Deserts of Kharak im Test: Homeworld in der Wüste

 2/3
Max Doll
64 Kommentare

Verluste schmerzen

Die Dramatik von Schatzsuche einerseits und Überlebenskampf andererseits hält Homeworld jederzeit gelungen aufrecht. Zahlreiche Raumschiffswracks aus der Wüste sind nach fachgerechter Sprengung, welche den vorherigen Titel des Spiels erklärt, nicht nur die einzige Quelle von Rohstoffen, sondern auch eine Quelle von außerirdischer Technologie. Weil die fanatischen Gaalsien penetrant alles daran setzen, die Expedition aufzuhalten, lebt die Wüste geradezu: Aufgrund der steten zahlenmäßigen Unterlegenheit der eigenen Flotte entsteht ein hervorragendes Bedrohungsszenario.

Ressourcen und Truppen sind dabei gleichermaßen selten: Das alte Homeworld-Konzept einer durch die Kampagne hinweg konsistenten Flotte passt hervorragend zu dem gewählten Szenario. Dabei werden sowohl die gesammelten Rohstoffe als auch die produzierten Einheiten von Mission zu Mission übernommen, was zur Vorsicht beim Taktieren zwingt: Der massive Einsatz von Material kann zwar den Sieg in einer Schlacht kaufen, im nächsten Gefecht aber zu Nachteilen führen – wenn der Nachschub fehlt, steigt der Schwierigkeitsgrad.

Sackgassen gibt es nicht

In eine Sackgasse zu geraten wird durch zwei sinnvolle Schutzmaßnahmen verhindert. Erstens kann jede Mission aus dem Hauptmenü heraus mit einer auf die Herausforderung abgestimmten Basisflotte begonnen werden, zweitens stehen in den Missionen progressiv mehr Rohstoffe zur Verfügung, sodass sich Verluste tendenziell ausgleichen lassen. Ein taktisches Umdenken und eine gewisse Vorsicht zahlen sich aber doppelt aus: In fünf Stufen gewinnen Veteranen einen ordentlichen Bonus an Schlagkraft.

Das „Mothership“ heißt jetzt Kapisi
Das „Mothership“ heißt jetzt Kapisi

Das neue Mutterschiff kann mehr – aber nicht fliegen

Kern einer Flotte ist einmal mehr das unersetzliche „Mutterschiff“, das sich in diesem Fall als motorisierter Flugzeugträger entpuppt. Raum- und Wüstenschiffe unterscheiden sich funktional nur wenig mehr als in der Fähigkeit zum Flug. Die „Kapisi“ hat gegenüber dem „Mothership“ nun jedoch nicht nur den Vorzug, durch ihren Namen an eine ähnlich benannte Figur einer populären TV-Serie zu erinnern, sondern kann als neues Herz der Flotte verschiedene Rollen übernehmen. Wie der Träger eingesetzt wird, hängt konkret von der Energieverteilung für die verschiedenen Systeme ab. Je nach Zuteilung kann die Kapisi als Herz der Flotte unterstützende oder offensive Rollen übernehmen, sie bleibt aber in jedem Fall sinnvoller Teil eines Großverbandes anstelle einer statischen „Produktionshalle“.

Die Nahansicht hat keinerlei Nutzen
Die Nahansicht hat keinerlei Nutzen

Ein wenig führt sich das System konsistenter Flotten selbst ins Abseits: Nach den ersten paar Missionen werden leichte Fahrzeuge nutzlos, die nächstgrößere Klasse ereilt dieses Schicksal in schwächerer Form zu einem späteren Zeitpunkt. Beide werden trotz Veteranenstufen zu einer Wegwerf-Lösung. Dank der großzügigeren Vorkommen von „Construction Units“ wird das eine mögliche Strategie für eine taktisch zunehmend nutzlosere Einheitengattung, die Opfer der beschränkten KI wird. Der stehen wie so häufig in Strategiespielen unbegrenzte Rohstoffe und in manchen Szenarien unbegrenzte Verstärkungen zur Verfügung – so wird Intelligenz durch Penetranz ersetzt und leichten Einheiten ihre klassische Rolle als Störer verwehrt. Durch numerische Unterzahl, gut gefüllten Karten mit klassischen Engstellen und klaren Frontlinien bewährt sich vor allem das schwerste verfügbare Gerät ebenso wie langsames, bedächtiges Voranschreiten. Das verhindert nebenbei, dass die bei größeren Gruppen bisweilen überforderte Wegfindung größeren Schaden anrichten kann.

Das Balancing der Kampagne passt nicht ganz

Kreuzergruppen fegen im Allgemeinen die angreifenden Mischgruppen vom Feld, die zum großen Teil aus günstigen Fahrzeugen bestehen. Diese werden trotz immer gleicher Zusammensetzung und oft fester Angriffsrouten durch massive Überzahl und endlose Masse gefährlich, ein Kniff, der zumindest die Atmosphäre rettet und schließlich die Stellung des Artilleriekreuzers zementiert. Das langsame Voranrollen mit dem „Expedition Carrier“ oder einer Anzahl Schlachtkreuzer als Kugelmagnet wird in der Kampagne taktischer Standard; das Versprechen „taktischer Gefechte“ und „strategischer Entscheidungen“ der Steam-Produktseite bezieht sich also weit stärker auf Online- sowie Skirmish-Duelle, für die Nutzeroberfläche und Mechaniken ohnehin etwas besser geeignet sind.

