entpuppt sich nicht als die beste Idee der Spieleschmiede, vielleicht ein Casual-Zugeständnis: Wer regelmäßige Pausen macht, spürt davon weit weniger als jemand, der größere Teile am Stück spielt. So hat man zwar ein mitreißendes Spiel geschaffen, den perfekten Fluss aber nicht getroffen – auch wenn manch ein Nutzer den geringeren Anteil von herkömmlicheren Kämpfen begrüßen wird. Mit der erstaunlichen Qualität wird insgesamt jedoch geradezu achtlos umgegangen.
Teil des Problems ist die Geschichte: Freundin und Kohexe Jeanne aus der Hölle zu retten, stellt als Klammer und Rahmen nur wenig Kohärenz bereit, gerade was die zu Beginn präsentierten Charaktere betrifft. Das Roadmovie in den Höllenschlund wird völlig nachrangig behandelt, und auch der neue Begleiter, eine Mischung aus vorlautem Kind und Zaubergnom, bleibt blass. Hier wäre speziell auf Metaebene mehr möglich gewesen, was Bayonetta 2 nur anzudeuten vermag. Stattdessen konzentriert sich der Titel etwas einseitig auf die Charaktere, deren Relevanz für den Unterhaltungswert durch die Präsentation in Einzelbildern während der Zwischensequenzen unterstrichen wird. Stalker und Freund Cheshire will sich in seine Slapstick-Rolle allerdings nicht recht einfügen. Die Weiterentwicklung der alten Bekannten setzt zudem idealerweise Kenntnis des Vorgängers voraus.
An und für sich ist die Fortsetzung ein wirklich gutes Spiel, das hervorragend unterhält. Den Abgang des Neuigkeitswertes mit noch mehr Bombast zu füllen, klappt anfangs aber nicht und kommt erst nach einer Orientierungsphase wieder in Schwung – vor allem, wenn die Engel, deren Artdesign trotz aller Bemühungen kein gänzlich Unbekannter mehr ist, durch höllische Kontrahenten getauscht werden. Im schnellen Wechsel zwischen Himmel und Hölle gelingt es, ein wirklich prägnantes Element zu schaffen.
Dabei ist es unmöglich, allein die überbordende Kreativität des Artdesigns nicht zu schätzen zu wissen. Man muss den Hut vor dieser Ideenvielfalt ziehen, auch wenn sie in ihrer schieren Anzahl ertrinkt – Platinum schafft ein überfülltes Wunderland. Erst nach gut der Hälfte der Kapitel findet Bayonetta 2 endgültig zur Orientierung, ergo ganz zu alter Form zurück. Bis dahin steigt auch der anfangs seichte Schwierigkeitsgrad auf ein akzeptables Niveau. Generell fällt jedoch auf, dass Platinum Games die Hürden etwas zurückgeschraubt hat, was das Absolvieren eines Levels weniger stark gewichtet, als das Erreichen von Highscores in den Bewertungen nach jeder Arena.
Charakterkopf
Die Faszination der Protagonistin bleibt ohnehin ungebrochen. Die Grenzüberschreitung, das Spiel mit der Sexualität und Rolle in Präsentation einerseits und dem sich der Sexualisierung spielerisch entziehenden Charakter andererseits trifft Platinum Games bis hin zu den erotisierenden Lutscher-Power-ups gekonnt. Das ganze Universum gerät ebenso überzogen wie ernst, ebenso abgedreht wie in sich stimmig. Dazu gesellt sich das hervorragende Kampfsystem, das einfach zu lernen, aber in seinen Feinheiten nur schwierig zu beherrschen ist und Bayonetta von Buttonsmashern positiv abgrenzt.
