Oculus Rift DK 2 im Test: Die Zukunft ist hier und sie beeindruckt nachhaltig

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Andreas Schnäpp
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Mobile VR-Konzepte

Nie hatten mehr Menschen die Möglichkeit, Virtual Reality in den eigenen vier Wänden zu erleben, als heute. Einer der Gründe dafür ist Googles VR-Offensive unter dem Namen „Cardboard“: Da ohnehin nahezu jeder Smartphone-Nutzer mit einem hochauflösenden Display in der Hosentasche herumläuft, fehlt im Grunde genommen nur eine VR-Halterung mit zwei Linsen zum kostengünstigen Einstieg in die virtuelle Realität.

Ursprünglich im Rahmen von Googles „20-%-Programm“ entstanden, bei dem Mitarbeiter selbstbestimmt 20 % ihrer Arbeitszeit eigenen Projekten und Ideen widmen dürfen, vermeldete Google Anfang Dezember, dass über 500.000 Einheiten des schon ab 20 US-Dollar erhältlichen VR-Preisbrechers an Kunden ausgeliefert wurden. Mit der dazugehörigen Cardboard-App (Google Play) können unter anderem virtuelle Touren mit Google Earth unternommen, YouTube-Videos im virtuellen Kinoformat angesehen oder 360°-Fotos betrachtet werden. Eine Auswahl von Cardboard-kompatiblen Anwendungen listet Google in der entsprechenden „Featured-Apps“-Kategorie.

Google Cardboard
Google Cardboard (Bild: Google)

Cardboard richtet sich damit in erster Linie an VR-Interessierte, die so günstig wie möglich ein Gefühl dafür bekommen möchten, wie sich „sanfte“ VR-Erlebnisse anfühlen. Zwar strömen mittlerweile immer mehr VR-Apps auf Google Play, für leistungsintensive VR-Erlebnisse wie grafisch aufwendige Spiele sind aktuelle Smartphones jedoch größtenteils schlichtweg nicht gewappnet.

Neben Googles kostengünstigem VR-Experiment drängen nach und nach weitere Hersteller mit eigenen VR-Smartphone-Halterungen auf den Markt, die nach einem ähnlichen Grundprinzip funktionieren. Nur wenige Euro über dem Preis von Google Cardboard angesiedelt, bieten die „Archos VR Glasses“ eine anpassbare Smartphone-Halterung im Kunststoff-Look.

Archos VR Glasses

Das Zeiss VR One soll auch für Brillenträger geeignet sein und bietet Tray-Einschübe für das Samsung Galaxy S5 sowie das iPhone 6. Nutzer sollen zukünftig mittels 3D-Druckvorlagen Trays für weitere Smartphones anfertigen können. Für das VR One wird ein separates SDK zur App-Entwicklung angeboten, wobei zum aktuellen Zeitpunkt nur wenige VR-Apps verfügbar sind.

Zeiss VR One

Um VR jedoch wirklich genießen zu können, sollte die verwendete VR-Hardware unter anderem über eine möglichst hohe Auflösung verfügen, die zudem mit einer stabilen Bildwiederholrate und niedriger Latenz arbeitet. Andernfalls zieht das Bild bei Kopfbewegungen des Nutzers Schlieren, ruckelt oder hinkt der Bewegung merkbar hinterher, was wiederum Simulatorkrankheit verursachen kann.

Samsung Gear VR

Um diesen Problemen zuvorzukommen, arbeitete unter anderem John Carmack bei Oculus VR in Kooperation mit Samsung an einer optimierten VR-Plattform, dem jüngst in den USA veröffentlichten Samsung Gear VR. Im Unterschied zu Google Cardboard und den mittels Cardboard-SDK entwickelten Apps, müssen Anwendungen für das Gear VR mit dem von Oculus bereitgestellten, proprietären Mobile SDK entwickelt werden, um eine Chance darauf zu haben, im Oculus-Store gelistet zu werden. Vor der Freischaltung in Oculus' geschlossenem App-Ökosystem wird jede Anwendung geprüft, ob sie bestimmte VR-Qualitätskriterien (PDF) erfüllt, worunter unter anderem eine konstante Performance mit stabiler Framerate zu jedem Zeitpunkt während der Ausführung im VR-Modus gehört.

Darüber hinaus enthält das Oculus-Mobile-SDK Funktionen für Entwickler, die direkt auf hardwarenahe Systemfunktionen zugreifen können, ohne den Zwischenstopp des Android-Betriebssystems passieren zu müssen. Diese tiefer greifenden Zugriffsrechte sind zudem der Grund, wieso jede Anwendung vorher den Zertifizierungsprozess von Oculus durchlaufen muss. So haben Entwickler beispielsweise Zugriff auf das „Power State Level Handling“ des Galaxy Note 4, um selbstständig die benötigten Taktraten für CPU und GPU an die Leistungsanforderungen ihrer VR-Anwendung in verschiedenen Stufen anzupassen. Dies sei laut Carmack nicht nur aus Gründen der Akkulaufzeit notwendig, sondern auch wegen der problematischen Hitzeentwicklung, die schlecht optimierte Anwendungen verursachen könnten. Wie Entwickler mit den Hitzelimitierungen und dem Stromverbrauch umgehen, bleibt laut Carmack ein spannendes Problem, das sich für alle Entwickler im mobilen VR-Bereich auch in Zukunft stellen wird.

