Oculus Rift DK 2 im Test: Die Zukunft ist hier und sie beeindruckt nachhaltig

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Andreas Schnäpp
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Oculus VR

Der aktuell erhältliche, jedoch ausschließlich für Entwickler gedachte „Dev-Kit-2“-Prototyp von Oculus VR wurde im März dieses Jahres auf der GDC 2014 vorgestellt. Die verbaute Display-Einheit kam ebenfalls im Samsung Galaxy Note 3 zum Einsatz und stellt das Bild mit 75 Hz in Full HD dar, wobei die Bildschirmfläche in der Mitte geteilt und für jedes Auge einzeln gerendert wird.

Oculus Rift Dev-Kit 2

Die Ersteinrichtung gestaltet sich dabei denkbar unkompliziert: Das DK2 wird mittels eines HDMI- und USB-Kabels mit dem Computer verbunden, wobei zwischen der VR-Brille und dem Rechner eine streichholzschachtelgroße Box hängt, in die das USB-Kabel der Tracking-Kamera sowie das Kabel zur Stromversorgung münden. Um das DK2 unter Windows nutzen zu können, wird eine aktuelle Oculus-Laufzeitumgebung benötigt, die wiederum weitere Funktionalitäten zur Kalibrierung und Anpassung der VR-Brille mitbringt.

Oculus Configuration Utility (OCU)
Oculus Configuration Utility (OCU)
OCU – (erweiterte Optionen)
OCU – (erweiterte Optionen)
OCU – Auswahl des Displaymodus
OCU – Auswahl des Displaymodus

So muss für jeden Nutzer der VR-Brille ein eigenes Profil angelegt werden, bei dem die Größe des Spielers, das Geschlecht sowie im weiteren Verlauf seine Interpupillardistanz (IPD) angegeben werden sollten. Letztgenannte wird wahlweise vom Konfigurationsprogramm erfasst, indem der VR-Nutzer seinen wahrnehmbaren Sichtbereich in einer kurzen Messsequenz anhand von vier grünen Linien am Rande des persönlichen Sichtfelds definiert. Die Ergebnisse, die das Oculus Configuration Utility dabei ermittelt, sind erstaunlich genau und lagen im Fall des testenden Redakteurs keine 2 Millimeter von den Werten entfernt, die eine Vermessung beim Optiker nur wenige Tage vorher ergab – was wiederum im Rahmen der Messtoleranz liegt.

In der aktuellen Version der Oculus Runtime (Stand zum Testzeitpunkt: v0.4.4-beta) ist es zudem nötig, die verwendeten Linsen (Set A: für normalsichtige und leicht kurzsichtige Nutzer/Set B: stark kurzsichtige Nutzer) auszuwählen sowie den Abstand zu den Augen, der mittels zwei seitlich an der VR-Brille angebrachter Drehregler angepasst werden kann, manuell anzugeben. Vor dem Überspringen der Kalibrierung an den jeweiligen Nutzer warnt Oculus ausdrücklich, denn nicht nur ein verschobenes oder verzerrtes Bild wäre die Folge, sondern auch daraus resultierend mögliche Kopfschmerzen oder Übelkeit.

Ist die VR-Brille erst mal eingerichtet, empfiehlt es sich, sich langsam an die eigene VR-Toleranz heranzutasten. Die frei erhältliche Tuscany-Demo, basierend auf Unity, ist ein guter Ansatzpunkt, um sich an VR zu gewöhnen und zugleich das präzise Head-Tracking zum ersten Mal „live“ zu erleben: Anhand einer Vielzahl von Infrarot-LEDs, die für das menschliche Auge unsichtbar in der Front und an den Seiten des DK2 verteilt sind, liest der dazugehörige Tracking-Sensor, der einer kleinen Webcam ähnelt, die Kopfposition des Spielers aus. Beim „Crescent-Bay“-Prototypen, dem nicht käuflich erwerbbaren Nachfolger des DK2, wurde die „tote Zone“ an der Rückseite des DK2 ausgemerzt: Zukünftige VR-Brillen aus dem Hause Oculus setzen, wie auch Sonys Prototyp, auf 360°-Head-Tracking. Oculus VR äußerte sich bisher zwar nie zu einem voraussichtlichen Veröffentlichungstermin der „Consumer-Version 1“, jedoch soll diese bei Marktreife im Preisbereich von 200 bis 400 US-Dollar liegen.

Im Abschnitt Anwendungsgebiete fassen wir unsere Eindrücke aus den interessantesten, aktuell verfügbaren VR-Demos und Spielen für das DK2 zusammen. Im Anhang findet sich zudem eine tabellarische Auflistung mit weiterführenden Links zu den entsprechenden Projekten.

