Hotline Miami 2 im Test: Brutal unterhaltsames Pixelfest im Top-Down-Stil

Max Doll
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Hotline Miami 2 im Test: Brutal unterhaltsames Pixelfest im Top-Down-Stil
Bild: Dennaton Games

Vorwort

Hotline Miami war nicht nur überaus pixelig und trotz unschuldiger 2D-Grafik schockierend brutal, sondern auch ebenso actionreich wie schwer: Das Spiel, das aus seiner Gnadenlosigkeit vielfältige Reize abzuleiten wusste, konnte mit dieser einzigartigen Mischung Erfolge feiern. Die alten Stärken soll nun ein Nachfolger aufgreifen, der das bekannte Erfolgsrezept gleichwohl nur sanft variiert – und in dieser Konzeption die zur Serie ausgebaute Marke abschließen soll. Vorhang auf für Hotline Miami 2: Wrong Number.

Hotline Miami 2: Wrong Number
Hotline Miami 2: Wrong Number

Spoiler-Warnung: Da ein Spieletest nicht immer gänzlich ohne die Wiedergabe einzelner wichtiger Handlungselemente der Geschichte möglich ist, bitten wir all jene, die vorab nichts über die Handlung des Spiels erfahren möchten, nur das Fazit zu lesen. Wir bemühen uns jedoch stets, die Wiedergabe auf absolut notwendige Erzählelemente zu beschränken.

Systemanforderungen

Wie bereits der Pixeljunk-Stil des Spiels nahelegt, benötigt Hotline Miami 2 keine leistungsstarke Hardware. Selbst auf sehr alten Systemen sollte der Titel ohne Weiteres spielbare Bildwiederholraten erreichen.

Testsystem und Herstellerempfehlung (Minimum)
Komponente Testsystem Herstellerempfehlung
Betriebssystem Windows 8.1 (64 Bit) Windows Vista oder neuer
Prozessor Core i7-4790K 2,8 GHz Intel Core 2 Duo
Arbeitsspeicher 16 GByte 2 GByte
Grafik Nvidia GeForce GTX 780 OpenGL 3.2 kompatibel
512 MB VRAM
Festplattenspeicher ca. 0,7 GByte
Internetanbindung Ggf. für Steam-Aktivierung

Hotline Miami 2 auf einen Blick

Hotline Miami bleibt auch mit dem zweiten Teil ein im Kern einfach gestricktes Spiel, das dem Spieler in grobpixeligen 2D-Umgebungen nur mit einer einzigen Aufgabe konfrontiert: Töte alles. Eine Anweisung, die nur sanft über die Methode - Schläge, Tritte, Türen, ein breites Waffenarsenal – an Variation gewinnt. Folglich verwandelt sich der Bildschirm schnell in ein blutgetränktes Schlachthaus voller Leichen – darunter oft die eigene. Dass der Protagonist ebenso fragil wie seine Opfer ist, gehört zusammen mit deren gnadenlosen Reaktionen zu einem Eckpfeiler des Konzepts. Kleine Fehler, schlechtes Timing oder unvorsichtige Rambos werden mit sofortig tödlicher Wirkung bestraft – die Errungenschaft für 1.000 Tode ziert das Nutzerprofil folglich schneller als gedacht.

Die Rückkehr an den Anfang eines der (kurzen) Abschnitte des Spiels macht allerdings den Reiz des Konzeptes aus und bringt förmlich greifbare Spannung hervor. Ein Vorgehen nur nach Versuch und Irrtum garantiert jedoch anhaltendes Scheitern, da das Verhalten und die Anordnung der Gegner mit jedem Neustart aus einem Preset variiert werden. Dennoch bleibt das System stets fair und schafft es so, natürliche Höhepunkte aus dem Spielverlauf zu generieren. Das Entkommen aus kniffligen Situationen oder der endlich geschaffte Level generieren einfache Glücksschübe. Dem letzten unerbittlich anstürmenden Gegner die leergeschossene Waffe ins Gesicht zu werfen und ihn anschließend händisch ableben zu lassen, ist eine ungemein befriedigende wie befreiende Erfahrung.