Die Ausführung passender Kombos und einer zeitlich perfekten Rolle, welche per „Witch Time“ Gegner kurzzeitig einfriert und schnell überlebensnotwendige Bedeutung erlangt, bleibt von essentieller Wichtigkeit, wobei sich das System in wesentlich leichter erreichbaren „Muspelheim“-Herausforderungen oder dem Ladebildschirm einüben lässt. Dabei kommt den zusätzlich freigeschalteten Waffen nun eine taktisch größere Bedeutung zu. Untermalt von stimmigem Pop, bleiben die flüssigen Kämpfe ein Erlebnis und zentrales Standbein des Konzeptes. Nur die kurzen Sequenzen unter Wasser und in der Luft durchbrechen das flüssige Muster – ihnen fehlt die Räumlichkeit.
Perfektes Spiel wird nicht nur mit dem Überleben und Punkten in der Endabrechnung, sondern mit gefüllter Magieleiste belohnt. Die kann wie gehabt für fiese Folterangriffe genutzt oder neuerdings für einen „Umbran Climax“ ausgegeben werden, der Angriffe durch besonders starke Versionen ersetzt – gegen Kanonenfutter ein effektiver Aufräumer. Gutes Abschneiden in den Gefechten belohnt Bayonetta mit zusätzlichen Halos, der Spielwährung. Die darf in neue Angriffe und Extras wie Kleidung investiert werden. Punkte, Boni und Währung lassen so neben dem Spiel an sich einen zusätzlichen Motivationsfaktor entstehen: den Wunsch, so gut wie möglich abzuschneiden – was den Blick automatisch auf die Vorzüge der Spielmechanik richtet und zu steter Verbesserung motiviert.
Auf der Wii U macht der Titel an sich eine gute Figur und sieht stellenweise richtig hübsch aus – vor allem Licht und Wasser überdecken, dass die Texturen bisweilen nicht sehr knackig sind. Die Bildwiederholrate wird erst bei 60 fps begrenzt, sinkt in Kämpfen aber meist schnell auf 40 Bilder pro Sekunde. Das Gamepad der Spielkonsole wird allerdings lediglich genutzt, um eine Touch-Steuerung zu implementieren. Zwar funktioniert die Umsetzung gut, durch die verlorene Präzision, den gesenkten Schwierigkeitsgrad und das kleine Display kommt aber keine Freude auf.
Mehrspieler-Aufsatz
Zu den Erweiterungen der ursprünglichen Formel gehört der kooperativ-kompetitive Mehrspielermodus „Tag Climax“. Hier treten zwei Spieler in Arenen zum Kampf um Punkte an, der Sieger erhält im Anschluss einen stattlichen Bonus. Die Schwierigkeit kann per Wette modifiziert werden. Ausgezahlt wird allerdings erst, wenn alle sechs Arenen in Folge durchlaufen sind – Scheitern setzt den Fortschritt und alle Gewinne zurück, den Wetteinsatz kassiert die Bank.
Bei den Szenarien handelt es sich um Sequenzen aus der Kampagne, also bekanntes Material, das dort auch freigeschaltet werden muss. Die Zusammenstellung obliegt den beiden Spielern, ist also nicht starr vorgegeben. Besonders kooperativ geht das Ganze nicht zu, der freundliche Wettstreit um Punkte und Währung ist durch die Möglichkeit zur Auswahl der schönsten Stellen des Spiels aber eine interessante Methode, um das nötige Kleingeld zur Freischaltung von Kostümen und Gegenständen zu verdienen.
Daraus ergibt sich eine nette Evolution des Highscore-Wettstreits und des Anreizes, die Controller-Steuerung perfekt zu beherrschen. Das System ist an sich zwar keine Offenbarung, unterstreicht aber Stärken des Titels – wenn es nicht überaus schwierig wäre, über das Matchmaking Mitspieler zu finden. Zwar lässt sich während der Wartezeit mit einem Prozessorpartner loslegen, ein Direkteinstieg aber führt zum Abbruch der Sitzung. Der Verlust des erreichten Fortschritts schmerzt in der Regel und führt dazu, die Anfragen der im Hintergrund laufenden Spielersuche zu ignorieren.