Spionage-Skandal: BND scheitert bei Aufklärung

Andreas Frischholz
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Spionage-Skandal: BND scheitert bei Aufklärung
Bild: Deutscher Bundestag / Marc-Steffen Unger

Der Bundesnachrichtendienst (BND) könne technisch nicht mehr nachvollziehen, welche Daten die NSA seit 2004 aus Bad Aibling erhalten hat. So lautet die Erklärung von BND-Präsident Gerhard Schindler vor dem parlamentarischen Kontrollgremium am Mittwochabend, berichtet Spiegel-Online.

Der Kern des Spionage-Skandals ist: Die NSA liefert seit 2004 Suchbegriffe – die sogenannten Selektoren, also IP- oder E-Mail-Adressen –, die der BND in der Station Bad Aibling in die eigenen Überwachungssysteme einspeist. Treffer werden dann an den amerikanischen Geheimdienst übermittelt. Um welche Informationen es sich dabei allerdings handelt, wird beim BND offenbar weder protokolliert noch in Statistiken festgehalten. Auch eine politische Kontrolle der Kooperation soll es nie gegeben haben.

So lautet nun die Erkenntnis: Welcher Schaden letztlich durch die NSA-Spionage entstanden ist, wird sich wohl angesichts dieser Voraussetzungen nie vollständig nachvollziehen lassen. Spiegel-Online spricht dementsprechend auch von einem Offenbarungseid, den Schindler mit diesem Eingeständnis geleistet hat.

Letztlich bleiben also nur die Suchbegriffe, um zumindest nachvollziehen zu können, für welche Ziele sich die NSA in Europa interessiert hat. Auf einer Liste mit 2.000 Suchbegriffen, die von der NSA übermittelt wurden und die der BND fälschlicherweise in die eigenen Überwachungssysteme eingespeist hatte, sollen sich vor allem die E-Mail-Adressen von europäischen Politikern, EU-Institutionen und Behörden befunden haben. Unternehmen wären demnach aber nicht betroffen.

Dennoch gesteht der BND damit ein, die NSA bei der Spionage in Europa – offenkundig unwissentlich – unterstützt zu haben. Schindler versucht derweil den politischen Flurschaden zu begrenzen, indem er darauf verweist, dass in Bad Aibling lediglich die Satellitenkommunikation aus Krisenregionen erfasst werde. Bei der Suche nach europäischen Politikern sollte es dementsprechend kaum Treffer gegeben haben. Nichtsdestotrotz: Vor allem auf diplomatischer Ebene ist der Schaden angerichtet, EU-Staaten wie etwa Österreich reagieren angesichts des Skandals irritiert und fordern Aufklärung.

NSA-Ausschuss: BND-Zeugen sind keine Hilfe

Allerdings bestehen Zweifel, ob der BND mit solchen Aussagen die Wogen glätten kann. Die Glaubwürdigkeit des Geheimdienstes ist zu stark angekratzt. Daher ist es auch wenig überraschend, dass die Abgeordneten des NSA-Ausschusses darauf beharren, die Liste mit sämtlichen NSA-Suchbegriffen zu erhalten. So will man nachvollziehen, welche Ziele der US-Geheimdienst im Visier hatte. Bislang müssen die Abgeordneten aber noch ohne die Liste auskommen. Das Kanzleramt will diese erst übermitteln, wenn die Zustimmung der US-Behörden erfolgt ist.

Dass die Aufklärung ohne die entsprechenden Dokumente schwierig wird, verdeutlichte derweil die heutige Sitzung im NSA-Untersuchungsausschuss. Zumindest in der öffentlichen Sitzung verliefen sich die Antworten der vorgeladenen Zeugen zu oft in bürokratischen Details. So haben ein BND-Unterabteilungsleiter und ein für die Selektoren zuständiger Sachbearbeiter letztlich nur wenig zur Aufklärung beigetragen. Dateien wurden auf separaten Systemen erstellt und wieder gelöscht, Absprachen erfolgten mal schriftlich und mal mündlich. Und die fragwürdigen Suchbegriffe sind zwar bei einer Routinekontrolle im August 2013 aufgefallen, doch die BND-Spitze wurde laut dem Unterabteilungsleiter nicht informiert. „Habe Handlungsbedarf gesehen, aber keine Relevanz, nach oben zu gehen“, lautet das Zitat nach dem Live-Ticker von Netzpolitik.org.

Immerhin betont der BND-Unterabteilungsleiter, dass im Rahmen der Überwachung zumindest deutsche Daten herausgefiltert wurden. Bei Suchbegriffen, die Europa betreffen, soll das aber wohl erst seit August 2013 der Fall sein.

Nach Snowden-Enthüllungen überlastet

Am aufschlussreichsten waren noch die Aussagen von dem Zeugen R.U., dem Leiter des BND-Standorts in Bad Aibling. Dieser hatte bereits Ende 2013 im NSA-Ausschuss ausgesagt, damals aber nicht den Vorfällen berichtet, obwohl innerhalb des BND spätestens seit August 2013 bekannt war, dass eine größere Anzahl der Suchbegriffe problematisch ist. Nun lautet seine Aussage: „Ich habe mir das nie speziell angeschaut.“ Den Ablauf der Kooperation zwischen dem deutschen und amerikanischen Geheimdienst laufen demnach so ab: Die Wünsche der NSA würden in Bad Aibling überhaupt nicht überprüft, sondern zunächst an die BND-Zentrale in Pullach weitergeleitet. Dort würden bedenkliche Suchbegriffe aussortiert und erst danach wieder in die Überwachungssysteme in Bad Aibling eingespeist. Die Ergebnisse würden dann wiederum in Pullach auf die Daten von deutschen Grundrechtsträgern geprüft und erst dann an die NSA weitergegeben.

Trotz der Hinweise auf problematische Suchbegriffe hätte sich an dieser Vorgehensweise auch nach dem August 2013 nichts geändert. Ohnehin wäre seit den NSA-Enthüllungen von Edward Snowden „praktisch kein Regelbetrieb mehr möglich“ gewesen. „Wir mussten Dinge in Bad Aibling prüfen und waren damit schon überlastet“, so der BND-Zeuge R.U. Für die Suchbegriffe wäre da schlicht keine Zeit mehr gewesen.