Streit um iPhone: Apple-Chef geht auf Konfrontationskurs zum FBI

Andreas Frischholz
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Streit um iPhone: Apple-Chef geht auf Konfrontationskurs zum FBI
Bild: Mike Deerkoski | CC BY 2.0

Im Streit um die Hacker-Software für das FBI legt Tim Cook nun im Interview mit dem amerikanischen Nachrichtensender ABC nach: Wenn Apple es dem FBI ermöglichen würde, die Sperrfunktion von dem iPhone zu umgehen, wäre das für die Sicherheit der Nutzer wie ein „Krebsgeschwür“.

Ein Fall mit Signalwirkung

Grundsätzlich lautet die Argumentation: Der Kampf um Verschlüsselungen hat eine neue Dimension erreicht, wenn ein Anbieter wie Apple eine Software für Behörden entwickeln muss, um Sicherheitsfeatures abzuschalten. Denn auf diese Weise werde eine Hintertür geschaffen, die letztlich eine Sicherheitslücke für Millionen von Nutzern darstelle.

Ein weiteres Problem mit dem aktuellen Gerichtsbeschluss: „Wenn uns ein Gericht auffordern kann, dieses Stück an Software zu schreiben, denkt mal darüber nach, zu was sie uns sonst noch auffordern können – vielleicht ist es ein Betriebssystem für die Überwachung, vielleicht ist es eine Möglichkeit für Sicherheitsbehörden, um die Kameras einzuschalten“, so Cook.

Hacker-Software als Präzedenzfall

Ebenso wie zahlreiche Branchenvertreter und Bürgerrechtler geht Cook nicht davon aus, dass es nur bei diesem einen Fall bleibe. Vielmehr werde mit dem Gerichtsbeschluss ein Präzedenzfall geschaffen, der komplett in die falsche Richtung geht. „Ich weiß nicht, wo es stoppt. Aber ich weiß, dass es nicht das ist, was in diesem Land passieren sollte“, so der Apple-Chef.

Cook bekräftigt damit, dass Apple die Forderungen des FBI nicht erfüllen will. Der Fall dreht sich um das iPhone 5C von einem der Attentäter, die im Dezember in San Bernardino einen Anschlag verübt hatten. Nun kann das FBI derzeit nicht auf die verschlüsselten Inhalte zugreifen, weil der PIN nicht vorliegt. Daher hat die Behörde per Gerichtsbeschluss durchgesetzt, dass Apple eine Hacker-Software entwickeln soll, um Sicherheitsfeatures für die Sperrfunktion auszuhebeln. Auf diese Weise soll es dann möglich sein, den PIN per Brute-Force-Methode zu knacken.

Microsoft unterstützt Apple

Dass Apple diesen Gerichtsbeschluss anfechten will, wird praktisch von der kompletten Tech-Branche unterstützt. Neben Branchengrößen wie Facebook, Google und Twitter hat mittlerweile auch Microsoft angekündigt, dass der Konzern sich bei einer Anhörung im US-Kongress für Apple aussprechen will. Bei dem Gerichtsbeschluss gehe es um mehr als ein Smartphone, denn „jeder Fall hat Auswirkungen auf andere“, erklärte Microsofts Chef-Justiziar Brad Smith laut einem Bericht von Bloomberg.

FBI wirbt um öffentliche Gunst

Derweil beharren sowohl das FBI als auch das amerikanische Justizministerium auf der Forderung, dass Apple den Gerichtsbeschluss umsetzen soll. Nachdem Apples Widerstand zunächst als Marketing-Strategie bezeichnet wurde, räumte FBI-Direktor James Comey in einem offenen Brief vom letzten Wochenende ein, dass bei dem aktuellen Fall eine Spannung zwischen der Privatsphäre und der Sicherheit bestehe. Dennoch verteidigte er das Vorgehen der Behörde. „Es geht um die die Opfer und Gerechtigkeit“, so Comey.

In diesem Kontext erklärte er zwar auch, dass kein Präzedenzfall geschaffen werden soll. Doch von dieser Position ist er schnell abgerückt. Laut einem Bericht von The Intercept sagte Comey am Donnerstag im Geheimdienst-Komitee des US-Kongresses: Wenn Apple einen separaten Code für das FBI schreiben muss, um das iPhone zu entsperren, wäre das „aufschlussreich für andere Gerichte“.

Eine Argumentation, die auch besser zum bisherigen Vorgehen des FBI passt. Denn mittlerweile wurde bekannt, dass bereits zwölf Fälle existieren, in denen Apple die Sperrfunktionen eines iPhones umgehen sollte. Und dabei ging es nicht um Terrorismus, sondern um Alltagskriminalität wie etwa Drogendelikte. Von einem Einzelfall kann demnach also keine Rede sein.

Apple: Hacker-Tools bereits im Vorfeld verhindern

Ohnehin zählt Comey zu den schärfsten Kritikern von Verschlüsselungsverfahren. Seit Jahren fordert er, dass Anbieter wie Apple und Google verschlüsselte Inhalte bei Bedarf aushändigen sollen – selbst wenn dafür Hintertüren in die Algorithmen eingebaut werden müssen. Diese bewerten Krypto-Experten gemeinhin als Sicherheitslücken, die auch ein Einfallstor für Kriminelle darstellen können.

Laut einem Bericht der Washington Post will Apple daher den Kampf um die Hacker-Software nicht nur auf politischer, sondern auch auf technischer Ebene führen. Bei den Sicherheitsstandards für die Sperrfunktion soll so nachgerüstet werden, dass Apple künftig keine Möglichkeit mehr hat, ein Hacker-Tool für das FBI bereitzustellen. Konkret geht es dabei um die iOS-Sicherheitsarchitektur „Secure Enclave“, die einige der sensibelsten Daten wie etwa den Verschlüsselungs-Key schützt.

Das Problem ist nun: Bei Secure Enclave können derzeit noch Updates eingespielt werden, ohne dass die Eingabe eines Passworts erforderlich ist. Damit handelt es sich um eine potentiellen Fehlerquelle, die Apples Ingenieure zumindest laut dem Washington-Post-Bericht ausmerzen wollen. Offiziell wollten die Sprecher des Unternehmens aber keine Stellungnahme zu diesen Plänen abgeben.

Apple-Anhörung im US-Kongress am 1. März

Indem sich der Kampf zwischen Apple – mit der Tech-Branche im Rücken – und den Sicherheitsbehörden zuspitzt, wird letztlich die Obama-Administration und der US-Kongress entscheiden müssen, wie der Streit um Verschlüsselungen ausgeht. Ursprünglich hatte die amerikanische Regierung erklärt, dass es kein Gesetz geben soll, das Verschlüsselungsverfahren schwächt. Ein Bekenntnis für sichere Verschlüsselungen gab es allerdings auch nicht.

Angesichts der aktuellen Lage lässt sich daher nur schwer einschätzen, wie es künftig weitergeht. Für den 1. März ist zunächst mal eine Anhörung von Apples Chefjustiziar Bruce Sewell im US-Kongress angesetzt. Er soll dann den Abgeordneten persönlich erklären, warum Apple den Gerichtsbeschluss anfechten will.