Far Cry 4 im Test: Mit mehr Hirnschmalz im fantastischen Himalaya

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Sasan Abdi
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Auf einen Blick

Die Frage nach „Far Cry 3.5“ ist natürlich bitterböse, unterstellt sie doch, dass die Entwickler die Strahlkraft ihrer Marke dazu missbrauchen, um in „play it safe“-Manier alten Wein in neuen Schläuchen an den Mann oder die Frau zu bringen. Fragte man die Entwickler im Vorfeld der Veröffentlichung etwas vorsichtiger formuliert, was „Far Cry 4“ denn in Abgrenzung zu den Vorgängern besonders machen würde, kam wie aus der Pistole geschossen: „Das Setting!“ Und tatsächlich bringt der neue Himalaya-Rahmen einige Implikationen mit sich.

Doch das Setting ist nur ein Standbein des Spiels. Bei anderen wichtigen wie der Story bleibt trotz einer neuen Erzählung doch vieles beim Alten.

Neue alte Story, gute Präsentation

Deutlich wird dies, wenn man sich die wichtigen Charaktere von „Far Cry 4“ (FC 4) vor Augen führt. Da ist allen voran der neue Held Ajay Ghale, der hervorragend ein Kumpel von Jason, dem Protagonisten aus dem Vorgänger, sein könnte. Genauso wie Jason ist auch Ajay (zumindest anfänglich) eher unbedarft. Und genauso wie Jason wird auch Ajay zufällig zu einem Teil von etwas Größerem.

Immerhin ist Ajays ursprüngliche Motivation etwas heroischer als die von Jason, der in „Far Cry 3“ einfach nur am Strand chillen wollte und dann in den Schlamassel seines Lebens geriet. Ajay hat es dagegen in den abgelegenen fiktiven Himalaya-Staat Kyrat verschlagen, weil er die Asche seiner Mutter an einem ganz speziellen Ort verstreuen möchte. Und das aus einem handfesten Grund: Seine Eltern stammen aus dem malerischen Land und mussten fliehen, weswegen er im Exil in den USA aufwuchs.

Diesem kleinen Kniff liegen einige inhaltliche Verbindungen zugrunde. Vor Ort angelangt, muss Ajay nämlich feststellen, dass seine Eltern nicht irgendwelche Kirati waren. Vater und Mutter gründeten den Goldenen Pfad, eine Untergrundorganisation, die sich auf die Fahnen geschrieben hat, den irren Herrscher Pagan Min aus dem Land zu jagen. Durch diese Verbindung ist es einigermaßen glaubwürdig, dass Ajay schnell zur Hoffnung der Rebellen wird, auch wenn der Sohn der ursprünglichen Revolutionsführer sich zunächst etwas ziert.

Diktator Pagan Min ist wiederum das, was in „Far Cry 3“ der Pirat Vaas war: Ein unberechenbarer, heimtückischer, aber doch irgendwie witzig-charmanter Psychopath, der ständig zwischen Gewaltausbruch und Liebesbekundung schwankt und der seine Gedanken in jedem Fall in ausschweifende Monologe verpackt. Mit dreckigen Methoden an die Macht gekommen, herrscht Min wie ein irregewordener König mittels eines hochgerüsteten Militärs über Kirat.

Etwas komplexer wird diese Unterteilung in gut und böse dadurch, dass Min mit Ajay irgendwie in Verbindung steht. Und auch die Betonung, er sei nicht immer so gewesen, gibt Anlass zum Nachdenken. Diese große Unbekannte ist wichtig, weil sie dazu führt, dass die Story im Detail dann trotz der ähnlichen Konstellation wie im Vorgänger interessiert. Was hat es mit Min auf sich? Welche Rolle spielten Ajays Eltern? Und was muss getan werden, um das geschundene Land und die Menschen zu retten? So lauten die Fragen, die den Plot von „Far Cry 4“ unterm Strich ganz ordentlichen antreiben.

Verstärkt wird dieser positive Effekt durch eine saubere Inszenierung, zu der gute Dialoge, viele Videosequenzen und glaubwürdige, teilweise sogar einigermaßen komplexe Nebencharakter gehören. Auf diesem Wege wird der Spielinhalt, der in einer „Sandbox“ ja immer auseinanderzulaufen droht, nicht nur zusammengehalten. Er ist auch maßgeblich dafür verantwortlich, dass wir trotz der vielen bekannten Elemente in der Erzählung und Erzählmechanik gerne bei der Fahnenstange geblieben sind und die Missionen der Hauptkampagne überwiegend als echte Highlights empfunden haben.

Fantastisches Setting, schöne Spielwelt

Psychpath auf der einen, charakterlich flacher Held auf der anderen Seite: Die grundlegenden Koordinaten der FC-4-Story sind ganz offensichtlich ohne jede Scham aus dem Vorgängern übernommen worden. Und trotzdem hat die Geschichte ihren eigenen Drive und lockt mit eigenen kleinen Mysterien.

Flankiert wird dieser positive Eindruck von einem wunderbar unverbrauchten Setting. Wir können uns nicht entsinnen, jemals von einem Videospiel ins Himalaya-Gebirge geschickt worden zu sein. Dabei hat ein solcher Rahmen viele Vorzüge, zu denen allen voran die Vielfalt der Schauplätze gehört. Zu malerischen Gebirgszügen, Gletschern und Schluchten gesellen sich Bergseen und in tieferen Lagen karge Wälder, gepflegte Reisterassen und geduckte Siedlungen.

Hinzu kommt, dass das Erhabene der Berge, der buddhistische Touch und die dünne Luft auch gut für das dienen, was „Far Cry“ von jeher immer mittransportiert hat: Eine zweite, metaphysische Ebene, die auch dieses Mal etwas von einer Mischung aus Gotterfahrung und Drogentrip hat.

Eine für die Bewertung wichtige Erkenntnis ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Entwickler offensichtlich mehr Hirnschmalz und Zeit in die Belebung dieser Landschaft investiert haben. Gefühlt finden sich in „Far Cry 4“ weniger Tiere in den Umgebunge, als noch im Vorgänger, in dem der Spieler keine drei Meter laufen konnte, ohne über ein mindestens katzengroßes Lebewesen zu stolpern.

Und trotzdem wirkt Kirat alles andere als tot: In den Bergseen tummeln sich Fische, in tiefer liegenden Gebieten trifft man – geografisch/biologisch nicht ganz korrekt – auf Affen und große Säuger wie Nashörner und Elefanten und natürlich gehören auch allerlei Raubtiere wie Tiger, Leoparde und Adler zum Repertoire der Tierwelt.

Auf dieser Grundlage ist das Setting tatsächlich wie versprochen der große Trumpf von „Far Cry 4“.