Klotzige Schlachtkreuzer und Artillerie im Einsatz
Klotzige Schlachtkreuzer und Artillerie im Einsatz

Reine Abnutzungsschlachten verhindert dabei der zweite Rohstoff: Die nur in geringer Zahl verfügbaren „Ressource Units“ werden für Upgrades und mächtige Einheiten vor allem der Kreuzer-Klasse vorausgesetzt. In der Kampagne sind jedoch immerhin genug dieser seltenen Materialien vorhanden, um jede Art Upgrades erforschen zu können. Ausgewählt werden muss daher nur in anderen Spielmodi. So inszeniert die Kampagne zwar einen Überlebenskampf, bleibt aber zu sehr hinter den Möglichkeiten zurück. Wer ein wenig mitdenkt, kann Verluste vollständig vermeiden und sich auch dank der einfallslosen KI mit ein wenig Ausdauer ein nettes Rohstoff-Polster beiseite legen. Zeit steht ohnehin grenzenlos zur Verfügung – hier hätte Homeworld ruhig härter zubeißen dürfen.

Der neue Weltraum

Solche Beobachtungen bedeuten jedoch nicht, dass die Wüstenduelle zu einer anspruchslosen oder gar langweiligen Angelegenheit werden. Neben dem abwechslungsreichen Missionsdesign sorgt das Terrain für Tiefgang: Die drei Höhenstufen zu berücksichtigen und Dünen geschickt als Deckung oder Schussplattform einzubeziehen, gewährt handfeste Vorteile im Gefecht, die stets drückenden Gegner verlangen konstante Aufmerksamkeit und das bisweilen an mehreren Stellen der Karte zugleich. Abseits von Terrainhöhe bleibt die Wüste aber eine austauschbare Tapete, die ihre Gefährlichkeit aus der bleigetränkten Luft bezieht. Die Alibi-Mission mit wandernden Sandstürmen, die leicht gepanzerte Kombattanten bedrohen, einmal ausgenommen, ist Kharak beileibe kein neues Dune.

Der Sensor-Modus ist ein Rohdiamant

Trotzdem reicht das, um sich angemessen als Flottenkommandant zu fühlen. Ein echter Glücksgriff ist in diesem Zusammenhang der (altbekannte) „Sensor Mode“, der als Ersatz für die Minimap eine abstrakte Sicht auf das gesamte Geschehen des Schlachtfeldes gewährt. Mit großen Einheitensymbolen, einer Visualisierung der ansonsten eher schlecht einsehbaren Terrainstufen und hoher Zoomstufe lässt sich hervorragend taktieren und reagieren. Unterstützt wird die Kommandanten-Simulation von gelungenen Audiohinweisen der Untergebenen, die dann Laut geben, wenn sich Feinde ihrem Sensorbereich nähern. Dargestellt wird nahende Gefahr aber zunächst nur per grober Markierung, die nichts über die Zusammensetzung oder Art der Bedrohung verrät. Details gibt erst echter Sichtkontakt preis – ein gelungener Schachzug, der nicht offline funktioniert. In der Kampagne werden gegnerische Bewegungen auch ohne eigenen „Sensor“ in der Nähe angezeigt, Überraschungen gibt es dort nur per Skript.

Der „Sensor Mode“ bereichert Homeworld ungemein
Der „Sensor Mode“ bereichert Homeworld ungemein

Obwohl sich im Prinzip das gesamte Spiel über diese Ansicht prächtig steuern ließe, fehlt es an Unterscheidungsmerkmalen zwischen schweren Einheitentypen. Wer mit zehn absolut gleichen Symbolen Schlacht- von Artilleriekreuzern unterscheiden muss, fummelt deutlich zu lange in einem eigentlich intuitiven System und muss sich auf Einheitengruppen verlassen. Der Behelf hakt wiederum an der Flottengröße; das Spieldesign zielt nicht nur hier eher auf Online-Duelle mit geringerer Truppenstärke. Die Idee reicht dennoch in ihrer aktuellen Form ohne Frage, um wie angekündigt die Homeworld-Seele einzufangen: Das Rollenspiel als Flottenkommandant unterhält in der acht bis zehn Stunden andauernden Kampagne glänzend. In Commander-Sicht, die tatsächlich 50 und mehr Prozent der Spielzeit sinnvoll den Bildschirm füllt, Luftschläge zu planen, Aufklärungsflüge zu starten und Truppen zu positionieren, fühlt sich stets angenehm abstrakt an. So wird das Gefühl vermittelt, tatsächlich eine Schlachtgruppe zu kommandieren.

Umlernen für den Online-Part

Darüber hinaus gibt es in Homeworld aber kaum Spektakuläres. Im Skirmish-Modus versagt die eigentlich aggressive, aber taktisch inkompetente KI, die ebenso wenig Kreuzer ins Gefecht schickt wie auf den Spieler reagieren will und sich so vortrefflich ins Knie schießt. Neben der nun kleineren Flottengröße und weit besseren Übersicht, die dem Interface viel besser gerecht wird, unterscheiden sich Kampagnen- von Online-Gefechten auf weitere Arten. Angepasst wurden Kosten von Einheiten, teils deren Fähigkeiten sowie Veteranen-Boni. Wie die plötzlich begrenzte Flottengröße, die je nach Fraktion auf unterschiedliche Weise angehoben werden kann, versagt das neue Homeworld aber beim Erklären dieser Änderungen.

Mit je zwei Karten für zwei und vier Spieler sowie einer weiteren Umgebung für sechs Anwender und bestenfalls drei „Spielmodi“ – Capture the Flag, Deathmacht und Free-for-All – bietet der Online-Modus keine langfristige Perspektive, obwohl das Spieldesign eigentlich auf diese Art von Gefechten zu zielen scheint und dort, von seiner Homeworld-Story befreit, mit einem stimmigen Konzept und frischen Elementen gut unterhält. Weil sich einzelne Gefechte zudem in die Länge ziehen, haben Spieler dabei die nötige Zeit für taktische und strategische Überlegungen – eine wunderbare Basis für packende Gefechte.