Oculus Rift Development Kit 2
Display Auflösung 960 × 1.080 pro Auge
Bildwiederholraten 75 Hz, 72 Hz, 60 Hz
Persistence 2 ms, 3 ms, full
Sichtfeld 100°
Schnittstellen HDMI 1.4b, USB 2.0
Tracking (intern) Sensoren Gyroskop, Accelerometer, Magnetometer
Update-Rate 1.000 Hz
Tracking (extern) Sensoren „Near-Infrared-CMOS-Sensor“
Update-Rate 60 Hz
Gewicht ca. 440 g (ohne Kabel)
Zubehör HDMI-zu-DVI-Adapter, Netzadapter, internationale Stromstecker, Linsenabdeckungen, Linsenreinigungstuch

Project Morpheus

Während Oculus VR sich, zumindest bisher, auf die Funktionalität der VR-Brille konzentriert und das potentiell harte Problem der VR-Steuerung anderen Entwicklern überlässt (siehe Abschnitt VR-Steuerungskonzepte), lässt Sonys Prototyp schon jetzt erahnen, wohin die Reise führt.

„Project Morpheus“-Prototyp
„Project Morpheus“-Prototyp (Bild: Sony)

Ähnlich wie beim „DualShock-4“- sowie „Move“-Controller der PlayStation 4 sind auch an Sonys VR-Prototypen leuchtende Punkte angebracht. Die Bestimmung der Controller- sowie Spielerposition im Raum wird von der PlayStation-Kamera bewerkstelligt, die aufgrund ihrer zwei Objektive dafür ausgestattet ist, räumliche Tiefe in einem 85°-Radius vor sich zu erfassen. So demonstrierte Sony auf der gamescom 2014, wie zwei Move-Controller in einem virtuellen Holodeck-Stil zur Erfassung der Armbewegungen genutzt werden können oder virtueller Faust- und Schwertkampf aussehen könnte. Im Ersteindruck konnte Project Morpheus unseren Autor Max Doll begeistern.

Das Thema Virtual Reality wird zumindest auch bei Sony so schnell nicht mehr von der Bildfläche verschwinden. Nach Aussagen des Konzerns befand sich „Project Morpheus“ zum Zeitpunkt der Ankündigung schon seit knapp vier Jahren in Entwicklung. Den Herausforderungen und Anforderungen sowie frühen Erkenntnissen der VR-Spieleentwicklung widmete Sony auf der GDC 2014 gleich zwei äußerst interessante Vorträge.

Aus der Perspektive unabhängiger Entwickler scheint „Project Morpheus“ keine allzu große Umstellung zu erfordern: In einem Interview mit RoadtoVR beschreibt Justin Moravetz, Entwickler von Vanguard V, die VR-Entwicklung für die PlayStation 4 als „nicht allzu schwer“. Gerade einmal 16 Stunden habe er für die Portierung seines Oculus-Rift-Titels auf die PS4 benötigt. Aufgrund der Unity-Spiel-Engine sei der Entwicklungsprozess „unkompliziert“ und unterscheide sich nur in Kleinigkeiten von der Entwicklung für Oculus. Dabei lobt er insbesondere die von Sony bereitgestellten Entwicklerwerkzeuge für Unity und den Komfort, den Morpheus aufgrund seiner Konstruktion für Brillenträger bietet: Im Gegensatz zum aktuell erhältlichen Oculus-VR-Prototypen muss für Project Morpheus die eigene Brille nicht vor der Benutzung abgesetzt werden, um keine Kratzer in den Linsen der VR-Brille zu riskieren.

Sonys Ansatz für VR soll nach dem „Plug-&-Play“-Prinzip funktionieren: Das eigene Konsolen-Ökosystem mit bekannter Hardware und verfügbaren Steuerungskonzepten soll Entwicklern als auch Spielern den Einstieg in die virtuelle Realität erleichtern. Mit dem Schritt, sich auf eine einzelne Zielplattform zu beschränken, hält Sony die Anzahl der unbekannten Variablen, die bei der VR-Entwicklung Probleme bereiten könnten, auf einem Minimum. Wie Sonys VR-Hardware letztendlich in finaler Form aussieht, wird die Zukunft zeigen – wie diese voraussichtlich gesteuert wird, lässt sich schon heute erkennen.

Spezifikationen des ersten „Project-Morpheus“-Prototypen (Stand: März 2014)
Display-Technik LCD
Panel-Größe 5 Zoll
Panel-Auflösung 1.920×1.080 (960×1080 pro Auge)
Sichtfeld 90 Grad
Sensoren Beschleunigungsmesser, Gyroskop
Schnittstelle HDMI + USB
Funktionen 3D-Audio, Social Screen