Amazon Kindle Paperwhite 2015 im Test: Der neue Paperwhite ist der bessere Voyage

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Michael Schäfer
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Bedienung und Lesen

Amazon hat der Neuauflage des Kindle Paperwhite das ebenfalls im Premium-Reader Kindle Voyage verbaute hochauflösende Display des Spezialisten E-Ink spendiert. Dieses löst mit 1.080 × 1.440 Bildpunkten auf und kommt so wie der Klassenprimus auf eine Punktdichte von 300 ppi. Das Carta-Display soll zudem für weniger Ghosting-Effekte sorgen, womit das nicht vollständige Neutralisieren vorangegangener Bildpunkte beim Neuaufbau einer Seite gemeint ist. Aber hier gilt wie schon beim Vorgängermodell: verringern ja, verhindern nein. Mit diesem Problem hat aber nicht nur der Paperwhite, sondern die gesamte Konkurrenz zu kämpfen. Abhilfe schafft der komplette Neuaufbau für jede Seite. Dies soll zwar zu einem längeren Seitenaufbau samt höherem Verbrauch führen, in der Praxis fällt das jedoch kaum ins Gewicht. Die Blättergeschwindigkeit bewegt sich auf gleichem Niveau wie beim Vorgänger, der Touchscreen agiert wie gewohnt schnell und zuverlässig, Verzögerungen treten keine auf.

Auch wenn der neue Kindle im Prinzip das gleiche Display wie der Kindle Voyage bietet, hat Amazon dessen Beleuchtungsprobleme glücklicherweise nicht übernommen. Daher wird das Display hell und ausgeglichen ausgeleuchtet und leuchtet mit 100 cd/m² ähnlich hell wie der Vorgänger. Ein integrierter Helligkeitssensor, der die Display-Helligkeit dem Umgebungslicht anpasst, bleibt dem Kindle Voyage vorbehalten. Dafür verfügt auch der neue Paperwhite über eine Schaltfläche für die maximale Leuchtkraft.

Neben dem neuen Display steht auch die neue Software des Paperwhite 2015 im Fokus des Interesses. Auf dem vorliegenden Testgerät befindet sich mit Version 5.6.5 eine Vorabversion, die ersten Geräte für Endkunden wird Amazon noch mit der alten Software-Ausstattung ausliefern und kurze Zeit später ein Firmwareupdate nachliefern. Ein für den persönlichen Gebrauch regulär erworbener Paperwhite 2015 verharrte im Gegensatz zum bei Amazon ausgeliehenen Testgerät auf Version 5.6.1.1. Neben dem neuen Paperwhite werden auch Nutzer des Kindle Voyage und des 2014er Paperwhite in den Genuss der Softwareneuerungen kommen.

Texteinstellungen Paperwhite 2014 vs. 2015
Texteinstellungen Paperwhite 2014 vs. 2015

Die neue Firmware kommt neben der neuen und bereits auf Amazon- und iOS-Tablets eingeführten Schrift Bookerly mit einem überarbeiteten Schriftsatzsystem daher. Die Kombination aus beidem soll Texte leichter lesbar machen. Bookerly soll darüber hinaus die digitalen Inhalte näher an die realen Druckvorbilder heranführen und in jeder Schriftgröße optimale Bedingungen schaffen. Ein weiterer Grund dafür liegt im verbesserten Kerning, also dem harmonischen Abstand der Buchstaben zueinander. Durch eine vom jeweiligen Buchstaben abhängige automatische Ausrichtung soll das Schriftbild gleichmäßiger erscheinen und einzelne Buchstaben sollen visuell besser voneinander trennbar sein. Als eher rein kosmetischer Natur dürfte die Einführung von Ligaturen zu sehen sein, also das Verbinden bestimmter Buchstabenkombinationen, wie sie von gedruckten Büchern bekannt sind. Ebenfalls zur besseren Lesbarkeit trägt die neu eingeführte Silbentrennung bei, welche unabhängig von der verwendeten Schriftart agiert und für weniger Abstände zwischen den einzelnen Wörtern sorgt.

