Spionage-Skandal: BND setzte 25.000 illegale Suchbegriffe der NSA ein

Andreas Frischholz
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Spionage-Skandal: BND setzte 25.000 illegale Suchbegriffe der NSA ein
Bild: Thomas Kohler | CC BY 2.0

Offenbar waren es nicht nur rund 12.000 Suchbegriffe, die der Bundesnachrichtendienst (BND) im Auftrag der NSA in die eigenen Überwachungssysteme eingespeist hatte, um Ziele in Europa auszuspionieren. Das Ausmaß der illegalen Überwachung ist deutlich umfangreicher als zunächst erwartet wurde, berichtet der Spiegel.

Demnach habe eine weitere interne Prüfung beim BND gezeigt: Von den 40.000 NSA-Suchbegriffen, die vom BND eigentlich als unrechtmäßig aussortiert worden sind, wurden mehr als die Hälfte zeitweise aktiv geschaltet. Insgesamt soll es sich also um 25.000 illegale Suchbegriffe handeln. Das bedeutet: Diese wurden genutzt, um neben anderen Zielen auch deutsche und europäische Politiker und Unternehmen auszuspionieren.

Die Meldung ist nun insofern erstaunlich, als der BND noch Ende April in einem Testat für das Kanzleramt erklärt hatte: Im August 2013 wurden lediglich 12.000 illegale Begriffe in dem Suchprofil der NSA entdeckt. Was in dieser Untersuchung allerdings fehlte, war die Liste mit den 40.000 Suchbegriffen. Die konnte der BND erst Anfang Mai wieder rekonstruieren. Und in dieser befinden sich nun auch weitere 13.000 Suchbegriffe, die nichts mit dem eigentlichen Überwachungsauftrag zu tun haben.

Angesichts dieser neuen Zahlen erhärtet sich nun der Verdacht, dass die Prüfungen innerhalb des BND tatsächlich so chaotisch ablaufen, wie es die BND-Zeugen bei der Anhörung des NSA-Ausschusses beschrieben hatten. Dementsprechend wenig Verständnis zeigen auch die Mitglieder des parlamentarischen Kontrollgremiums. So erklärte der SPD-Abgeordnete Burkhard Lischka, dass es „offensichtlich erhebliche Defizite im BND“ gebe. Es müssten nun klare Vorgaben erteilt werden, um zu regeln, wer „worüber innerhalb des BND zu informieren hat, und behördeninterne Strukturen, die die Arbeit in den verschiedenen Abteilungen kontrollieren“, so Lischka im Spiegel.

Ähnlich verärgert zeigt sich Hans-Christian Ströbele von den Grünen. Seiner Ansicht nach bestehe nun erneut der Verdacht, dass die parlamentarischen Geheimdienst-Kontrolleure „wieder einmal gezielt hinters Licht geführt wurden“. Die Abgeordneten beharren nun weiterhin auf der Forderung, selbst die von der NSA übermittelten Suchbegriffe zu kontrollieren. Doch das Kanzleramt verweigert den Einblick und verweist nach wie vor auf das laufende Konsultationsverfahren mit den US-Behörden.

Kanzleramt gerät erneut ins Visier

So stellt sich erneut die Frage, welche Rolle nun das Kanzleramt gespielt hat. Nach Informationen des Spiegel soll der BND bereits 2008 vor „Wirtschaftsspionage […] und damit einhergehenden möglichen Schäden für die europäische Wirtschaft“ gewarnt haben. Doch das Kanzleramt bewertete diese Einschätzung als übertrieben, wie aus internen Regierungsdokumenten hervorgehe.

Stattdessen verfolgte der damalige Kanzleramtschef Thomas de Maizière (CDU) vielmehr die Strategie, die Kooperation mit der NSA zu vertiefen. Bereits Ende 2007 soll der damalige US-Geheimdienstkoordinator bei der Bundesregierung den Wunsch geäußert haben, zusammen den Internetknotenpunkt DE-CIX in Frankfurt anzuzapfen. Laut einem Vermerk von de Maizière hätten die Vertreter der US-Dienste allerdings darauf bestanden, sämtliche „(ungefilterten) Informationen zu erhalten“.

Diese Forderung wurde vom BND allerdings äußerst skeptisch bewertet. Dass die NSA bei diesem Vorhaben eine „hidden agenda“ verfolgte, stufte der deutsche Geheimdienst in einer schriftlichen Einschätzung für das Kanzleramt als „möglich bis wahrscheinlich“ ein. Aufgrund von „industriepolitischen Interessen“ bestehe etwa ein unkalkulierbares Risiko für europäische Konzerne. Zudem drohe diplomatischer Ärger. „Eine umfassende Kooperation mit den USA auf europäischem Boden birgt das Risiko innereuropäischer politischer Verwerfungen“, heißt in der Warnung des BND.

Von all dem wollte das Kanzleramt aber offenbar nichts wissen. „Andere deutsche Sicherheitsbehörden“ würden die Pläne vermutlich „anders bewerten“, lautet ein Vermerk für de Maizière. Dennoch verständigte sich das Kanzleramt laut dem Spiegel-Bericht letztlich auf einen Kompromiss mit dem BND: Die enge Kooperation mit der NSA wurde fortgesetzt. Allerdings wurde nicht der Frankfurter Internetknotenpunkt DE-CIX angezapft, sondern Datenkabel außerhalb von Deutschland.