Alte Spiele unter Windows 10: Vom Versuch, 150 Klassiker auf HDD zu archivieren

 2/2
Max Doll
166 Kommentare

Das leidige Thema Kopierschutz

Sind Spiele und Updates erfolgreich auf die Festplatte transferiert, steht der funktionierenden Software im Allgemeinen nur ein Hindernis mit breitem Kreuz entgegen: Der Kopierschutz.

Vor allem Produkte während der Hochphase restriktiver Mechanismen zu Beginn des Jahrtausends versagen reihenweise den Dienst. Dies betrifft schon seit längerem die bei Nutzern zu Recht verhassten StarForce-Produkte, nun aber auch Safedisc und SecuROM – im Prinzip ist nunmehr fast jedes Spiel dieser Ära unter Windows 10 betroffen und verweigert den Start. Was noch per CD funktioniert, ist eine absolute Minderheit, selbst vorsichtig geschätzt scheitern mindestens drei Viertel aller aufgespielten Titel bereits an diesem Punkt.

Publisher patchen nur vereinzelt

Offizielle Abhilfe gibt es nur in Ausnahmen. Ubisoft entfernt etwa den Kopierschutz von Far Cry 2 per Update und liefert Prince of Persia (2008) gleich gänzlich ohne Sicherungsmaßnahme aus. Die davor erschienenen Teile der Prinzen-Trilogie bleiben hingegen weiterhin unter anderem mit StarForce gesichert, obwohl eine DRM-freie Version der Spiele über GoG angeboten wird. Ähnlich unfreundlich geht Rockstar mit der Disc-Version von GTA IV um, deren Aktivierung manuell und überaus umständlich erfolgen muss, obwohl eine problemlose Steam-Variante existiert.

Eine kohärente Strategie gibt es von keinem Publisher, derartige Updates sind ein Glücksspiel mit schlechten Gewinnchancen. Von StarForce-Spielen existieren zudem zumindest vereinzelt alternativ über Werbung oder staatliche Institutionen finanzierte Gratis-Versionen, die auch nach Ende der Ad-Server legal heruntergeladen und gespielt werden können, darunter Rise & Fall: Civilizations at War oder der Ego-Shooter Area 51. Ansonsten hilft an dieser Stelle tatsächlich lediglich der Neukauf auf digitalen Vertriebsplattformen oder vollständig DRM-frei auf GoG.com.

Darf der Kopierschutz zum Archivieren umgangen werden?

Ob sich die Hürde Kopierschutz speziell in Anbetracht der Safedisc-Problematik unter Windows 10 ohne Neukauf der legal erworbenen Software umschiffen lässt, ist aus diesem Grund eine Frage, über die nicht nur bei ComputerBase-Lesern Unklarheit herrscht. ComputerBase hat sich deshalb für eine fach- und sachgerechte Einschätzung an Rechtsanwalt Sebastian Ehrhardt gewendet.

Rechtlich, so Ehrhardt, bleibt die Sachlage trotz fehlender Treiber unverändert: Nutzer erwerben durch den Kauf eines Titels „ein Nutzungsrecht an der Videospiel-Software, beschränkt auf den bestimmungsgemäßen Gebrauch“. Dieser ist definiert als die „Nutzung eines Videospiels mit funktionierendem Kopierschutz“. Demnach sind Spiel und Kopierschutz nicht voneinander zu trennen, die Nutzung umschließt das gesamte Produkt im Auslieferungszustand inklusive aller auf der CD oder DVD vorhandenen Komponenten. Das macht die Umgehung eines Kopierschutzes zu einer strafbaren Handlung:

Es besteht zum einen kein Zwang, ein bestimmtes Betriebssystem zu nutzen, und zum anderen einen etwaigen OS-Patch aufzuspielen. Vielmehr muss hier auf ein Handeln der jeweiligen Software-Hersteller, z.B. durch Patches für die Software, abgewartet werden, um die Funktionsfähigkeit der Software wieder herzustellen.

Sebastian Ehrhardt

Weil die Verwendung eines modernen Betriebssystems wie Windows 10 oder bestimmten Updates freiwillig ist, gelten die Paragraphen des Urheberrechtsgesetzes weiterhin – Nutzer könnten theoretisch auch ein älteres OS verwenden, für das die Software geschrieben wurde; auch wenn Microsoft das wiederum zum Ende des Support-Zeitraums anders sieht.

Und Trotzdem: Auch wenn Microsoft die Unterstützung von Safedisc einstellt, haben Spieler damit kein besonderes Recht zur Umgehung des Kopierschutzes, sofern der Publisher nicht explizit eine Erlaubnis erteilt. Im Fall von Mech Warrior 4: Mercenaries ist dies in der Tat bereits geschehen; der MekPak-Mod entfernt mit dem Segen von Microsoft den Kopierschutz des Spiels. Far Cry 2 und World in Conflict zeigen hingegen, dass ein Publisher bisweilen selbst den Kopierschutz per Update entfernt. Allerdings ist dies in zeitlicher Nähe zur Veröffentlichung der Spiele während oder zum Ende ihrer „Lebensdauer“ mit größerer aktiver Spielerschaft geschehen und keine Reaktion auf die Besonderheiten von Windows 10 – auf diese Begebenheit hat bislang noch kein Publisher reagiert.

