Samsung Gear VR im Test: Virtuelle Realität mit Kompromissen und Zwangspausen

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Andreas Schnäpp
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Erlebnisse

Die „Erlebnisse“-Kategorie des Oculus Stores beherbergt unter anderem Anwendungen, die sich als virtuelle Touren beschreiben lassen: Im „Gyeongju VR Museum“ können Sehenswürdigkeiten des gleichnamigen südkoreanischen Touristenziels aus der Nähe betrachtet werden. Wem irdische Geschichte nicht ausreicht, der kann sich in „Titans of Space“ auf eine fantastische Besichtigung unseres Universums machen. Durch die VR-typische 3D-Wahrnehmung entsteht beim Betrachten der Planetenmodelle im Maßstab von 1 : 1.000.000 ein Größeneindruck, der schon die DK2-Version zu einer der beeindruckendsten VR-Erlebnisse der Entwicklerplattform gemacht hat.

„Ocean Rift“ und „theBluVR“ sind zwei Anwendungen, die sich auf virtuelle Tauchgänge spezialisiert haben. Während in theBluVR das Ganze eher den Charakter einer Unterwasser-Führung durch den Ozean hat, kann der VR-Nutzer in Ocean Rift selbst steuern, wohin getaucht werden soll. Die gewisse Ähnlichkeit beim Tragegefühl von Head-Mounted-Displays mit Taucherbrillen sorgt in diesem Fall dafür, dass trotz vergleichsweise simpler Grafik das wortwörtliche Eintauchen in virtuelle Welten noch einfacher fällt.

Strangers With Patrick Watson
Strangers With Patrick Watson

Neben einem virtuellen Zirkusbesuch in der „Zarkana“-Aufführung des Cirque du Soleil, gibt es noch weitere kulturell interessante 360°-Video-Erlebnisse, die einen Ausblick darauf geben, wie VR genutzt werden könnte. Ein virtueller Konzertbesuch mit Plätzen in vorderster Reihe kann in gleich zwei Anwendungen („Jaunt Paul McCartney Preview“, „nextVR: Coldplay – Ghost Stories“) nachempfunden werden. Etwas privater geht es in „Strangers with Patrick Watson“ zu: Als stiller Beobachter kann dem Künstler in seinem Studio-Atelier beim Musizieren gelauscht werden.

Wie stark bestimmte Videoformate von VR profitieren, zeigt sich in der „im360VR“-Anwendung: Ein Flug über die Skyline von New York, eine Gondelführung durch Venedig oder eine Safari sind mit VR-Brillen nur einen Tastendruck entfernt. Im Gegensatz zu starren Kameraführungen entsteht bei dokumentarischen 360°-Aufnahmen eine viel dichtere Atmosphäre, weil sich jederzeit frei umgeschaut werden kann. Inbesondere Tieraufnahmen aus unmittelbarer Nähe wirken im wahrsten Sinne des Wortes zum Greifen nah. Einziger Wermutstropfen: Man merkt, dass sich die 360°-Videotechnik noch in den Kinderschuhen befindet, denn je nach Produktion lassen sich die „Nahtstellen“, an denen die einzelnen Videoaufnahmen per Software zusammengefügt wurden, mal mehr mal weniger deutlich anhand „verwaschener“ Pixelstreifen erkennen.

Ein eher kurioses Fundstück aus der Reihe der kürzlich im Oculus Store hinzugekommen VR-Anwendungen ist die virtuelle Küche von „Cyber Cook Taster“. Die VR-Demo ist eine Mischung aus virtuellem Kochkurs und Koch-Simulation, bei der Rezepte und Techniken zuerst am virtuellen Herd geübt werden können, bevor sie mit echten Zutaten nachgekocht werden. Ein VR-Pendant zur klassischen TV-Kochsendung.

Apps

Das Konzept des VR-Kinos wusste schon in der kabelgebundenen DK2-Variante zu gefallen. Dank höherer Auflösung und kabellosem Design lässt sich das Gear VR noch besser zu diesem Zwecke verwenden. Die „Oculus Cinema“-App bietet Nutzern vier verschiedene Kinos zur Auswahl, darunter auch ein Multiscreen-Kinosaal und eine Leinwand auf dem Mond.

In Anbetracht der Tatsache, dass sich die Gear-VR-Plattform erst wenige Monate in den Händen von Entwicklern befindet und die App-Verfügbarkeit dementsprechend spärlich ausfällt, ist VR-Kino über die „Oculus Cinema“- (oder alternativ auch „VR Gallery“-) App das nützlichste Kaufargument, das für die Anschaffung dieses Early-Adopter-Produkts spricht. Jederzeit einen leeren Kinosaal mit den besten Plätzen zur freien Verfügung zu haben, ist eine komfortable, weil ablenkungsfreie Art des Medienkonsums, die nicht nur bei Vielreisenden auf Anklang stoßen wird.

Während Spieler darauf angewiesen sind, dass Entwickler stetig neue Inhalte für die VR-Plattform nachliefern, können Filmliebhaber eigene Filme im MP4-Format auf dem Speicher des Smartphones ablegen und sich dem Filmgenuss auf der virtuellen Leinwand hingeben. Auch wenn es noch etwas dauern wird, bis die ersten VR-Brillen zum regelmäßigen Anblick in öffentlichen Verkehrsmitteln oder Langstreckenflügen werden, mit dem Gedanken kann man sich schon jetzt anfreunden. Ob Tablet, Smartphone oder Laptop-Monitor: Angesichts einer Sichtflächen-füllenden virtuellen Leinwand verblassen die Alternativen des mobilen Medienkonsums.

Oculus 360 Photos

Doch auch 360°-Fotos können sich sehen lassen: Was bisher als Nischenphänomen der Fotografie verweilt, könnte dank VR-Brillen einen zweiten Frühling genießen. Ob Panorama-Landschaftsbilder oder Aufnahmen imposanter Innenarchitektur – 360°-Fotografien mit dem Gear VR anzusehen bereitet Freude.

Deutlich komplizierter wird es hingegen bei 360°-Videos: Die von „Samsung Research America“ entwickelte „MilkVR“-App ist Video-Downloadportal und -viewer zugleich. Die Video-Inhalte werden von Dritten bereitgestellt, was wiederum zur Folge hat, dass die Qualitätsunterschiede von fabelhaft bis so grauenvoll reichen, dass sie in kürzester Zeit Übelkeit auslösen können.

Milk VR
Milk VR

So trumpft ein durch Product-Placement gesponsortes Snowboard-Video mit tollen Bergaufnahmen, einem sauberen Bild und einem klasse „Mittendrin-Gefühl“ auf, in der gleichen Genre-Kategorie findet sich jedoch auch ein Downhill-Video, das dank verwackelter Helmkamera jeden Zuschauer an die Grenze des physisch Verkraftbaren bringt. Hier sind die App-Entwickler selbst in der Pflicht, entsprechende Inhalte in Zukunft besser zu kontrollieren, bevor sie an VR-Nutzer weitergereicht werden.

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