Fallout 4 im Test: Dank gelungenem Dreiklang das Spiel des Jahres?

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Sasan Abdi
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Story mit zwei großen Pfeilern

Wieder aufgewacht muss unser Held feststellen, dass seine Frau erschossen und sein Sohn entführt wurde. Womit bereits der große, tragende Aspekt der Story benannt wäre, der in folgenden Fragen mündet: Was steckt hinter dem Betrug des Bunker-Betreibers? Wer verbirgt sich hinter den Machenschaften? Und vor allem: Wo ist Shaun?

Es ist ein wenig plump, dass der Entwickler den vielleicht ältesten Instinkt der Menschen, die Fürsorge für die eigenen Kinder, aktiviert, um für Fallout 4 zu interessieren. Allein, es funktioniert: Als großes Fragezeichen im Hintergrund trägt die Suche nach Shaun gut, zumal sie inhaltlich immer wieder sinnvoll in die Hauptmissionen einfließt, etwa wenn wir einen Privatdetektiv retten, der auf das Auffinden vermisster Personen spezialisiert ist.

Fallout 4 im Test
Fallout 4 im Test

Hinzu kommt, dass das Schicksal des Sohnes und die Zusammenhänge nicht der einzige treibende Inhalt sind. Als zweiter großer Pfeiler der Story dient ein Thema, das ebenfalls nicht taufrisch ist: Der Nutzen und die Gefahren von Technologie und das Verhältnis zwischen Menschen und synthetischen Wesen. Zwar bleibt dieser Strang der Erzählung inhaltlich deutlich schwächer als die Suche nach Shaun, doch ergänzt er das Bild insofern, da es so in der Fallout-Welt nicht nur gefühlsduselig um die eigene Familie geht. Stattdessen wird zumindest auch angedeutet, an welchen Frontlinien zukünftig gesellschaftliche Grabenkämpfe ausgefochten werden könnten, was ein passabler Hintergrund für ein postapokalyptisches Setting ist.

Auf dieser Grundlage überzeugt der Plot von Fallout 4 in hohem Maße und zugleich deutlich stärker als etwa in Fallout 3. Auch wenn dies nicht bedeutet, dass die Erzählung nicht ihre Hänger hätte.

Abgefedert werden diese Strecken aber von vielen kleinen inhaltlichen Abzweigen, die in Form von Nebenquests eingeflochten sind. Wenn wir einem mysteriösen Armeesignal nachgehen oder das Schicksal einer Abenteurergruppe erforschen, ist schnell vergessen, dass bei den Hauptsträngen gerade erzählerisch Ebbe herrscht. Darüber hinaus stolpern wir bei unseren Streifzügen durch die Spielwelt immer wieder über Gegenden und Gebäude, die zum Erkunden einladen – und es tatsächlich auch fast immer wert sind.

Abwechslungsreiche Spielwelt

Dass das Erkunden so viel Spaß macht, liegt auch an der zweiten großen Stärke von Fallout 4: Der Spielwelt. Größter Trumpf ist die große Abwechslung, die das großzügig angelegte Gebiet bietet. Küstengegenden, Wälder, Gehöfte und im Zentrum das detailreich in Szene gesetzte Boston mit zerstörten Wolkenkratzern und historischen Plätzen sorgen dafür, dass man den Umgebungen nicht überdrüssig wird.

Ein kleines Highlight ist dabei die Diamond City, die im ehemaligen Bostoner Baseballstadion errichtet wurde und so etwas wie ein Hort der Stabilität im noch immer ordentlich verstrahlten Gebiet ist. Hier können wir an unterschiedlichsten Ständen handeln, uns eine neue Frisur verpassen, ein wenig von der Lokalpolitik mitbekommen und allerlei Details und Informationen aufschnappen.

Fallout 4 im Test
Fallout 4 im Test

Vor den Toren von Diamond City und insbesondere im Ödland trifft unser Held natürlich auf allerlei mutierte und nicht-mutierte Gegner. Aggressive Supermutanten, Ghuls und allerlei verstrahlte Tiere wie Hunde und Riesenkakerlaken bilden die eine große Fraktion, marodierende Räuber die andere.

Gelungen ist dabei, dass die Entwickler einen guten Mittelweg bei der Belebung der Umgebungen wählen: Immer mal wieder, aber eben auch nicht ständig, trifft man auf die besagten Gegner, wobei ganz klar ist, dass zentrale Punkte natürlich nie begangen werden können, ohne dass der Spieler auf Widerstand trifft. So wirkt die Welt von Fallout 4 einerseits lebendig, ohne aber zu überzeichnen, was gerade angesichts des postapokalyptischen Settings schlecht für die Spielatmosphäre wäre.

Für weitere Abwechslung sorgen die Fraktionen, deren ideologische Ausrichtung den Standpunkten beim Umgang mit synthetischen Wesen entsprechen. So können wir uns etwa der quasi-religiösen Stählernen Bruderschaft anschließen, die Technologie als Übel ansieht und die „Synths“ und ihre Erschaffer am liebsten tot sehen will. Oder wir schlagen uns auf die Seite der Railroad, die sich auf die Rettung der Androiden spezialisiert hat. Wer etwas für's gemeine Volk tun möchte, wird allerdings lieber die Minutemen-Miliz aufbauen, die sich dem Schutz der Siedler verschrieben hat. Und dann ist da auch noch eine vierte Fraktion, die im besagten Zwist eine ganz eigene Rolle spielt.

Damit ist auch fraktionspolitisch für Abwechslung gesorgt, zumal wir uns nicht sofort für eine Seite entscheiden müssen. Stattdessen kann der Spieler sich Stück für Stück vortasten, die Standpunkte – und vor allem: Vor- und Nachteile – der Gruppierungen kennenlernen.