Die höhere Auflösung ist selbst bei Verlagsschrift im direkten Vergleich sofort zu erkennen, kleinere Schriftgrößen sind besser lesbar und feine Schriftarten wirken im Vergleich zum Vorgängermodell weniger blass. Noch deutlicher werden die Unterschiede mit der neuen Schriftart Bookerly. Dennoch hat Amazon wie viele andere Hersteller auch mit dem Umstand zu kämpfen, dass der Zugewinn an Lesekomfort geringer ausfällt als es die Werbung verheißen will. Als Leser gewöhnt man sich schnell an die neue Darstellung, aber genauso schnell gewöhnt man sich wieder an das Lesen mit dem Vorgängermodell, ohne dass die neue Darstellung wirklich vermisst wird. Dies ist per se keine negative Eigenschaft des neuen Paperwhite, sondern spricht für die gute Darstellungsqualität des vorherigen Paperwhites. Im direkten Vergleich zu einem aktuellen Paperwhite mit neuer Bookerly-Schriftart, aber ohne Silbentrennung, fallen die größeren Abstände zwischen den Wörtern ebenfalls sofort auf.

Damit die Neuerungen ihre komplette Wirkung entfalten können, müssen E-Books für die neue Darstellung angepasst werden. Diese Bücher verwenden auf dem neuen Schriftsatzsystem zudem teilweise eine etwas andere Formatierung. Für optimale Ergebnisse mit dem neuen System ist es laut Amazon wichtig, dass das jeweilige Update vor dem ersten Befüllen mit Büchern aus der eigenen Sammlung aufgespielt wird. Es ist deshalb unter Umständen notwendig, bisherige Reader komplett neu einzurichten. Amazon beziffert die Anzahl der bereits angepassten Titel auf 500.000, lässt aber offen, ob es sich dabei um rein deutschsprachige Bücher handelt.

Abgesehen von der neuen Schriftart belässt Amazon bei den Leseeinstellungen fast alles beim alten. Dem Leser stehen nun nicht mehr sechs, sondern sieben Schriftarten plus Verlegerschrift zur Verfügung. Gleich bleiben die acht verschiedenen Schriftgrößen sowie drei unterschiedliche Abstände für Zeilen und Seitenrand. Dies ist zwar durchaus ausreichend, die Konkurrenz bietet jedoch auch hier mehr. So lässt Amazon zum Beispiel, wie bei einigen Kobo-Lesegeräten üblich, eine Kontrasteinstellung für die Schrift vermissen.

Neues Markierungssystem beim Kindle Paperwhite 2015
Neues Markierungssystem beim Kindle Paperwhite 2015

Weitere Anpassungsmöglichkeiten sind im Menü zur Wortmarkierung zu finden, bei der Amazon die einzelnen Bereiche übersichtlicher aufteilt: Während die obere Leiste sich auf Markierungen, Notizen, Empfehlungen sowie die Suche beschränkt, kann darunter zwischen dem Wörterbuch, den Wikipedia-Einträgen sowie den Zusatzinformationen über X-Ray durch eine Wischgeste gewechselt werden. Die Menüpunkte des Systems wirken ihren dicken Linien etwas in die Jahre gekommen, andere Hersteller zeigen dagegen, wie elegante Menüs heute aussehen können.

Neben den Neuerungen treffen Umsteiger auch auf vertrautes: So lässt sich zum Beispiel nach wie vor per Whispersync der aktuelle Lesestand auf alle Kindle-Geräte und Applikationen übertragen, was auch Lesezeichen und Notizen beinhaltet. X-Ray bietet bei vorbereiteten Büchern eine Fülle an Zusatzinformationen über Personen, Figuren oder Orte der Handlung und vieles mehr. Allerdings fristet diese praktische Funktion bei deutschsprachigen Bücher nach wie vor ein Nischendasein. Mit Kindle Page Flip lässt sich über eine über das Buch gelegte Seite einfach dessen Inhalt durchsuchen, ohne dass die Lesestelle verlassen werden muss. Weiterhin gesellen sich Vokabeltrainer, Kindle Free Time und die integrierte Kindersicherung hinzu. Wörterbücher finden sich für Deutsch (Duden Universalwörterbuch) und Englisch (Oxford Dictionary of English) auf dem Paperwhite.

Rein rudimentär agiert immer noch die Darstellung von ungeschützten PDF-Dokumenten. Deren Möglichkeiten beschränken sich nach wie vor lediglich auf das Vergrößern des Textes und das Springen von einer Spalte zur nächsten, ein PDF-Reflow wird erneut vermisst. Einziger Vorteil gegenüber dem Vorgängermodell ist die höhere Auflösung, welche auch kleinere Schriftgrößen lesbar macht. Dies reicht aus, um etwa kurz in eine Bedienungsanleitung reinzuschauen, für längere Texte ist die Funktion jedoch nicht geeignet.

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