Audible: Börsenverein reicht Kartellbeschwerde ein
Laut dem Börsenverein soll die Amazon-Tochter Audible die eigene Marktmacht ausnutzen, um Verlage in ein Flatrate-Modell für Hörbücher zu zwingen. Dagegen hat der Branchenverband nun parallel eine formale Beschwerde beim Bundeskartellamt eingereicht und sich an die EU-Kommission gewandt.
Diesen Schritt hatte der Börsenverein bereits im Mai dieses Jahres in Erwägung gezogen. Ausschlaggebend ist dabei der weiterhin ausgeführte Druck seitens Audible auf die Verlage, um diese unter anderem durch Kündigung der aktuellen Lizenzverträge in ein Flatrate-Modell zu drängen. So will das Hörbuch-Portal zukünftig nur Hörbücher und Hörspiele in den eigenen Katalog aufnehmen, bei denen die Verlage ebenfalls die Einwilligung für die Verwertung durch ein Festpreis-Modell geben. Dies würde jedoch geringere Einnahmen für die Verlage bedeuten. Ein weiteres Problem: In vielen Fällen beinhalten die Verträge zwischen Verlag, Autoren und Sprechern keinerlei Streaming-Regelungen – gleiches gilt oftmals für verwendete Musik. Die Verlage können somit die von Audible verlangte Freigabe erst gar nicht erfüllen, womit der Titel ebenfalls nicht ins Programm aufgenommen wird. Dem Hörbuch-Aggregator Bookwire, welcher vor allem Hörbücher für kleinere Verlage vertreibt, soll Amazon nach Spiegel-Informationen erst gar kein neues Angebot unterbreitet haben. Vermutlich zielt der Online-Händler darauf ab, in Zukunft Zwischenhändler gänzlich zu umgehen.
Für die Verlage würde damit aber eine wichtige Einnahmequelle wegbrechen: Der Marktanteil von Audible soll derzeit bei 90 Prozent liegen, bis zu 60 Prozent des Umsatzes von Hörbüchern werden aktuell über die Amazon-Tochter abgewickelt. Von diesem Umstand profitieren vor allem kleine Verlage, deren Erzeugnisse im stationären Sortiment kaum eine Chance hätten, sich als Download aber großer Beliebtheit erfreuen. Zudem will Audible laut Buchreport-Informationen ein Vergütungsmodell anwenden, welches dem von Kindle-Unlimited sehr ähnlich ist: Während bei dem E-Book-Angebot nach gelesenen Seiten vergütet wird, soll bei der zukünftigen Hörbuch-Flat minutenweise abgerechnet werden. Lediglich rund 30 Prozent der Erlöse würden bei diese Modell noch beim Verlag landen.
Für den Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins, Alexander Skipis, ist das Ziel in dieser Angelegenheit klar: „Das Geschäftsmodell von Amazon und Audible zielt darauf ab, die ausgezeichneten Buchhandelsstrukturen in Deutschland zu zerstören“. Seiner Meinung nach wäre das Unternehmen auf dem Weg ein Monopol zu errichten, bei dem die Leidtragenden die Hörbuchverlage, Buchhändler sowie der Zwischenbuchhandel wäre. Aus diesem Grund hat der Börsenverein nun eine formale Beschwerde beim Bundeskartellamt eingereicht und sich parallel bei der EU-Kommission beschwert, womit der Branchenverband auch formal Beteiligter des laufenden Kartellverfahrens der Brüsseler Wettbewerbshüter gegen Amazon wird.
Audible könnte sich mit seinen Plänen allerdings ins eigene Fleisch schneiden. Gegenüber dem Branchenblatt Buchreport.Express gab die Medienproduzentin und Verlegerin des Hamburger Silberfuchs-Verlages Antje Hinz bereits Ende Mai dieses Jahres an, dass alleine schon die Erlöse aus den Downloads bei Audible eigentlich kaum eine betriebswirtschaftliche Basis bieten würden. Die Ausschüttungen von Audible sollen sich laut Hinz bei einem Verkaufspreis für ein Hörbuch von 16,95 Euro 2014 durchschnittlich auf 3,18 Euro pro Download belaufen haben – womit die Amazon-Tochter gerade einmal knapp 19 Prozent des Verkaufspreises an den Verlag weitergeleitet hätte. Davon muss dieser jedoch die Produktionskosten bestreiten und trägt zusätzlich das wirtschaftliche Risiko. Würde Audible den bisher beschrittenen Weg weiterhin verfolgen, könnte dies in Zukunft eine deutlich geringer Anzahl von produzierten Hörbüchern zur Folge haben – was sich wiederum auch auf den Katalog von Audible auswirken würde.
Auf der anderen Seite ist Audible gerade aufgrund der zahlreichen ungekürzten Hörbüchern bei den Nutzern beliebt, welche vor allem bei aktuellen Titeln weitestgehend in Kooperation mit den jeweiligen Verlagen entstehen und für eine bestimmte Zeit exklusiv über das Portal vertrieben werden. Oftmals greift Audible auch auf ältere Titel zurück, die für die Verlagshäuser anscheinend keine Hörbuch-Relevanz mehr besitzen. In beiden Fällen ist das Unternehmen aber auf die Lizenzen der Verlage angewiesen. Ob es diese bei der bisherigen Gangart weiterhin erhalten würde bleibt jedoch abzuwarten. Denkbar wäre zudem ein Zusammenschluss verschiedener Verlage zu einem Alternativ-Portal. Aufgrund dieser Szenarien könnte Audible Gefahr laufen, im übertragenen Sinne den eigenen Ast abzusägen, auf dem es sitzt.