VR Experiences: Erlebnisse zwischen Kurzfilm und Spiel

 2/3
Andreas Schnäpp
58 Kommentare

Virtueller Tourismus mit Realities

Frühe VR-Anwendungen mit dem Samsung Gear VR lieferten anhand von 360-Grad-Fotos und -Videos einen ersten Vorgeschmack auf die Möglichkeiten des virtuellen Tourismus. Realities erweitert das Konzept im Zusammenspiel mit Photogrammetrie und Room-scale-Technik auf maßgebliche Weise: Aus dem eigenen Zimmer wird bei Knopfdruck auf den virtuellen Globus eine begehbare, fotorealistische Sehenswürdigkeit.

Wenige Reiseziele, dafür jedoch als audiovisuelles Gesamtpaket

Aktuell beschränkt sich das dargebotene Tourismus-Angebot noch auf eine Handvoll Orte, die innerhalb weniger Minuten erforscht werden können. Das Versprechen, den Globus, der zugleich in VR als Auswahlmenü dient, in Zukunft mit weiteren interessanten Sehenswürdigkeiten zu spicken, ist eines, bei dem wir die Entwickler gerne beim Wort nehmen. Während Valve sich mit dem Postkartenszenario in The Lab vorwiegend weitläufigen Umgebungsaufnahmen widmet, konzentriert sich realities.io auf Architektur, die zum Greifen nah scheint.

Eine der kleinsten Umgebungen, zu denen sich „Spieler“ des VR-Erlebnisses teleportieren können, ist die Abtei von Cluny. Die in VR begehbare Fläche beschränkt sich dabei auf nur wenige Quadratmeter, doch durch die aus gregorianischem Choral erzeugte Klangkulisse entsteht selbst in solch begrenzten Arealen eine beeindruckende räumliche Präsenz.

Wer genauer hinsieht, erkennt zwar an den Rändern der dreidimensional erfassten Umgebungen noch an so manchem Übergang langgestreckte Texturen oder Kanten, die als Fragmente der 3D-Rekonstruktion und des Bild-Stitchings zurückgeblieben sind, doch die Technik steht auch noch an ihrem vielversprechenden Anfang: Sowohl Valves Postkarten-Experiment als auch die dedizierte Softwarelösung von realities.io lassen darauf hoffen, dass diese VR-Nische in Zukunft um viele weitere Inhalte ausgebaut wird. Realities ist schon in seinen Kinderschuhen ein starkes Plädoyer für das Potenzial des virtuellen Tourismus.

Plattform HTC Vive (SteamVR)
Spielbereich stehend / raumfüllend
Eingabe Bewegungs-Controller (SteamVR)
Preis kostenlos

Inmitten einer Ballettaufführung: La Péri

Nur die wenigsten VR-Einsteiger werden beim gedanklichen Abwägen, eine hohe dreistellige Summe für ein VR-System auszugeben, auch nur ansatzweise an klassische Musik oder Ballett gedacht haben. Wir auch nicht. Und trotzdem finden wir uns plötzlich als sterbender Prinz Iskender in einer Ballettaufführung wieder, die klassische Kunstformen mit der virtuellen Realität verschmelzen lässt.

Zwischen Ausdruckstanz und stillem Beobachter

Die Handlung des VR-Erlebnisses lässt sich als Kurzgeschichte in vier Akten beschreiben. Auf der Suche nach der „Blume der Unsterblichkeit“ stößt der Spieler auf einen Wächtergeist, der sich nach und nach in die namensgebende Ballerina „La Péri“ verwandelt. Über eine Gesamtspieldauer von gerade einmal 8 bis 15 Minuten beschränkt sich die Rolle des „Spielers“ auf wenige Interaktionsmöglichkeiten mit dem Wächtergeist.

Mit einer Taschenlampe in der einen Hand ausgestattet, bleibt die andere Hand frei zum Einfangen und Zusammensetzen der vier gesuchten Blütenblätter. Beim Einsammeln eines Blütenblattes zieht dieses einen Schweif hinter sich her, was unterbewusst zur Bewegung mit der Musik, ähnlich wie bei der Verwendung eines Bands bei der rhythmischen Sportgymnastik, animiert. Abgesehen von diesen Interaktionen mit der Spielwelt bleibt der VR-Nutzer jedoch nur ein stiller Beobachter der dargebotenen Tanzchoreographie.

Eine Frage der Einstellung – und des Preises

Keine Frage, selbst in der Early-Access-Fassung ist die Begegnung mit La Péri bereits ein bezauberndes Erlebnis. Wenn Péri mit ihren ausdrucksstarken Bewegungen grazil um uns herum tanzt, entfaltet die per Motion-Capture eingefangene Choreographie etwas Einzigartiges, gar Magisches.

Aufgrund der linearen Natur von La Péri wird sich beim Großteil der Nutzer der Wiederspielwert auf VR-Demo-Abende belaufen, bei denen VR-Neulinge an die neue Technik und -Kunstform herangeführt werden. Doch wie bereitwillig VR-Nutzer am Ende des Tages sein werden, für künstlerisch interessante, aber sehr kurzweilige Erlebnisse auch Geld auszugeben, wird sich erst mit zunehmender Marktdurchdringung von VR-Systemen zeigen. Das Entwicklerteam hinter La Péri, InnerspaceVR, verlangt auf Steam einen Preis von 9,99 Euro für das maximal viertelstündige Erlebnis. Eine Preisvorstellung, die – so lassen es zumindest ein Fünftel negativer Bewertungen auf Steam vermuten – nicht alle Early Adopter auch für angemessen halten.

Plattform HTC Vive (SteamVR)
Spielbereich stehend / raumfüllend
Eingabe Bewegungs-Controller (SteamVR)
Preis 9,99 Euro (Early Access)