NSA-Enthüllungen: Wikimedia verklagt US-Justizministerium und NSA

Parwez Farsan
28 Kommentare
NSA-Enthüllungen: Wikimedia verklagt US-Justizministerium und NSA
Bild: Emmanuel Huybrechts | CC BY 2.0

Die Wikimedia Foundation hat in den USA gemeinsam mit acht anderen Organisationen wegen der Massenüberwachung von Telefon- und Internetdaten Klage gegen die NSA und das US-Justizministerium eingereicht. Konkret geht es um die sogenannte „Upstream Collection“ an den wichtigen Datenleitungen und Knotenpunkten im In- und Ausland.

Vertreten durch die American Civil Liberties Union (ACLU) werfen die Wikimedia Foundation, The National Association of Criminal Defense Lawyers, Human Rights Watch, Amnesty International USA, das Pen American Center, der Global Fund for Women, The Nation Magazine, The Rutherford Institute und das Washington Office on Latin America der National Security Agency und dem US-Justizministerium vor, mit der Massenüberwachung und dem Speichern der Kommunikationsdaten im großen Stil selbst gegen die bereits sehr weit reichenden Befugnisse zu verstoßen, die ihnen der Kongress 2008 mit dem FISA Amendments Act (FAA) gab. Das aktuelle Vorgehen verletze den ersten (Rede- und Koalitionsfreiheit) und den vierten Verfassungszusatz (Schutz vor willkürlicher Durchsuchung und Beschlagnahme).

Lila Tretikov, geschäftsführende Direktorin der Wikimedia Foundation, bezeichnet den Angriff der NSA auf das Rückgrat des Internets als einen Angriff auf das Rückgrat der Demokratie. Die NSA begreife den FAA als Einladung, um nach Gutdünken Gefahren und Ziele zu definieren, Menschen, Plattformen und Infrastruktur zu überwachen und sich dabei wenig bis gar nicht um einen hinreichenden Verdacht oder die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen zu scheren, die auch die Kommunikation Unschuldiger mit einschließen und ihre Privatsphäre unrechtmäßig verletzen.

Diese sei jedoch der Grundstein der persönlichen Freiheit und sichere die Rede- und Koalitionsfreiheit. Sie seien es, die Nachfrage, Dialog und das Erschaffen von Neuem erst ermöglichten und zentral für die Wikimedia-Vision einer Teilhabe aller am Wissen der Menschheit seien. Der Angriff auf die Privatsphäre sei somit auch ein Angriff auf diese Mission.

Wir reichen heute im Namen unserer Leser und Redakteure auf der ganzen Welt Klage ein. Die Überwachung nagt an der ursprünglichen Verheißung des Internets: eines offenen Raumes für die Zusammenarbeit und das Ausprobieren und eines Ortes frei von Angst.

Wikipedia-Gründer Jimmy Wales

Deshalb habe die Wikimedia Foundation bereits im vergangenen Jahr Gespräche mit der ACLU begonnen, um die Möglichkeiten einer Klage gegen die NSA und andere im Namen der Foundation, seiner Mitarbeiter und der Nutzer einzureichen. Die Klagebefugnis leitet sie aus einer im Zuge der Snowden-Enthüllungen veröffentlichten PowerPoint-Präsentation (PDF) ab, die Wikipedia explizit als Ziel der Überwachungsmaßnahmen nennt.

Ein weiterer Punkt in der Anklageschrift (PDF) ist die Rolle des United States Foreign Intelligence Surveillance Court (FISC). Die Kläger sehen im FISC einen Verstoß gegen Artikel III der US-Verfassung, der die Richterliche Gewalt genauer definiert. Abschnitt 2 führt aus, worauf sich die Zuständigkeit der Gerichte erstreckt, nämlich auf das Lösen von „Fällen“ und „Streitigkeiten“. Stellungnahmen und die Interpretation theoretischer Situationen seien nicht Teil des Verfassungsauftrags.

Der FISC verhandelt Anträge zu Themen der Auslandsaufklärung, worunter auch die Internet- und Telefonüberwachung fällt. Im Zusammenhang mit der Upstream Collection könne man laut Klageschrift aber nicht von einem Fall sprechen, da es keine Gegenparteien und keine wirkliche Streitigkeit gebe. Der FISC überprüfe lediglich die Gesetzeskonformität der von der Regierung vorgeschlagenen Maßnahmen, gebe also lediglich eine Stellungnahme ab, was durch Artikel III stark beschränkt sein sollte und gegen den Rahmen der Verfassung verstoße.