Experiment Apple: Ein Android-Nutzer wechselt für ein Jahr zu iPhone und iOS

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Nicolas La Rocco
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Das einfache iOS

Wenn Android für Modding-Geeks der Himmel ist, dann muss iOS die Hölle sein. Ganz so schlimm ist es dann doch nicht, die Möglichkeiten der persönlichen Anpassung fallen im direkten Vergleich mit Android aber definitiv limitiert aus. Apps einfach aus fremder Quelle über den Browser herunterladen und installieren? Fehlanzeige. Interaktive Widgets auf den Homescreen legen? Nicht möglich. App-Symbole nach eigener Vorliebe auf einem der Homescreens positionieren? Auch nicht machbar.

Die Veränderungen, die iOS erlaubt, beschränken sich auf Hintergrundbilder und die Anordnung der App-Symbole nach vordefiniertem Raster, das keine Lücken erlaubt. Hat man sich mit dieser Tatsache erst einmal abgefunden, vermisst man die fehlenden Android-Funktionen nach einer gewissen Zeit nur noch selten.

Das vielfach gehörte „Apple funktioniert einfach“ trifft auf das Betriebssystem weitgehend zu. Im Tausch gegen die Möglichkeit, starke Modifikationen nach Belieben am System vorzunehmen, erhält man ein System, das in den meisten Situationen einfach funktioniert. Als Nexus-Besitzer bin ich zwar nicht von den Update-Kapriolen der meisten Android-Smartphones betroffen, aber selbst Nexus-Besitzer müssen oft Tage und Wochen auf Updates warten. Deswegen greife ich für Updates immer zu den Factory Images, die ab Tag eins zur Verfügung stehen, wirklich komfortabel ist das aber nicht.

Wenn Apple hingegen ein Update freischaltet, ist es sofort für alle Nutzer verfügbar und kann schon in Stunde eins über die Einstellungen geladen und installiert werden. Die Update-Versorgung bei Apple ist vorbildlich. Selbst das vier Jahre alte iPhone 4S wird demnächst noch iOS 9 erhalten. Allerdings häufen sich mit jeder neuen iOS-Version immer wieder die Berichte, dass gerade ältere Modelle mit neuen Versionen deutlich langsamer laufen als zuvor. Modelle wie das iPhone 3G sind darüber hinaus inzwischen quasi nutzlos, da es keine neue iOS-Version mehr erhält, die von vielen Apps inzwischen jedoch vorausgesetzt wird – WhatsApp oder ähnliche Alltags-Anwendungen lassen sich nicht mehr nutzen. Probleme, mit denen ich nach einem Jahr mit dem iPhone 6 Plus noch nicht konfrontiert wurde.

Die unschönen Grenzen

iOS sind trotzdem schon jetzt Grenzen gesteckt, Grenzen, die man bei einem mindestens 800 Euro teuren Smartphone nicht erwartet und die es nicht geben sollte.

In erster Linie ist der magere Arbeitsspeicher zu nennen. Seit dem iPhone 5 hält Apple an lediglich einem Gigabyte Arbeitsspeicher fest. Das iPad Air 2 ist das erste iOS-Gerät mit zwei Gigabyte Arbeitsspeicher. Selbst bei der perfekten Abstimmung von Software auf Hardware, wie sie Apple mit seinem geschlossenen System bieten kann, kann es deswegen zu Engpässen während der Nutzung kommen.

Das Nachladen von Websites ist fester Bestandteil der Safari-Nutzung
Das Nachladen von Websites ist fester Bestandteil der Safari-Nutzung

Am auffälligsten ist der geringe Arbeitsspeicher bei der Nutzung des Browsers. Sobald mehrere Apps und Tabs offen sind, kommt es regelmäßig und reproduzierbar zum Nachladen von Websites. Wer mehrere Artikel in verschiedenen Tabs liest, muss beim Wechsel zwischen diesen stets mit dem Neuladen der Website rechnen. Das ist insbesondere dann ein echtes Problem, wenn auf einer Seite ein Eingabeformular teilweise ausgefüllt ist und aus einem anderen Tab per Copy und Paste Daten in das Formular kopiert werden sollen. Kaum wird der andere Tab geöffnet, lädt die Website neu und alle Daten dürfen erneut eingegeben werden. Gerüchten zufolge wird Apple das iPhone 6S mit zwei Gigabyte ausstatten, dieser Schritt hätte aber schon viel früher erfolgen müssen. Denn auf dem iPad Air 2 treten diese Probleme nicht auf.

