BND-Skandal: NSA will geheime Suchbegriffe nicht herausgeben

Andreas Frischholz
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BND-Skandal: NSA will geheime Suchbegriffe nicht herausgeben
Bild: Oliver Ponsold | CC BY 2.0

Um den Spionage-Skandal des BND aufzuklären, hatte die Regierungsspitze um Kanzlerin Merkel angekündigt, die von der NSA übermittelten Suchbegriffe offenzulegen. Doch nun meldet die Bild am Sonntag, dass die Anfrage von den US-Behörden kategorisch abgelehnt wurde. Befürchtet wird, dass laufende Operationen gefährdet werden.

Für das Kanzleramt wird es mit dieser Entscheidung immer ungemütlicher. Denn im Verlauf der letzten Wochen hatte Kanzlerin Merkel (CDU) angekündigt, dass sowohl die parlamentarischen Kontrollgremien als auch der NSA-Ausschuss die Liste mit den Suchbegriffen erhalten sollen. Die Abgeordneten wollen so herausfinden, welche Ziele die NSA mit Hilfe des BND ausspioniert hat. Es hieß zwar stets, dass die US-Behörden im Rahmen eines „Konsultationsverfahren“ erst noch zustimmen müssten. Doch das Kanzleramt erweckte zumindest in der Öffentlichkeit den Eindruck, dass dieser Schritt lediglich eine Frage der Zeit sei.

Doch das entspricht offenbar nicht der Einschätzung, die hinter den Kulissen herrscht, berichtet Spiegel-Online. Innerhalb des Kanzleramts wurde eine Zustimmung der US-Regierung von Anfang an als unwahrscheinlich eingestuft. Und diese sollen auch bereits signalisiert haben, dass eine Weitergabe der Suchliste an das Parlament unmöglich sei. Demnach erklärte ein Insider: „Die Veröffentlichung der Suchkriterien würde das Operations-Profil der USA offenlegen.“ Und das sei so etwas wie „der Heilige Gral jedes Geheimdienstes“.

Sollte die US-Regierung nun auch offiziell eine Absage erteilten, ist das Dilemma perfekt: Sollte das Kanzleramt – wie versprochen – die Liste mit den Suchbegriffen an das Parlament übergeben, verärgert es die amerikanischen Partnerdienste in noch größerem Ausmaß, als es ohnehin bereits der Fall ist. Ein erster Vorgeschmack war anscheinend das – zumindest vorübergehende – Ende der gemeinsamen Operation von NSA und BND in Bad Aibling. Zudem sollen auch weitere internationale Partnerdienste die Kooperation mit dem BND infrage gestellt haben, heißt es in einem Bericht der Welt am Sonntag, der sich auf Quellen aus Sicherheitskreisen beruft. Demnach wären die jeweiligen Dienste besorgt, dass Informationen über geheime Projekte an die Öffentlichkeit dringen.

Glaubwürdigkeit des Kanzleramts beschädigt

Sollte die Regierung allerdings entsprechend dem Wunsch der amerikanischen Regierung handeln und die Liste mit den Suchbegriffen nicht an das Parlament übergeben, wird sich der innenpolitische Druck noch weiter erhöhen. Denn bislang konnte der BND keinen substantiellen Beitrag zur Aufklärung beisteuern. Vielmehr musste der Geheimdienst in der letzten Woche eingestehen, dass man nicht mehr sagen könne, welche Informationen im Verlauf der letzten Jahre an die NSA übermittelt wurden.

Ohnehin ist von der Glaubwürdigkeit des Kanzleramts nicht mehr allzu viel übrig, nachdem am Wochenende bekannt wurde, dass das im August 2013 versprochene No-Spy-Abkommen intern offenbar zu keinem Zeitpunkt eine wirkliche Chance hatte. Trotzdem hatte der damalige Kanzleramtsminister und Merkel-Getreue Ronald Pofalla (CDU) erklärt: „Die US-Seite hat uns den Abschluss eines No-Spy-Abkommens angeboten.

Dass dies nicht der Fall war, zeigen allerdings die E-Mails zwischen Mitarbeitern des Kanzleramts und der US-Regierung. Daher fordert nun die Opposition, dass die Hintergründe aufgeklärt werden müssten. „Ich will wissen, warum die Union wider besseres Wissen die Öffentlichkeit über ein angebliches No-Spy-Abkommen mit den USA getäuscht hat“, sagte etwa Katrin Göring-Eckardt, die Fraktionsvorsitzende der Grünen, in einem Bericht der Süddeutschen Zeitung. Ähnlich äußerte sich der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums André Hahn (Linke), der das vermeintliche No-Spy-Abkommen als „Beruhigungspille“ für den Wahlkampf bezeichnete.

Ebenso kritisch äußern sich auch Vertreter der SPD. So erklärte der Innenpolitiker Christian Flisek gegenüber Spiegel-Online: „Die Verhandlungen zum No-Spy-Abkommen waren nichts anderes als ein Ablenkungsmanöver im Wahlkampf.“ Bestenfalls habe es eine Garantie für das Handy der Kanzlerin gegeben. „Aber für die Bürger und Unternehmen in Deutschland war und ist so eine Zusage der USA illusorisch.

Angesichts dieser Vorwürfe hinterlässt die offizielle Reaktion des Kanzleramts einen etwas hilflosen Eindruck. „Wir haben nach bestem Wissen und Gewissen gearbeitet, und wir haben nach bestem Wissen und Gewissen die Öffentlichkeit informiert“, lautet heute die Stellungnahme von Regierungssprecher Steffen Seibert.

Letztlich hat sich das Kanzleramt nun in eine Ecke manövriert, in der es praktisch nur zwei Auswege gibt: Entweder verärgert es die die NSA und verunsichert damit auch die internationalen Partnerdienste des BND. Oder das Kanzleramt bringt das Parlament gegen sich auf und düpiert zugleich auch die europäischen Verbündeten, die von der NSA-Spionage durch den BND betroffen waren.

Siemens im Visier der amerikanischen Geheimdienste

Zumal noch weiterer Erklärungsbedarf besteht. Denn die Bild am Sonntag berichtete ebenfalls, dass die NSA den BND auch ausnutzen wollte, um Siemens auszuspionieren. Der deutsche Technologiekonzern ist nach Informationen der Bild in das Visier der amerikanischen Geheimdienste geraten, weil dieser Verträge mit dem russischen Geheimdienst SSSN abgeschlossen habe. Dabei ging es um die Lieferung von nachrichtendienstlicher Kommunikationstechnik. Ein Siemens-Sprecher erklärte allerdings, dass der Konzern sich das Interesse der amerikanischen Geheimdienste nicht erklären könne.

Dieser erneute Spionage-Fall ist besonders unangenehm für Kanzlerin Merkel. Denn sie hatte Wirtschaftsminister und SPD-Vize Sigmar Gabriel versichert, dass es abgesehen von EADS (Airbus) und Eurocopter „keine weiteren Hinweise auf Wirtschaftsspionage“ geben würde.

Allerdings hatte bereits Edward Snowden in einem Interview mit dem NDR aus dem Jahr 2014 erklärt: „Wenn es etwa bei Siemens Informationen gibt, die dem nationalen Interesse der Vereinigten Staaten nutzen – aber nichts mit der nationalen Sicherheit zu tun haben – dann nehmen sie sich diese Informationen trotzdem.

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