Das Umgehen von technischen Kopierschutzmechanismen steht zwar unter Strafe, bleibt aber dann sanktionslos, wenn die Tat ausschließlich zum eigenen privaten Gebrauch des Täters erfolgt.

Sebastian Ehrhardt

Rechtlich bleibt die Sachlage klar: Cracken nicht erlaubt

Obwohl das Umgehen eines Kopierschutzes, wie Sebastian Ehrhardt gegenüber ComputerBase hervorhebt, im Einzelfall keine strafrechtlichen Konsequenzen haben muss, aber zivilrechtliche Folgen nach sich ziehen kann, fällt die fachliche Einschätzung eindeutig aus: Nutzer sollten „auf einen etwaigen Patch seitens der Spielehersteller warten“.

Damit zeigt sich noch einmal, wie problematisch der gegenwärtige Umgang von Publishern mit den Kopierschutzmaßnahmen ihrer älteren Veröffentlichungen für Fans der Klassiker wie auch für ehrliche Käufer tatsächlich ist. Denn die Software selbst funktioniert oder wird, soweit rechtlich möglich, von einer engagierten Community am Laufen gehalten. Eine Lösung in Form des Reclaim-Programms von GoG hat seit Start keinerlei Fahrt aufgenommen. Auf Nachfrage von ComputerBase betonte das Unternehmen lediglich erneut, das Reclaim-fähige Spieleangebot ausbauen zu wollen. Die Idee eines lediglich temporären Kopierschutzes erscheint insofern als ferne Utopie.

Fast alle Titel _könnten_ noch laufen

Neben Beyond Good & Evil ließen sich unabhängig des Kopierschutzes nur die Strategiespiele Universe at War, Knights of Honor sowie der Ego-Shooter Vietcong endgültig nicht zur Mitarbeit überreden. Das Rundenstrategiespiel Shattered Union kann als Grenzfall gewertet werden: Ein Start funktioniert nur dann, wenn der Systemspeicher manuell auf zwei Gigabyte begrenzt wird. Problematisch, wenngleich nicht fatal sind zudem Direct-Draw- und Eigenbau-Engines wie im Strategiespiel Cossacks. Bei derart alten Spielen hilft in Anbetracht der Leistungsfähigkeit moderner Rechner zur Not aber eine Virtual Machine mit Windows XP, während Titel etwa auf Basis der Unreal- oder ID-Tech-Engine den Transfer von Lösungsansätzen erlauben und deshalb alleine aufgrund ihrer Verbreitung unproblematisch sind.

Je durchschnittlicher allerdings ein Spiel geraten oder je geringer das Interesse der Spielerschaft bei Erscheinen ausgefallen ist, desto schlechter die Chancen für den fortgesetzten Betrieb. Im Endeffekt findet sich aber für quasi jedes Problem, das aus der Kombination von alter Software und modernem Betriebssystem resultiert, eine mehr oder zumeist weniger aufwändige Lösung.

Wenn es scheitert, dann am Kopierschutz

Dies zeigt auch der Gegentest mit Windows 8.1, das verschiedene Kopierschutz-Maßnahmen zumindest prinzipiell in Betrieb lässt: An und für sich funktionieren alle aufgespielten Spiele noch immer. Lediglich beim Kopierschutz, an dem Fans nicht legal Hand anlegen dürfen, scheitert die Klassik-Pflege. Für die Branche, die gezielt um ehrliche Käufer werben müsste, ist dies kein positives Zeugnis.

Hilfreiche Anlaufstellen für Patches, Tipps und Mods

Eine Handvoll Internetseiten war für das erfolgreiche Aufspielen und Starten der Klassiker unerlässlich. Updates nicht nur für Spiele längst vergessener und geschlossener Studios hält Patches-Scrolls in mehreren Sprachen und für unterschiedliche Regionalversionen bereit. Gamers Hell ist hilfreiche Anlaufstelle für Updates englischer Originalversionen.

Grundsätzlich empfiehlt sich in jedem Fall das Heraussuchen und Aufspielen der letzten Patchversion. Bei einer kleineren Anzahl von Spielen wurde mit einigem Abstand zum Erscheinungstermin der Kopierschutz offiziell entfernt, zudem verbessert sich oftmals die Kompatibilität zu aktuellen Betriebssystemen. Einen guten Überblick zu fast allen Besonderheiten, Updates, der Kopierschutz-Version und wichtigen Fan-Modifikationen sowie Fan-Updates hält die PC Gaming Wiki bereit. Dort sowie vertiefend im Widescreen Gaming Forum (WSGF) finden sich zudem oftmals Möglichkeiten zur Wahl von Widescreen-Auflösungen mit angepasstem Sichtfeld.

Die wichtigsten Mods, Karten und Skins halten abschließend die ModDB sowie für Rollenspiel-Größen Nexusmods bereit.

Dieser Artikel war interessant, hilfreich oder beides? Die Redaktion freut sich über jede Unterstützung durch ComputerBase Pro und deaktivierte Werbeblocker. Mehr zum Thema Anzeigen auf ComputerBase.

25 Jahre ComputerBase!
Im Podcast erinnern sich Frank, Steffen und Jan daran, wie im Jahr 1999 alles begann.