Samsung Gear VR

Um die Latenz gering zu halten, steht Entwicklern im Oculus-Mobile-SDK eine Funktion namens „Asynchronous Time Warp“ zur Verfügung. Dieses Feature sorgt dafür, dass das Display entsprechend der Kopfneigung mit 60 Bildern pro Sekunde aktualisiert wird, unabhängig davon, mit welcher Performance das Spiel selbst läuft. Laut E McNeil, Entwickler des VR-Titels Darknet, sei es sogar möglich, für manche Spiele 30 Bilder pro Sekunde anzupeilen und dank „Asynchronous Time Warp“ dennoch ein flüssiges Spielerlebnis zu erzielen, weil beim Rendern übersprungene Frames kein „übelkeiterregendes Schlingern“ auslösen. McNeil dazu: „Dieses Feature macht einen großen, großen Unterschied.

Eine Besonderheit des Gear VR ist zudem das im Galaxy Note 4 verwendete AMOLED-Display, das in Kombination mit der von Oculus entwickelten „Low-Persistence“-Technologie die bei LCD-Panels üblichen Nachzieh-Effekte (engl.: „motion blur“) beseitigt. Durch „Low Persistence“ leuchten einzelne Pixel nur für eine möglichst kurze Zeitspanne von aktuell zwei bis drei Millisekunden auf, bis sie ihre Farbe wieder wechseln. „Motion blur“, „Judder“ sowie ähnliche optische Artefakte zerstören die Illusion von VR und sorgen schlimmstenfalls dafür, dass VR-Nutzern übel wird. Die physikalischen Grundlagen hinter diesen Störfaktoren erläuterte Michael Abrash in einer Reihe von technisch detaillierten Blog-Einträgen(1, 2).

Neben rein technischen Qualitätsmerkmalen müssen für das Gear VR entwickelte Anwendungen zudem ein komfortables VR-Erlebnis garantieren, die möglichst wenige bis keine Störfaktoren enthalten, die bei Nutzern Simulator Sickness auslösen könnten.

Ähnlich wie Project Morpheus, bietet das Gear VR Entwicklern den Vorteil, dass sie nur für ein einzelnes Zielgerät mit bekannter Hardware-Ausstattung entwickeln müssen. Bedingt durch die kabellose Konzeption der VR-Brille lässt sie sich leichter unterwegs mitnehmen und an unterschiedlichen Orten einsetzen. Zwar trumpft Samsungs Einstieg in den VR-Bereich für Konsumenten mit einer höheren Auflösung als das DK2, im selben Atemzug muss jedoch auf die geringere Bildwiederholrate von 60 Hz und das fehlende „Positional Tracking“ hingewiesen werden, das auf absehbare Zeit den kabelgebundenen VR-Brillen von Oculus und Sony vorenthalten bleibt. Dennoch hat das Gear VR einen entscheidenden Vorteil gegenüber anderen mobilen VR-Lösungen: Präzises Head-Tracking, das mittels zusätzlicher, in der VR-Brille angebrachter Sensoren realisiert wird, zu dem die ansonsten in Smartphones üblichen Sensoren nicht mit ähnlich geringer Latenz imstande wären.

Heutige Smartphones sind laut Carmack noch nicht leistungsfähig genug, um gleichzeitig zur VR-Darstellung auch die selben aufwändigen Berechnungen zur Positionsbestimmung im Raum durchzuführen wie auf dem PC. Seine Erfahrungen im Bereich der VR-Entwicklung für mobile Endgeräte beschrieb Carmack in einer knapp eineinhalbstündigen Präsentation im Rahmen der diesjährigen Oculus Connect.

Samsung-Gear-VR-Produktspezifikationen:
Auflösung (Galaxy Note 4) 5.7“ Quad HD Super AMOLED (2.560 × 1.440)
Auflösung (pro Auge) 1.280 × 1.440 Bildpunkte
Bildwiederholrate 60 Hz
Sichtfeld 96°
Sensoren Accelerator, Gyrometer, Geomagnetic, Proximity
Motion to Photon Latency <20ms
Fokuseinstellung für kurzsichtige/weitsichtige Augen
abgedeckter Augenabstand 55 ~ 71 mm
Physische Eingabemöglichkeiten Touchpad, Zurück-Taste, Lautstärkeregler
Schnittstellen microUSB-Verbindung mit Galaxy Note 4
Abmessung (Headset) 198 × 116 × 90mm
Gewicht (mit Halteband) 379g
Inhalte vorherige Prüfung durch Oculus
Kamera (Pass-Through) High-Frame-Rate-Preview (60 fps)
Audio 3D-Spatial-Sound im Samsung-VR-Player für „VR-Gallery“-Inhalte (Kopfhörer benötigt)
25 Jahre ComputerBase!
Im Podcast erinnern sich Frank, Steffen und Jan daran, wie im Jahr 1999 alles begann.