Vorratsdatenspeicherung: Bundesregierung präsentiert Überwachungspläne

Andreas Frischholz
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Vorratsdatenspeicherung: Bundesregierung präsentiert Überwachungspläne
Bild: Deutscher Bundestag / Marc-Steffen Unger

In den letzten Wochen zeichnete es sich bereits ab: Die Bundesregierung will die Vorratsdatenspeicherung wieder einführen, trotz Kritiken und hohen rechtlichen Auflagen. Nun hat Justizminister Heiko Maas (SPD) die Leitlinien für das Gesetz präsentiert.

Bei den Plänen handelt es sich um einen Kompromiss, der die Forderungen von Sicherheitspolitikern nach der alten Vorratsdatenspeicherung mit den rechtlichen Hürden in Einklang bringen soll. Denn sowohl in dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts als auch in dem des Europäischen Gerichtshofs wurde eine Neuregelung zwar nicht vollständig ausgeschlossen, doch die Auflagen für solch ein Vorhaben sind hoch. Daher sollen laut Maas „noch weniger Daten für einen kürzeren Zeitraum bei höheren Zugriffshürden gespeichert werden“.

In der Praxis bedeutet das: Provider sollen die Verbindungsdaten – im Vergleich zum alten Gesetz – nicht mehr sechs Monate, sondern nur noch zehn Wochen speichern. Und unmittelbar nach Ablauf dieser Frist müssen die Daten gelöscht werden. Schärfere Auflagen existieren für Standortdaten, bei denen die Sammlung einen besonders intensiven Eingriff in die Grundrechte darstellt. Daher sollen diese Daten nur für vier Wochen gespeichert werden.

Den Zugriff auf die Vorratsdaten will Maas mit rechtlichen Hürden einschränken: So sollen Sicherheitsbehörden diese nur dann abrufen können, wenn es sich um „einzeln aufgelistete schweren Straftaten“ handelt und zuvor eine richterliche Genehmigung eingeholt wurde – so heißt es zumindest in der Pressemitteilung. In den Leitlinien (PDF-Datei) ist jedoch von „schwersten Straftaten“ die Rede, wie Netzpolitik.org in einer ersten Analyse erklärt. Und selbst wenn die Vorratsdatenspeicherung ausschließlich auf schwere Strafttaten beschränkt wäre, sei das bereits ein „außerordentlich langer Katalog an Straftaten“.

Eingeschränkter Zugriff für Sicherheitsbehörden

Darüber hinaus sollen die Daten nicht genutzt werden, um Persönlichkeits- und Bewegungsprofile zu erstellen. Und der gesamte E-Mail-Bereich ist laut Maas von der Speicherung vollständig ausgenommen. Kommunikationsinhalte werden im Rahmen der Vorratsdatenspeicherung ohnehin nicht erfasst. Eine weitere Auflage: Wenn Sicherheitsbehörden die Vorratsdaten abrufen, sollen die Betroffenen grundsätzlich darüber informiert werden. Ausnahmen bestehen zudem für Berufsgeheimnisträger wie etwa Anwälte – solche Daten sollen Sicherheitsbehörden nicht verwenden dürfen.

Doch die Auflagen bei dieser Vorratsdatenspeicherung betreffen nicht nur die Sicherheitsbehörden, sondern auch die Provider. Denn diese sollen „die höchstmögliche Sicherheit der Daten gewährleisten“. Das bedeutet: Die Daten müssen im Inland gespeichert werden und mit der „Datenhehlerei“ wird ein neuer Straftatbestand geschaffen.

So will das Justizministerium verhindern, dass ein Missbrauch bei der Auswertung der Daten erfolgt – indem diese etwa an Unbefugte weitergegeben werden. Zudem droht den Providern eine Geldbuße, wenn Daten nicht unmittelbar nach Ablauf der Speicherfristen von zehn respektive vier Wochen gelöscht werden.

Kritik von allen Seiten ist absehbar

Maas bezeichnet diese Leitlinien als „Balance zwischen Freiheit und Sicherheit in der Digitalen Welt“. Dass er mit diesem Kompromiss zwischen allen Stühlen sitzt, scheint ihm allerdings bewusst zu sein. „Unser Kompromiss wird möglicherweise einigen nicht weit genug gehen. Denn: Das ist nicht die alte Vorratsdatenspeicherung, wie die Sicherheitspolitiker sie sich wünschen. Anderen – wie etwa den Netzpolitikern – wird er eventuell zu weit gehen.“ Allerdings muss der Justizminister sich auch an seinen eigenen Aussagen messen lassen, da er sich seit Amtsantritt als Gegner der Vorratsdatenspeicherung präsentierte. Und noch im Dezember 2014 twitterte Maas:

Dementsprechend kritisch fallen auch die ersten Reaktionen aus. So schreibt etwa Netzpolitik.org in einer ersten Reaktion auf Facebook: „Alleine die anlasslose Vorratsdatenspeicherung unserer Kommunikationsdaten ist bereits ein Grundrechtseingriff, nicht nur der Zugriff.“ Zudem dürfte die Vorratsdatenspeicherung Begehrlichkeiten wecken, wenn diese erst einmal eingerichtet wurde. Dann gehe es nicht mehr um die Abschaffung, sondern nur noch um die Ausweitung der Überwachung.

Zudem wird auf die sprachliche Ebene verwiesen. Denn es sei auffällig, dass die Bundesregierung den Begriff „Vorratsdatenspeicherung“ tunlichst umgehen will. Stattdessen ist von Höchstspeicherfristen die Rede, was der Rhetorik des Innenministeriums ähnelt: Dort wird die anlasslose Datensammlung seit Jahren nicht als Vorratsdatenspeicherung, sondern in erster Linie als Mindestspeicherfristen bezeichnet.