Die nervigen Kleinigkeiten

iOS hat aus Sicht eines Android-Nutzers aber auch negative Eigenschaften, die mit der vorhandenen Hardware möglich gewesen wären zu lösen.

Zu nennen ist hier beispielsweise die Multitasking-Ansicht, die sogar ein Sicherheitsproblem hat. Wenn man als Nutzer eine App verlässt, speichert iOS die letzte Ansicht der App, um diese anschließend für die Multitasking-Ansicht zu nutzen. Auf dem iPhone 6 Plus gibt es aber zwei dieser Ansichten: eine für die vertikale und eine für die horizontale Nutzung des Smartphones. iOS hat die nervige Eigenschaft, diese zwei Menüs nicht untereinander anzugleichen. Die horizontale Multitasking-Ansicht hat demnach einen anderen Inhalt als die vertikale.

Daraus ergibt sich folgendes Problem: Besucht man zum Beispiel in der horizontalen Lage mit Safari das persönliche Online-Banking, wechselt dann zum Homescreen und in die vertikale Ausrichtung, öffnet anschließend wieder den Browser, loggt sich aus dem Online-Banking aus und wechselt dann zu einer anderen Website, zeigt die horizontale Multitasking-Ansicht weiterhin das geöffnete Online-Banking an, obwohl sich längst ausgeloggt und zu einer anderen Website gewechselt wurde.

Abweichende Multitasking-Ansicht wird zum Sicherheitsrisiko
Abweichende Multitasking-Ansicht wird zum Sicherheitsrisiko

Als Apple 2009 mit iPhone OS 3.0 erstmals Ausschneiden, Kopieren und Einfügen auf dem iPhone und iPod touch anbot, hat man diese Funktion einfach, praktisch und vor allem präzise umgesetzt. Als Android-Nutzer finde ich es aber bis heute nervig, wie unter iOS der Cursor an eine bestimmte Stelle im Text gesetzt werden muss und wie ungenau dieser Vorgang manchmal ist. Im Gegensatz zu Android kann man nämlich nicht einfach an die gewünschte Stelle tippen und der Cursor erscheint dort. Stattdessen muss immer erst lange auf das Display gehalten werden, bevor eine Lupe erscheint, unter der dann der Cursor zur richtigen Stelle bewegt werden kann. Das sind zu viele Schritte.

An diese Methode hält sich aber auch Apple nicht durchweg: An den Anfang oder das Ende eines Wortes kann der Cursor auch immer frei gesetzt werden. Das geschieht aber stets ungenauer, je kürzer die Wörter sind. Entweder reagiert iOS gar nicht, setzt den Cursor an die falsche Stelle oder öffnet ungewollt das Menü für Cut, Copy und Paste.

Nervige Eigenschaft: Ab sechs Bildern wird der E-Mail-Versand deaktiviert
Nervige Eigenschaft: Ab sechs Bildern wird der E-Mail-Versand deaktiviert

Ich schicke mir gerne selbst E-Mails mit Screenshots aus iOS, um diese in Artikel einzubauen. Dass mich Apple dabei unabhängig vom E-Mail-Anbieter auf den Anhang von fünf Fotos pro E-Mail beschränkt, will mir seit Tag eins der Nutzung des iPhones nicht in den Kopf gehen. Glücklicherweise bleibe ich häufig unter diesem Limit, das ist aber eben nicht immer der Fall. Dann bleibt nur noch die Aufteilung in mehrere E-Mails oder der Griff zum Lightning-Kabel. Glücklicherweise erlaubt Apple zumindest die Dateiübertragung von Fotos und Videos, ohne dass iTunes installiert sein muss. Dann wird einem als Nutzer aber ein Konvolut von scheinbar willkürlich benannten Ordnern vor den Kopf gestoßen, durch die man sich jedes Mal von neuem klicken darf.

Unglücklich gestaltet finde ich zudem das Menü für Einstellungen, in das sich jede App einnisten darf, um die Liste langsam aber stetig zur Marathonstrecke für Wischgesten zu machen. Dabei erachte ich meine Anzahl an nachträglich installierten Apps noch nicht einmal für sonderlich hoch. Nicht anfreunden kann ich mich zudem mit der Position des Bluetooth-Schalters im Control Center. Zu oft habe ich erst nach Stunden bemerkt, dass ungewollt Bluetooth aktiv ist, weil der Schalter genau in der Einflugschneise des Daumens liegt, wenn man das Control Center wieder schließen will.