Der knackige Schwierigkeitsgrad fordert auch Veteranen
Der knackige Schwierigkeitsgrad fordert auch Veteranen

Durch das eingeschränkte Sichtfeld einerseits und deutlich großzügiger eingesetzten Glasflächen werden die Grundlage für diese Szenarien geschaffen, wobei die Entwickler spürbar mehr Missionen und Abwechslung darbieten. Dem Wiederspielwert kommt zu Gute, dass die KI spontan und nicht immer berechenbar agiert. Ein Schuss lockt meist, aber nicht immer und die selben Opfer an – ob ein waffenstarrender Mob oder gähnende Leere durch die Tür stürmt, hängt auch vom Zufall ab. Das verleiht den Missionen eine angenehme Dynamik, die zu steter Aufmerksamkeit zwingt. Diese ist ohnehin dringender nötig denn je: Der nochmals knackigere Schwierigkeitsgrad geizt nicht mit Herausforderungen.

Variiert wird die Top-Down-Massaker-Action durch verschiedene Protagonisten, welche das Maskensystem des Vorgängers ablösen. In der Regel wird nun ein Charakter vorgegeben, mit dessen Fähigkeiten die jeweilige Mission zu bestreiten ist. Dass insgesamt seltener und weniger Auswahl angeboten wird, gereicht jedoch zum Vorteil, denn die Auswahl wirkt sich wesentlich stärker auf das mögliche wie nötige Vorgehen aus. Der Verzicht auf Freiheiten zugunsten stärkerer Linearisierung kommt der Spielerfahrung zudem direkt zu Gute. Durch die strikteren Vorgaben kann Hotline Miami 2 gezielt Höhepunkte setzen und gezielt Abwechslung einstreuen. Der schnelle Rückfall in altbekannte, vor zwei Jahren noch gut funktionierende Verhaltensmuster wird nach ein paar Missionen deshalb mühelos aufgebrochen: Der zu diesem Zeitpunkt eingeführte Protagonist lehnt Gewalt ab und weigert sich resolut, tödliche Waffen zu benutzen, was dem Geschehen eine völlig frische Drehung gibt. Auch der deutlich wichtiger gewordenen Geschichte des Spiels kommt die neue Linearität zu Gute.

Trotz stummer Präsentation gehört die Narrative zu den Stärken des Titels
Trotz stummer Präsentation gehört die Narrative zu den Stärken des Titels

Von einer Geschichte zu sprechen, ist in diesem Fall allerdings fast irreführend. Das Geschehen leuchtet zwar die Ereignisse des Vorgängers um den mysteriösen Telefon-Killer aus verschiedenen Perspektiven neu aus, entspricht jedoch nicht den typischen Erwartungen. Eine geschlossene Erzählung bietet auch Teil 2 des Top-Down-Shooters nicht, im Gegenteil. Stärker noch als in Hotline Miami verweigert sich der Titel Kohärenz und springt zwischen Figuren sowie in der Zeit. Was der gezeigten Szenen real, was fiktional, was Video, was Traum ist bleibt mangels eines sicheren Kategorienrasters bewusst vage.

Hotline Miami 2: Wrong Number
Hotline Miami 2: Wrong Number

Als Maskenmann zu Techno-Beats und aufblinkenden Punkte-Multiplikatoren eine Masse anonymer Menschen möglichst effizient aus niederen Bewegungründen zu töten, entwickelt aus dem Spielfluss heraus eine Sogwirkung, der die Note sanften Wahnsinns anhaftet. Insofern erfüllt die Art der Präsentation eine wichtige Rolle, indem sie den blutigen Wahnsinn auf dem Bildschirm zu distanzieren – und als Trennschicht zu ertragen – hilft. Es erschreckt auch zwei Jahre nach Hotline Miami noch, wie detailreich sich die Ausübung von roher Gewalt in derart groben Pixeln darstellen lässt.

Der VHS-Stil zieht sich durch das gesamte Spiel
Der VHS-Stil zieht sich durch das gesamte Spiel

Auch hinsichtlich der VHS-Aufmachung und dem durchgängig harmonischen Stil der 1980er-Jahre weckt die Präsentation Erinnerungen an billige Splatterfilme. Die psychedelische Farben, der weiterhin grandiose (Techno-)Soundtrack und die Erzählung machen Hotline Miami 2 so zu einer im besten Sinne surrealen Erfahrung. Der Zustand permanenter Unsicherheit macht nicht einmal vor dem Spiel selbst halt, das entgegen früherer Aussagen der Entwickler eine weitere Fortsetzung andeutet – oder auch nicht.

Ob ein weiterer Ableger tatsächlich sinnvoll ist, sei dahingestellt. Nach dem Abspann von Wrong Number bleibt vorrangig der Wunsch, mehr Spiele mit ähnlichem Setting und Präsentation zu sehen, weniger das ausgereizte Gameplay erneut vorgesetzt zu bekommen. Für mehr Inhalte können Fans nach Erscheinen des bereits angekündigten Level-Editors ohnehin bald selbst sorgen.